In diesem Artikel wird der Begriff Freiberufler sinngleich mit dem Selbstständigen verwendet. Eine Unterscheidung, wie das Steuerrecht es vorsieht, ist nicht erforderlich. Steuerlich anerkannte Freiberufler sind genauso von dem Thema betroffen wie Selbstständige, die Beiträge zur IHK sowie Gewerbesteuer zahlen.
Während der Markt für IT-Freelander in Deutschland im Jahr 2018 noch um fast zwölf Prozent gewachsen ist, konnte er laut einer Studie von Lünendonk & Hossenfelder im vergangenen Jahr nur noch um 7,8 Prozent wachsen.
Viele Freiberufler wissen, genauso wie ihre Auftraggeber nicht, was die Zukunft bringen wird. Es handelt sich dabei nicht um ein Phänomen, das aus dem Nichts auftaucht. Tatsächlich handelt es sich um ein vielschichtiges Problem des Sozialversicherungsrechtes, das eine wesentliche Säule unserer Gesellschaft darstellt und unserer sich wandelnden Arbeitswelt.Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) will klar und deutlich einen Unterschied zu festangestellten Mitarbeitern erkennen können. Und das fällt ihr immer schwerer. Denn gerade bei den selbstständigen IT-Beratern wird von den Kunden häufig eine enge und intensive Zusammenarbeit gewünscht.
Von Scheinselbstständigkeit wird dann gesprochen, wenn ein Auftragsverhältnis zwischen Auftraggeber und Freiberufler ähnlich wie ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis umgesetzt wird.Stellt die Deutsche Rentenversicherung diesen Tatbestand fest oder vermutet ihn, wird der Auftrag rückwirkend als sozialversicherungspflichtig eingestuft. Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung müssen von dem Auftraggeber rückwirkend abgeführt werden.
Bis Ende 2002 gab es feste Kriterien, nach denen die Deutsche Rentenversicherung entschieden hat. Um Scheinselbstständigkeit festzustellen, wurde ein zweiseitiges Formular an die Deutsche Rentenversicherung geschickt. Diese prüfte anhand von Kriterien wie eigene Webseite, eigenes Briefpapier und mehrere Auftraggeber, ob sie die Selbstständigkeit bestätigen konnte. Anfang 2003 entfielen diese klar definierten Kriterien. Es dauerte bis 2008 / 2009, bis die DRV auch ihre Entscheidungspraxis änderte. Seitdem ist die Anzahl der freiwilligen Statusfeststellungsverfahren, die auf scheinselbstständig entschieden wurden, auf knapp 50 Prozent angestiegen.
Die Freiberufler-Studie zum Download
Der wesentliche Unterschied in der Entscheidungspraxis ist die Sichtweise der DRV, die sich geändert hat. Wurde früher der Freiberufler in seiner Gesamtheit betrachtet, wird heute das einzelne Auftragsverhältnis betrachtet. Das bedeutet, dass ein Selbstständiger, der mehrere Aufträge hat, zur gleichen Zeit scheinselbstständig und selbstständig sein kann.
Kriterien für Scheinselbstständigkeit
Die DRV möchte gravierende Unterschiede zu einem weisungsgebundenen Angestellten erkennen können. Anhaltspunkte für eine abhängige Beschäftigung, also für Scheinselbstständigkeit sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers, definiert § 7 und 7a SGB V. Jedes Detail, das die freie Entscheidung und das Wirken des Freiberuflers einschränkt, wertet sie als Indiz für Scheinselbstständigkeit. Sie möchte erkennen, dass es sich um einen echten Selbstständigen handelt. Dessen sollten sich Auftraggeber und Selbstständige bewusst sein.
1. Kunde bestimmt Ort der Tätigkeit
Häufig steht in den Projektausschreibungen:
100 % vor Ort,
kein Remote oder
Remote nur nach Absprache mit dem Kunden.
In der Regel kann dann der Selbständige nicht entscheiden, wann und wo er seine Leistung erbringt. Das wird damit begründet, dass der Auftrag die Vor-Ort-Tätigkeit erforderlich macht und mit anderen Kollegen zusammengearbeitet werden muss, um Informationen auszutauschen. Häufig wird sogar gefordert, dass der Selbstständige seine Abwesenheitszeiten im Kalender oder anderen Tools erfasst. Dass der Selbstständige nicht frei entscheiden kann, wo er die Leistung erbringt, wird von der DRV als Indiz für Scheinselbstständigkeit gewertet.
