Führung

Was einen zum guten Chef macht

26.07.2024 von Christiane Pütter
Gute Führungskräfte lassen ihre Mitarbeiter Fehler machen, loben bei Erfolgen das ganze Team und treffen Entscheidungen schnell. Stanford-Professor Bob Sutton zeigt, wie man ein vorbildlicher Chef wird.
Die Diskrepanz zwischen erfolgreichen Unternehmen und Flop-Unternehmen geht zu 15 Prozent auf das Verhalten der Chefs zurück.
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"Ich Chef, Du Nix", lautet der Aufdruck eines dieser mäßig lustigen T-Shirts in Bahnhofsläden. Bob Sutton, Professor für Management Science and Engineering an der Stanford University, kann über so etwas sicher nicht lachen. Er behauptet: Für drei von vier Beschäftigten ist ihr Vorgesetzter Stress-Faktor Nummer Eins. In einer Publikation des Unternehmensberaters McKinsey klärt Sutton darüber auf, was gute Chefs von schlechten unterscheidet.

Suttons These: Die Diskrepanz zwischen erfolgreichen Unternehmen und Flop-Firmen geht zu 15 Prozent auf das Verhalten der Chefs zurück. Er spricht hier nicht von Fachkenntnissen, sondern von Soft Skills. Führungskräfte prägen die gesamte Unternehmenskultur, weil ihr Verhalten auf die Belegschaft abfärbt, so der Stanford-Professor.

Ein perfekter Chef ist offen für andere Wirklichkeiten
Meistens halten wir unsere Meinung für die Wahrheit, basierend auf der Wirklichkeit, wie wir sie empfinden. Häufig entspricht unsere Wirklichkeit jedoch nicht der Realität. Der "perfekte" Chef setzt sich auf den Stuhl des anderen. Wer durch die Augen anderer sieht, entdeckt eine Fülle von Wirklichkeiten.

Quelle: Perspektive Mittelstand

Ein perfekter Chef ist wirksam
Letztlich geht es um das wesentliche: Der "perfekte" Chef bewirkt, dass Menschen Ziele erreichen. Das Wesen guter Führung ist Wirksamkeit.
Ein perfekter Chef verkörpert Werte
Grundvoraussetzung eines "perfekten" Chefs sind gelebte Werte, die von allen Mitarbeitern als Führungsgrundsätze empfunden werden. Nur so entsteht das viel geforderte Vertrauen.
Ein perfekter Chef ist fachlich selten der Beste
Von dem Gedanken, stets der Beste in allen Bereichen sein zu wollen, müssen sich Führungspersönlichkeiten trennen. Der "perfekte" Chef konzentriert sich auf seine Stärken und seine Hauptaufgaben.
Ein perfekter Chef fordert Menschen
Der "perfekte" Chef fordert Menschen heraus. Er will Leistung erleben und regt Menschen an, sie zu erbringen. Dabei orientiert er sich nur ungern am Durchschnitt, sondern an Spitzenleistungen. Der "perfekte" Chef gibt sich nicht mit dem zweitbesten Ergebnis zufrieden.
Ein perfekter Chef ist Teamplayer
Der "perfekte" Chef sagt und meint "Wir!" und nicht "Ich!" Er ist ein Teamspieler. Im 21. Jahrhundert werden nur Teams gewinnen und nicht Einzelspieler. Die Mondlandung beispielsweise war auch nicht das Werk eines einzelnen Menschen, sondern das mehrerer tausend Ingenieure, auch wenn die visionäre Kraft eines Wernher von Brauns dahinter stand. Aber er hätte es niemals alleine geschafft.
Ein perfekter Chef ist Menschenfreund
Eine wesentliche Eigenschaft von "perfekten" Chefs ist, dass sie Menschen mögen. Viele so genannte Führungskräfte mögen aber nicht einmal sich selbst, geschweige denn andere Menschen. Unter solchen Umständen wird Führung nur schwer möglich sein. Um exzellent zu sein, muss man das, was man tut, lieben. Und um exzellent zu führen, muss man Menschen lieben.
Ein perfekter Chef verbessert sich ständig
Darin liegt die Größe eines wirklich "perfekten" Chefs. Er verwendet die Kenntnis seiner Fehler für die persönliche Weiterentwicklung. Gute Führungspersönlichkeiten meinen nicht, "jemand zu sein", sondern verstehen sich als "jemand, der wird" und zwar jeden Tag ein wenig mehr.
Ein perfekter Chef ist nicht perfekt
Es ist daher verwunderlich, warum immer noch so viele Chefs meinen, dass sie perfekt sind. Eine solch grobe Selbstüberschätzung führt letztlich zu Arroganz und einem Stillstand an Wachstum (sowohl persönlich als auch unternehmerisch).
Ein perfekter Chef macht Fehler
Jeder Mensch macht Fehler, denn Menschen sind nicht perfekt. Durch diese Eigenschaft werden Menschen überhaupt erst liebenswert. Wichtig ist jedoch, dass wir um unsere Fehler wissen und Wege finden, wie diese Fehler behoben werden können. Fehler, richtig verstanden, führen zu einer Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit und des Unternehmens.

