Vor zwei Jahren stürzte der Vertriebsdirektor in die IT-Abteilung. Auf einem Auswärtstermin hatte er eine elektronische Akte im Einsatz gesehen - und verkündete: "Das brauchen wir auch!" Christian Will, Projektleiter Dokumenten-Management-Systeme (DMS) bei der HVB Leasing, erinnert sich noch gut daran.
Die HVB Leasing Gruppe finanziert mobile Investitionsgüter und hat laut Will im Jahr 20.000 Rechnungen von 10.000 Lieferanten zu bewältigen. Sein Team und er wollten sich die Aufforderung des Vertriebsleiters nicht zweimal sagen lassen und gingen ans Werk. Acht Wochen später waren sie nicht mehr so Energie-geladen. Das erste DMS-Projekt war gefloppt.
Aus heutiger Sicht ist dem Projektleiter klar, was falsch gelaufen war. "Die Installation eines Prototyps bei uns vor Ort, wo wir bei der Installation, Konfiguration und dem Testbetrieb mit unseren Mitarbeitern begleitend tätig gewesen wären, hätte uns vor diesem Stolperstein bewahrt", fasst Will in einem Beitrag für das Beratungsunternehmen Pentadoc zusammen.
Im Einzelnen zeigten sich sowohl beim ausgewählten Produkt wie bei der Arbeit, die es optimieren sollte, Schwierigkeiten. Ein paar konkrete Beispiele:
-
Das Produkt war - entgegen anderslautender Versprechungen - eben doch keine integrierte Lösung, sondern zusammengestellte Lösungsinseln unter einer Oberfläche. Das erforderte verschiedene Workflow-Systeme und Programmiersprachen.
-
Die Software zur Rechnungslesung wies eine Erkennungsrate von glatten null Prozent auf. Jede Menge False Positives inklusive. Beispiel Absender-Erkennung: Sobald Niederlassungen auf der Rechnung stehen, wird es schwierig, den richtigen Absender zu finden.
-
Dokumenten-Management ist nicht nur ein Technik-Thema, sondern vor allem eines von Organisation und Prozessen.
Bei Dokumenten-Management gleich unter die Oberfläche schauen
Will und seine Mitarbeiter wollten das Projekt Dokumenten-Management-System trotzdem nicht aufgeben. Aus den schlechten Erfahrungen leiteten sie drei Konsequenzen ab:
1. Die Entwickler und Administratoren der HVB Leasing werfen sofort einen Blick unter die Oberfläche und begleiten die Implementierung des Test-Systems von Anfang an.
2. Jeder Consultant durchläuft eine Probezeit.
3. Die Rechnungen werden außer Haus von einem Dienstleister gescannt und später manuell beziehungsweise halbautomatisch indexiert.
Über den Berater Pentadoc kam Christian Will auf die österreichische Firma Braintribe. Diese implementierte prototyphaft folgenden Workflow:
-
Ein Dokument wird in das System importiert,
-
dann wird es in ein externes Archiv-System transferiert (proprietäre Schnittstelle auf einem Mainframe) und
-
das Dokument wird an einem lokalen Standard-Client recherchiert und angezeigt (wobei ausdrücklich auf das Dokument im externen Archiv-System zugegriffen werden sollte).
ECM bleibt Organisationsthema
Das Ganze war vor zwei Jahren und Will bezeichnet es im Rückblick als Erfolg. Dabei bleibt Dokumenten-Management/Enterprise Content Management aus seiner Sicht ein durch Technik unterstütztes Prozess- und Organisationsthema.