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Manche Freiberufler berichten davon, dass sie nun gar nicht mehr beim Kunden vor Ort sein dürfen. Stattdessen sollen sie in einem Büro in der Nähe des Kunden arbeiten oder zumindest in der Nähe sein, um bei Bedarf schnell vor Ort zu sein. Doch auch hierbei handelt es sich um eine Vorgabe, die als Weisung zu bewerten ist. Damit sind solche Konstrukte kein zu empfehlender Lösungsansatz, mit dem echte Selbstständigkeit erreicht wird, die von der DRV auch als solche anerkannt wird.
2. Freiberufler nutzen Infrastruktur des Kunden
Oft erhält der Selbstständige auch einen PC und einen festen Arbeitsplatz von seinem Kunden. Er schreibt seine E-Mails von dem E-Mail-Konto seines Kunden auf dessen unternehmenseigenen Servern mit dessen Signatur-Vorgaben. Und erhält sein Büromaterial über das Sekretariat. Oft erhält der Selbstständige auch seinen festen Arbeitsplatz oder ein Telefon. Damit wird der Freiberufler genau so ausgestattet, wie die festangestellten Mitarbeiter des Kunden. Der Auftraggeber will so Sicherheitsrisiken vermeiden. Für die DRV ein klarer Beweis für Scheinselbstständigkeit.
3. Freiberufler ist eingebunden in Organisation des Kunden
Der Selbstständige nimmt an den Projekt-Meetings, Jour Fixes und sonstigen Besprechungen teil - vor Ort, Online oder auch per Telefon. Ganz selbstverständlich wird er zu Geburtstags- oder Weihnachtsfeiern eingeladen. Er gehört schließlich für einen, mehr oder weniger begrenzten Zeitraum zum Team. Er geht gemeinsam mit dem Festangestellten in die Mittagspause und genießen zum Mitarbeiter-Tarif das Essen.
Als Projektleiter, Teilprojektleiter oder als Experte taucht der Freiberufler im Organigramm der Organisation oder des Projektes auf. Wenn der Freiberufler seine freien Tage mit den Projektkollegen abstimmt oder selbst als Urlaubsvertretung beim Kunden fungiert, ist er definitiv Teil der Kundenorganisation. Das Nutzen des Abwesenheits-Assistenten sowie die Ankündigung in der E-Mail-Signatur, wann Abwesenheiten geplant sind, ist ein weiteres Indiz für die nicht selbssttändige Tätigkeit.
4. Verträge, die viele Details regulieren
Arbeitsergebnisse erstellt der Selbstständige auf der Basis der kundeneigenen Vorlagen. Hält Vorgaben und Prozesse des Kunden ein. Verhandelt manchmal sogar mit anderen Lieferanten oder ist Urlaubsvertretung für einen internen Mitarbeiter. Für die Abgabe der Stundennachweise nutzt der Selbstständige die Vorlagen, die man ihm gibt und hält sich an die Regeln, wann und wie die Stunden dokumentiert werden. Oder erfasst sie direkt in dem kundeneigenen IT-System, zum Beispiel SAP. Außerdem wird dem Freiberufler vorgeschrieben, bis wann er die Rechnung zu stellen hat.
Hinzu können weitere Vorgaben des Projektkunden kommen, wie:
Abgabe täglich oder wöchentlich als letzte Amtshandlung, auf dem Laufwerk XY ablegen.
Die Pausen mit pauschal 1 Stunde pro Tag abziehen.
Pro Tag darf nicht mehr als 10 Stunden Arbeitszeit aufgeschrieben werden.
Arbeit an Feiertagen oder am Wochenende bedürfen der vorherigen Genehmigung durch den Ansprechpartner beim Kunden.
Verträge regeln auch gerne, dass der Freiberufler Hilfskräfte oder Dritte nur mit vorheriger Genehmigung des Auftraggebers einsetzen darf.
Hinsichtlich der Aufgabe sowie der Arbeitsergebnisse des Freiberuflers sind manche Auftraggeber hingegen sehr ungenau. In den Verträgen wird kurz aufgeführt, welche Aufgabe oder Rolle der Auftragnehmer übernimmt.