Gute Chefs zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Mitarbeiter ermutigen und sich bei Problemen schützend vor sie stellen. Außerdem übernehmen sie die Verantwortung für eigene Fehler. Das heißt konkret:

1. Ein guter Chef demonstriert auch dann Vertrauen, wenn er keines hat. So hat es zum Beispiel Andy Grove gehalten, Intel-CEO von 1987 bis 1998. Grove behauptet, eine Führungskraft könne durch ihr Verhalten Realitäten beeinflussen. These: Wenn der Chef sich von einer Entscheidung überzeugt zeigt und seinen Mitarbeitern das auch vermittelt, arbeiten diese effizienter (weil vertrauensvoller und konzentrierter). Es passieren weniger Fehler. Das schlägt sich früher oder später in der Performance nieder.

2. Ein guter Chef zaudert nicht. Beschäftigte wollen einen Vorgesetzten, der Entscheidungen trifft, so Sutton. Es sei besser, eine Entscheidung nachträglich zu ändern, als sie zu lang hinauszuzögern.

3. Ein guter Chef zollt Anerkennung - und bekommt selbst welche. Das Schöne am Chefsein ist, dass man Lob für die Arbeit anderer bekommt, findet Sutton. Ein schlauer Boss macht sich das bewusst und betont intern wie extern, dass er stolz auf die Leistung seines Teams ist. Intern motiviert er damit die Belegschaft, extern präsentiert er sich als kompetent und bescheiden.

Fehler auf die eigene Kappe nehmen

4. Ein guter Chef nimmt Fehler auf die eigene Kappe. Stellvertretend dafür steht Michael McCain, CEO bei Maple Leaf Foods. Der Lebensmittelkonzern erlebte im Sommer 2008 ein Desaster mit verdorbenem Fleisch - 15 Menschen starben, weitere erkrankten. McCain bekannte sein Unternehmen und auch sich selbst sofort verantwortlich. Er schob nichts auf andere und selbstverständlich entschuldigte er sich. Sein Auftritt vor den Fernseh-Kameras war glaubwürdig, so Sutton.

Nach Verlusten im Jahr 2008 war Maple Leaf schon 2009 wieder profitabel. Im Februar 2010 erklärte McCain, die Marke erhole sich.

Stanford-Professor Sutton weist darauf hin, dass McCain nicht nur angesichts der dramatischen Auswirkungen des Gammelfleisches richtig gehandelt habe - der CEO lernte auch aus den Fehlern. Die Verbraucher nehmen ihm das offenbar ab.

Effektive Problemlösung
Um die richtigen Mitarbeiter im Team zusammenzubringen, muss sich eine Führungskraft zunächst ihrer eigenen Ziele bewusst sein.
Durchhaltevermögen
Ein Blick für das Ganze bewahrt Manager davor, sich in kurzfristigen Zielen zu verlieren und dabei die großen Meilensteine außer Acht zu lassen.
Herausforderungen annehmen
Eine gute Führungskraft begeistert und motiviert ihr Umfeld und bewahrt bei Gegenwind einen kühlen Kopf. Überwindet das Team kleinere Hindernisse, sollte das der Vorgesetzte würdigen. So bauen die Mitarbeiter Selbstvertrauen auf und werden sich an größere Herausforderungen wagen.
Eine großzügige, gemeinschaftliche Haltung
Die beiden klassischen Denkmuster der Geschäftswelt sind "win-lose" oder "win-win". Nach Stein gibt es jedoch einen weiteren Weg, bei dem zusätzlich Dritte profitieren, beispielsweise Kunden oder die Gesellschaft. Die Basis dafür ist eine großzügige und am Wohl anderer orientierte Haltung der Führungskräfte.
Die Bereitschaft, sich seinem Chef zu widersetzen
Leader sollten gemäß ihrer Überzeugungen handeln. Welches Verhalten gegenüber Vorgesetzten im Konfliktfall jedoch angemessen ist, dazu gibt die Management-Literatur kaum Aufschluss. Stein empfiehlt hier eine gewisse Furchtlosigkeit. In der Finanzkrise schwammen zu viele Finanz-Manager lieber mit dem Strom, anstatt vor Fehlentwicklungen ihrer Unternehmen zu warnen.
Der Mut zu wissen, wann Schluss ist
Während Bergsteiger sich auf beide Richtungen ihrer Route vorbereiten, wird in der Welt des Geldes und der Politik häufig vergessen, dass auf jeden Aufstieg ein Abstieg folgt. Führungskräfte müssen lernen, im richtigen Moment auszusteigen.

Sutton leitet aus diesen Beobachtungen drei Tipps für Führungskräfte ab. Sie lauten:

1. Sorgen Sie für die psychische Sicherheit Ihrer Mitarbeiter. Erfolgreiche Innovationen produziert nur, wer seine Leute Fehler machen lässt. Mitarbeiter müssen unausgegorene Ideen testen können, sie müssen experimentieren dürfen, ohne im Fall eines Flops bloßgestellt oder bestraft zu werden.

