Auch wenn sie eine gleichwertige Ausbildung haben wie Männer, gelangen Frauen in technisch ausgerichteten Berufen viel seltener auf hohe Posten. Und wenn sie nach oben kommen, schaffen sie es seltener als Männer auf Stellen als profilierte Experten.
Das hat eine Untersuchung unter 1.795 Frauen und Männern ergeben, die in sieben Hochtechnologie-Firmen mit Sitz im Silicon Valley arbeiten. Durchgeführt hat die Studie "Senior Technical Women: A Profile of Success" das Anita Borg Institute for Women and Technology. Das 1997 von der Informatik-Professorin Anita Borg gegründete Institut mit Sitz im kalifornischen Palo Alto hat sich auf die Fahnen geschrieben, den Einfluss von Frauen auf Technik zu vergrößern.
Auffällig sind laut den Studienautoren die Unterschiede, welche hohen Posten im Unternehmen Frauen und Männer bekleiden. Männern gelingt es weitaus häufiger als Frauen, als sogenannter "Individual Contributor" aufzusteigen. Das sind Angestellte, deren Fortkommen vor allem auf tiefer Spezialisierung beruht, die die technische Ausrichtung neuer Produkte festlegen oder für Patente und Veröffentlichungen zuständig sind.
Davon unterscheiden sich Mitarbeiter, die auf Management-Positionen aufsteigen und sich durch Führungsverantwortung und Projektleitung auszeichnen. Knapp 37 Prozent der Frauen auf gehobenen Posten haben solche Führungspositionen inne, von den Männern sind es 19 Prozent. Dementsprechend ist der Anteil der Männer auf hohen Stellen als "Individual Contributor" höher.
Netzwerke beeinflussen wahrscheinlich Karriereverläufe
Wodurch genau dieser Unterschied zustande kommt, konnten die Studienautoren nicht herausfinden, räumen sie ein. Möglicherweise spielten Netzwerke eine Rolle.
Die Frauen, die es nach oben schaffen, unterscheiden sich ansonsten nach äußeren Kriterien kaum von Männern auf ähnlichen Positionen. Sie sind typischerweise 45 Jahre alt, haben 20 Jahre Erfahrung in ihrem Fachgebiet, arbeiten seit sieben Jahren in ihrem Unternehmen und sind seit drei Jahren auf ihrer jetzigen Position.
Am häufigsten haben sie einen Studienabschluss in Informatik oder Ingenieurwissenschaften. 70,8 Prozent der Frauen auf einer Stelle im "Senior"-Rang hat ihren höchsten Studienabschluss in diesen Fächern gemacht. Von den Männern auf solchen Stellen sind es 76,6 Prozent - also ein ähnlich hoher Anteil.
Beide Geschlechter identifizieren dieselben Erfolgsfaktoren
Klein sind grundsätzlich auch die Unterschiede darin, welche Eigenschaften Frauen und Männer hauptsächlich mit Erfolg auf einer technisch ausgerichteten Laufbahn verbinden: Man müsse analytisch denken, innovativ sein, außerdem kritisch, risikofreudig, kooperativ, bereit zu langen Arbeitszeiten, unternehmerisch denken und Durchsetzungsvermögen besitzen.
Sieben dieser Eigenschaften wurden jeweils von einem ähnlich großen Anteil der befragten Frauen und Männer als wichtig angesehen, nur bei der Rolle als Innovator waren die Frauen deutlich zurückhaltender. 60 Prozent der Männer in den oberen Etagen schreiben sich diese Eigenschaft zu, aber nur 38 Prozent der Frauen.
Und ein weiterer bemerkenswerter Unterschied findet sich in den Eigenschaften, die das Anita Borg Institute abfragte: Sechseinhalb Prozent der befragten Männer assoziierten die Eigenschaft "männlich" mit Erfolg, aber 26,6 Prozent der Frauen. Für die Studienautoren zeigt das, dass gerade auch für beruflich erfolgreiche Frauen Erfolg mit eher männlichen Eigenschaften in Verbindung steht.
Erfolgfreiche Frauen stemmen Haushalt und Karriere
Den häufig vorgebrachte Topos, dass sich Familie und Karriere ausschließen, belegt die Studie des Anita Borg Institute nicht. Unter den Befragten war der Anteil der Frauen mit Kindern auf den höheren Positionen sogar größer als auf niedriger angesiedelten Stellen. Der Anteil der erfolgreichen Frauen mit Kindern war ähnlich hoch wie der der Männer mit Kindern. Allerdings haben Frauen weitaus öfter als Männer eine Doppelbelastung zu tragen.
Die Hälfte der Männer auf hohen Posten hat einen Partner, der die Verantwortung für Haushalt und Kinder vorrangig übernimmt. Von den Frauen auf den oberen Etagen können das nur 23,5 Prozent von sich sagen. 41 Prozent der beruflich erfolgreichen Männer haben Partner, die nicht arbeiten. Bei den Karriere-Frauen ist dieser Anteil mit 13,7 Prozent viel kleiner. Zudem haben die Frauen auf hohen Posten häufiger Partner, die Vollzeit arbeiten, als Männer auf dieser Ebene.
Frauen müssen häufiger privat Abstriche machen
Frauen haben sich ihren beruflichen Erfolg außerdem öfter als Männer durch Verzicht in anderen Bereichen erkauft. Häufiger als Männer gaben sie an, um der Karriere willen Abstriche im sozialen Leben gemacht zu haben oder die Familienplanung nach hinten verschoben zu haben.
An Unternehmen richten die Verfasser des Studienberichts den Appell, zunächst einmal selbst eine Bestandsaufnahme zu machen, wie groß die Anteile von Frauen und Männern auf höheren Hierarchieebenen sind. Führungskräfte und Schlüsselfiguren sollten zudem für das Thema sensibilisiert werden. Um mehr Frauen als sogenannte "Individual Contributors" nach oben zu bringen, müsse man sie durch Netzwerkarbeit oder Mentoren stärker fördern.
Laufbahnen flexibel planbar machen
Was die beiden Möglichkeiten angeht, Karriere zu machen - als Führungskraft mit Team-Verantwortung, oder eben als Experte -, rät das Anita Borg Institute Firmen dazu, den Eintritt in die eine oder andere Laufbahn an verschiedenen Stellen möglich zu machen. Grundsätzlich sollten Frauen auf Einstiegspositionen in Bereichen wie beispielsweise Patentverantwortung gefördert werden.
Rücksicht nehmen müssten Unternehmen außerdem stärker auf die Familienkonstellation ihrer Belegschaft in technischen Bereichen. Dass Männer und Frauen unterschiedlich auftreten und kommunizieren, sollte als Beitrag zur Vielfalt angesehen werden.
Unbedingt beobachten müssen man zudem die Karrierewege: Verändert sich mit dem Aufstieg von Frauen der Anteil derer, die als Manager oder Experten vorankommen? Sei dies der Fall, könnte es ein Anzeichen dafür sein, dass Frauen um des Aufstiegs willen in eine Stelle mit Führungsverantwortung wechseln. Eigentlich würden sie sich viel lieber als Expertin profilieren, doch dabei fehle womöglich die Aufstiegsperspektive, mahnen die Autoren.