Ein Beispiel: Ich unterstütze meinen Kunden im Bereich Change, Communication und Training in der Rolle als Global Training Manager bei einem Rollout von Office 365. Dafür bin ich bis Ende des Jahres für 60 Prozent eingekauft. Im Vertrag steht:
Global Training Manager Office 365 im Zeitraum 1.7.2017 bis 31.12.2017
75 Personentage (1 Personentag entspricht 8 Stunden)
Was genau ich tue, das ergibt sich. Die Ziele des Projektes sind grob klar, aber nicht die Inhalte meines Auftrages. Die Aufgaben werden je nachdem, was anfällt und zuerst fertig werden soll, während der wöchentlichen Jour Fixes verteilt.
Damit wird sehr gut deutlich, dass Externe häufig in gleicher Art und Weise in das Unternehmen integriert werden, wie es der typische Angestellte ist, der sich die Aufgaben bei seinem Vorgesetzten abholt, Woche für Woche, Monat für Monat. Und es wird auch klar, dass dies nur funktioniert, wenn der Selbstständige sich in die Kundenorganisation integriert.
Die Folgen von Scheinselbstständigkeit
Ausgelöst wird die Prüfung auf zwei Wegen. Zunächst einmal durch das auftragsbezogene Statusfeststellungsverfahren, das der Selbstständige oder Auftraggeber initiiert. Auch Betriebsprüfungen oder Ermittlungen des Zolls zu Überprüfungen des Mindestlohns sowie der Sozialversicherungen und/oder der Krankenkasse führen dazu, dass Scheinselbstständigkeit festgestellt werden kann.
Für das Statusfeststellungsverfahren sind die entsprechenden Formulare der Deutschen Rentenversicherung auszufüllen. Die DRV prüft die Unterlagen und kündigt dann die Entscheidung an.
Steht in der Ankündigung ein Satz, wie "wir beabsichtigen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu entscheiden", kann der Freiberufler davon ausgehen, dass sein Auftragsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet wird. Bleibt die DRV bei diesem Entschluss, kann Widerspruch beim Sozialgericht eingelegt werden. Bis zum Abschluss eines Verfahrens können mehrere Jahre vergehen.
Die Entscheidung Scheinselbstständigkeit bedeutet:
Der Auftraggeber hat die Beiträge zur Sozialversicherung abzuführen, den Arbeitnehmer- sowie den Arbeitgeberanteil.
Bis zu 4 Jahre rückwirkend.
Die Feststellung von Scheinselbstständigkeit betrifft das geprüfte Auftragsverhältnis.
Abhängig vom Umfang oder, wenn Vorsatz unterstellt wird, kann dies auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Auch nach der verabschiedeten Gesetzesänderung, die zum 1.4.2017 in Kraft trat, treffen die Folgen von Scheinselbstständigkeit, die auf der Basis des SGBs festgestellt wird, den Vertragspartner des Selbstständigen.
Folgen von unerlaubter oder verdeckter Arbeitnehmerüberlassung
Fühlt der Selbstständige sich in die Arbeitsorganisation des Kunden integriert oder erhält Weisungen, dann steht ihm auch die Möglichkeit offen, eine Statusklage beim Arbeitsgericht auf Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses anzustreben. Dies würde auf der Basis des §611 sowie des neuen §611a entschieden werden. Ist der Selbstständige erfolgreich, wird ein Arbeitsverhältnis festgestellt. Hiervor kann sich der Projektkunde nicht mehr durch das Dazwischenschalten eines Vermittlers schützen. Das Arbeitsverhältnis würde seit dem 1.4.2017 immer mit dem Projekt- beziehungsweise Endkunden zustande kommen.
Die Entscheidung verdeckte oder unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung bedeutet:
Es kommt ein Arbeitsverhältnis mit dem Endkunden zustande.
Die Feststellung kann auch strafrechtliche Konsequenzen haben.
Ein Entreicherungsanspruch könnte die Rückzahlung von Honorar für den ehemals selbstständigen zur Folge habe.
Es kann passieren, dass auch der Vorsteuerabzug der Honorarrechnungen korrigiert wird, weil es sich - rückwirkend betrachtet - um Gehalt und nicht um die Rechnung eines Dienstleisters handelte.
Eventuell werden steuerliche Korrekturen fällig, wenn das Finanzamt sich einschaltet. Dies kann sowohl die Umsatzsteuer wie auch die Einkommenssteuer betreffen, wenn zum Beispiel die nachgezahlten Sozialversicherungsbeiträge versteuert werden müssen.
