Berlin (dpa) - "Wir sollten uns offen zeigen für die Chancen für Neuerungen", sagt Kanzlerin Angela Merkel (CDU). "Die Zukunft mutig zu gestalten, ist die Aufgabe der nächsten Bundesregierung", meint SPD-Chef Martin Schulz. Doch was sind die drängenden Probleme, die die nächste Bundesregierung im neuen Jahr anpacken muss, welche Parteien sie auch immer stellen?
Zuerst ist da Europa. Auch Monate, nachdem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im September in der Pariser Sorbonne seinen EU-Reformplan vorstellte, lässt Deutschland mit einer Antwort auf sich warten. Einen eigenen Haushalt und einen Finanzminister für die Eurozone will der Europa-Befürworter aus dem Élyséepalast - und ein europäisches Verteidigungsbudget sowie eine gemeinsame Interventionstruppe. Angesichts der Fliehkräfte in der EU wachsen die Sorgen, dass die Gemeinschaft ohne deutsch-französische Reformstrategie an Bedeutung einbüßt - gegenüber China, Russland oder den USA.
Der Druck in der EU wächst auch wegen des Brexit. Ende März 2019 will Großbritannien die EU verlassen. Selbst wenn die Ratifizierung des für den Austritt nötigen Abkommens schnell geht - fünf Monate brauchen die Staaten dafür schon. Der Deal muss also im Oktober 2018 perfekt sein.
Wenig auf europäische Solidarität konnte Deutschland zuletzt beim Flüchtlingszuzug setzen. Immerhin hatten die EU-Innenminister vor zwei Jahren beschlossen, 160 000 Flüchtlinge umzuverteilen. Zuletzt war es aber nur ein Bruchteil davon. Migration bleibt Topthema: Können Unsicherheit und Armut in Krisenländern stärker eingedämmt werden, auch um etwas gegen Flucht und Vertreibung zu tun? Wie geht es mit Rückführungen und dem Familiennachzug nach Deutschland weiter? Kommt ein Einwanderungsgesetz - auch damit wachsende Lücken auf dem Arbeitsmarkt besser geschlossen werden können?
Für den Arbeitsmarkt stehen auch andere Weichenstellungen an - im Zeichen der Digitalisierung. Schon die frühere SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles hat Regeln zum Schutz der Arbeitnehmer ein Stück weit lockern wollen, zumindest für eine Probephase, um die Arbeitszeit etwa beim Homeoffice zu flexibilisieren. Neu justiert werden müssen wohl auch der Datenschutz angesichts des umkämpften Potenzials von Big Data oder das Steuerrecht für die Besteuerung der digitalen Wirtschaft.
Dass SPD-Mann Schulz auch nach der Wahl die Forderung nach mehr Gerechtigkeit in Deutschland im Fokus hält, hat einen realen Hintergrund: Trotz Rekordbeschäftigung und Wirtschaftshoch sind zwei Millionen Kinder armutsgefährdet, weil kein Elternteil erwerbstätig ist oder ein Alleinverdiener nur Teilzeit arbeitet. Bei den Einkommensunterschieden liegt Deutschland im OECD-Vergleich nur im Mittelfeld der Industrienationen. Merkel will Vollbeschäftigung vor allem durch wachstumsfreundliche Impulse. Aber auch Union und Arbeitgeber fordern mehr Anstrengungen des Staats, um Langzeitarbeitslosen wieder zu einem Job zu verhelfen.
Wer wenig verdient und geringe Beiträge zahlt, bekommt auch wenig im Alter - und künftig sinkt das Absicherungsniveau der Rente deutlich, weil die heutigen Beitragszahler der Babyboomer-Generation in großem Stil in Rente gehen. Alle Parteien wollen sich des Problems annehmen, wenn die Union auch erstmal eine Kommission dazu einsetzen will.
Bereits heute reicht das Geld hinten und vorne nicht für die Bildung - dabei fehlen in wachsendem Ausmaß Lehrer, Geld für Ganztagsschulen, für die Förderung von Kindern aus sozialschwächeren Familien oder mit Einschränkungen. Investieren darf der Bund hier wegen des 2006 eingeführten sogenannten Kooperationsverbots nicht, weil die Länder zuständig sind. Fieberhaft diskutieren Politiker, wie das Verbot gelockert werden kann.
Auch andere Großbaustellen können kaum warten: So steigt der CO2-Ausstoß dieses Jahr weltweit voraussichtlich um zwei Prozent. Das internationale Ziel, die Erderwärmung auf 2, besser 1,5 Grad zu begrenzen, scheint so kaum zu schaffen. Die Staaten haben sich zur Abmilderung des Klimawandels zum Aufstellen eigener Pläne verständigt, wie sich von den Treibhausgasen wegkommen. 2018 wollen sie diskutieren, wo sie stehen. Deutschland liegt als "weltgrößter Braunkohlnutzer" in einem Klimaschutzindex der Organisation Germanwatch nur im Mittelfeld.
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