2. Stellen Sie sich vor Ihre Leute.Beispiel dafür ist Annette Kyle. Sie ist keine Top-Managerin, aber eine sehr gute Chefin für rund 60 Arbeiter an einem texanischen Bahnhof. Diese laden Ware von der Schiene auf Trucks und Schiffe. Dabei kam es immer wieder zur Zahlung von Strafgeldern, wenn Produkte zu lang liegen blieben. Die Arbeiter behaupteten, sie hätten es eben nicht früher geschafft.

Wenn die Chefin "Eine von uns" ist

Kyle vermittelte den Blue-Collar-Workern ein Gefühl von der Bedeutung ihrer Arbeit. Eigenhändig nähte sie "Jammer nich!"-Buttons auf die Uniformen ihrer Leute. Außerdem schmiss sie ihren überdimensionierten Schreibtisch aus dem eigenen Büro - sie fand ihn zu angeberisch. Folge: Die Arbeiter akzeptierten Kyle als "eine von uns", ohne die Autorität der Chefin infrage zu stellen. Sie legten sich mehr ins Zeug - und Kyle senkte die Bußgelder erheblich.

Das alles war nur möglich, so Kyle selbst, weil ihr Vorgesetzter sie immer unterstützt habe. Vom mittleren Management war die unkonventionelle Art der Frau zunächst sehr misstrauisch beäugt worden.

3. Nutzen Sie die große Macht der kleinen Gesten. Robert Townsend, CEO von Avis, sagte einst, er vermisste immer wieder das simple "Danke schön" im Geschäftsleben. Es sollte aber kommen - nicht nur nach Abschluss jedes Projektes, sondern auch mal zwischendurch.

Coachend
Der Vorgesetzte legt Wert auf die berufliche Entwicklung der Angestellten.
Perfektionistisch
Der Vorgesetzte erwartet Aufgabenerfüllung auf höchstem Niveau.
Partizipativ
Der Vorgesetzte legt Wert auf das gemeinsame Entwickeln von Ideen.
Zusammenhalt fördernd
Der Vorgesetzte legt viel Wert auf ein harmonisches Miteinander.
Visionär
Der Vorgesetzte entwickelt den Mitarbeiter langfristig und zeigt ihm Perspektiven auf.
Direktiv
Der Vorgesetzte gibt Anweisungen und erwartet, dass der Mitarbeiter sie kommentarlos und uneingeschränkt befolgt.

Wie es wäre, für sich zu arbeiten

Sutton sagt, Chefs sollten sich vor allem eine Frage stellen, nämlich: "Wie ist es wohl, für mich zu arbeiten?" Daraus leiten sich weitere Überlegungen ab - etwa, warum oder warum nicht die Besten für jemanden arbeiten wollen.

Ein Chef, der seine eigenen Mitarbeiter für Versager hält, muss sich erst einmal an die eigene Nase fassen, so Sutton. Keine neue Erkenntnis: Bereits der römische Senator Titus Petronius, Autor des Romans "Satyricon", gab zu Bedenken: "Qualis dominus, talis et servus (Wie der Herr, so auch der Sklave").

Die sechs Führungsstile
Die Unternehmensberater der Hay Group haben sechs verschiedene Führungsstile ermittelt, die ein Chef ausüben kann. Je größer der Mix aus allen sechs ist, desto zufriedener sind seine Mitarbeiter. Sie leisten mehr und sind weniger krank.
1. Der Chef ist der Chef ist der Chef
Im direktiven Umgang erwartet der Chef, dass die Mitarbeiter seinen Anweisungen ohne Wenn und Aber folgen. Das Warum erfährt der Mitarbeiter meist nicht. Das kann bei Umstrukturierungen hilfreich sein, wenn man ein Unternehmen aus der Krise holen muss. Zum normalen Arbeitsalltag passt dieser Führungsstil nicht.
2. Der Erklärer
Der visionäre Chef setzt darauf, seine Mitarbeiter zu entwickeln und erarbeitet mit ihnen Perspektiven. Ihm ist es wichtig, dass seine Kollegen verstehen, warum sie etwas tun sollen.
3. Der Coach
Dem Erklärer ähnlich ist der coachende Chef, dem die Entwicklung seiner Angestellten sehr am Herzen liegt.
4. Alle für einen!
Andere Vorgesetzte fördern den Zusammenhalt: Ihnen ist es wichtig, dass alle gut miteinander umgehen. Vor allem in Stresszeiten ist das ein guter Führungsstil, denn das Team rückt näher zusammen.
5. Der Chef packt selbst an
Dieser Führungsstil wird eher von Jüngeren ausgeübt: Ein partizipativer Chef drückt seine Befehle nicht durch, sondern setzt auf Teamarbeit. Das fördert die Motivation der Mitarbeiter sehr.
6. Der Perfektionist
Wehe, einer spielt nicht im Takt! Der Perfektionist stresst seine Mitarbeiter schon mal mit seinen hohen Anforderungen an die Qualität der Arbeit. Andererseits greift er ein, wenn man selbst nicht weiter weiß.