Statusfeststellungsverfahren können auch im Rahmen von Betriebsprüfungen initiiert werden. Gleichzeitig führt die Einführung des Mindestlohns dazu, dass der Zoll verstärkt kontrolliert und auch den Tatbestand von Scheinselbstständigkeit im Auge hat. Eine verdeckte oder unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung kann seit dem 1.4.2017 auch durch ein Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht initiiert werden, das der Betriebsrat anstrebt. All das führt dazu, dass die Unternehmen Freiberufler nur noch zögerlich beauftragen. Vermittler, die ihre Rolle beibehalten wollen, beginnen immer stärker damit, den Freiberuflern die Positionen in der Arbeitnehmerüberlassung, also Zeitarbeit, anzubieten. Freiberufler berichten davon, dass zum Beispiel in der Automobilbranche das Beauftragen von Selbstständigen zum Erliegen gekommen ist.
Andere Endkunden beschränken die Auftragsdauer für Selbstständige. Dann ist nach 12 oder 18 Monaten Schluss. Dieser Selbstständige kann dann erst wieder nach einer definierten Wartezeit von 3 bis hin zu 18 Monaten bei diesem Kunden tätig werden. Diese Beispiele aus dem Alltag der Selbstständigen nehmen leider zu und zeigen auf, wie stark die Verunsicherung ist.
Selbstständige, die glauben davor geschützt zu sein, weil sie unabkömmlich sind, seien gewarnt. Mir sind Fälle bekannt geworden, da nimmt der Kunde sogar Produktionsausfälle in Kauf, um sich vor Scheinselbstständigkeit zu schützen.
Die größte Gefahr ist die bestehende Rechtsunsicherheit: Das Statusfeststellungsverfahren ist aufwändig, dauert zu lange, bezieht sich nur auf den jeweiligen Auftrag sowie die aktuelle Situation und ist in seinem Ergebnis nicht vorhersehbar. Man argumentiert, dass es sich um eine Einzelfallbetrachtung handelt. Grundsätzlich raten Experten davon ab, ein Statusfeststellungsverfahren freiwillig zu beantragen. Sollte es erforderlich sein, empfiehlt es sich, dies nur mit der Unterstützung eines darauf spezialisierten Anwalts zu tun.
Infografik Scheinselbstständigkeit & Co. verstehen
Die Infografik Scheinselbstständigkeit & Co. verstehen wurde entwickelt, um die verschiedenen Sachverhalte rund um die Scheinselbstständigkeit klar und eindeutig voneinander abgrenzen zu können. Denn in der Praxis werden die unterschiedlichen Kriterien und Konsequenzen allzu häufig vermischt. Und das führt in der Folge zu Maßnahmen, die zu Auftragsverlust bei den Selbstständigen führen, aber auch zu hohen Kosten bei den Kunden, ohne dass diese damit den gewünschten Schutz erreichen würden.
So können Freelancer die Scheinselbstständigkeit vermeiden
Manche Freiberufler berichten, dass sie bei laufender Beauftragung gezwungen werden, in die Arbeitnehmerüberlassung zu wechseln. Auch werden Projektkunden sich stärker schützen wollen und müssen. In ihrer Not greifen sie zu formalen und vertraglichen Mitteln. Es ist davon auszugehen, dass die Aufträge regelmäßig auf Argumente für Scheinselbstständigkeit überprüft werden und dann die Arbeitnehmerüberlassung als Ausweg angeboten wird.
Umgehungslösungen: In einer idealen Welt würden sich Auftraggeber,Vermittler und Selbstständige überlegen, wie sie die Zusammenarbeit gestalten können, um die Gefahren von Scheinselbstständigkeit zu vermeiden. Sie würden gemeinsam die Bedingungen definieren, die eine echte Selbstständigkeit ermöglichen und auch für den Auftraggeber und Vermittler akzeptabel sind.
Die Art und Weise der Zusammenarbeit ist zu verändern.
Der Status des echten Selbstständigen und der vollständige Verzicht auf Weisung und Integration sind zu realisieren.
Das sind die Voraussetzungen, um auch weiter mit Selbstständigen zusammenarbeiten zu können.
Ist die Höhe des Honorars ein Schutz?
Eine Entscheidung des Bundessozialgerichtes hat für Aufatmen gesorgt. Es wurde entschieden, dass ein Honorar von mehr als 40 Euro ein Indiz für Selbstständigkeit darstellt, da der Freiberufler damit die Möglichkeit hat, Vorsorge zu betreiben und deutlich mehr als ein vergleichbarer Angestellter verdient.
Aber, hierbei ist zu beachten, dass bei diesem Freiberufler auch viele andere Indizien vorlagen, welche die Selbstständigkeit belegten. Die Höhe des Honorars ist damit ein Indiz unter vielen, aber kein sicherer Schutz.
Ist eine GmbH eine Lösung?
Viele Selbstständige könnten auf die Idee kommen, eine GmbH zu gründen und die Aufträge als geschäftsführender Gesellschafter ihrer GmbH durchführen. Hier sollte der Selbstständige wissen, dass dies nur dann eine Lösung darstellt, wenn er maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft hat, so besagt das die aktuelle Rechtsprechung. Ist dies nicht der Fall, kann Scheinselbstständigkeit eintreten. Die zusätzlichen Kosten, die eine GmbH verursacht, werden jedoch sicherlich die Honorare der Freiberufler erhöhen.
Schützt die Tatsache, mehrere Auftraggeber zu haben?
Die Forderung einiger Auftraggeber, dass der Freiberufler für mehrere Auftraggeber arbeitet, ist grundsätzlich zu begrüßen und empfehlenswert, ist aber kein Schutz vor Scheinselbstständigkeit. Allerdings bewahrt sie den Freiberufler davor, von der DRV als arbeitnehmerähnlicher Selbstständige eingestuft zu werden. In diesem Falle ist der Selbstständige rentenversicherungspflichtig. Die Beiträge dafür muss er für einen Zeitraum von gegebenenfalls bis zu vier Jahre selbst entrichten. Ein Sachverhalt, der vielen Selbstständigen nicht bewusst ist und vor dem sie sich sehr leicht schützen können. Dazu darf der Umsatz mit einem Auftraggeber nur maximal 5/6 des Gesamtumsatzes betragen oder der Selbstständige hat einen versicherungspflichtigen Angestellten.
Verträge richtig gestalten
Verträge sind von allen Vorschriften und Regelungen zu befreien, die dem Freiberufler vorschreiben, wie er sich und seine Aufträge zu organisieren hat. Wichtiger ist, den gesamten Ablauf der Zusammenarbeit auf den Prüfstand zu stellen. Das beginnt bei der Auftragsanbahnung. Der Selbstständige kalkuliert und erstellt Angebote, die - idealerweise auf der Basis seiner AGBs - beauftragt werden. In dem Auftrag sind die Liefergegenstände und die Leistung vereinbart, die der Kunde erwartet.
Aufgaben des Freiberuflers
Der Selbstständige führt den Auftrag nach dem von ihm entwickelten Ablauf durch.
Er vereinbart Termine mit den genannten Ansprechpartnern, um erforderliches Wissen aufzunehmen.
Arbeitsergebnisse in Form von Dokumenten und Präsentationen erstellt er mit seinem eigenen PC und mit eigenen Vorlagen.
Benötigt der Selbstständige Zugriff auf die IT-Systeme des Kunden, dann wird ihm dieser vom Kunden eingerichtet.
Ist es erforderlich, dass er sich punktuell enger mit internen oder externen Mitarbeitern abstimmt, dann vereinbart er die dafür erforderlichen Termine.
Je nach Art der Tätigkeit holt er sich Unterstützung bei anderen Kollegen aus seinem Netzwerk, um Spitzenbelastungen abzudecken oder um Aufgaben erledigen zu lassen, die Dritte für ihn besser umsetzen.
Er organisiert sich völlig selbstständig und hat immer mehrere Aufträge und Auftraggeber gleichzeitig, für die er tätig ist.
Pünktlich liefert der Selbstständige die beauftragten Ergebnisse ab oder präsentiert seine Zwischenergebnisse.
Trotz dem hohen Remote-Anteil seiner Tätigkeit, ist er gut vernetzt und kennt die Ansprechpartner, die ihm weiterhelfen können.
Übernimmt der Freiberufler Routine- oder administrative Tätigkeiten, dann sollte er diese in seiner ganz eigenen Art und Weise abarbeiten, denn Vorgaben, wie er seine Aufgaben zu erledigen hat, sind ein Indiz für die DRV.
Auch über die Art und Weise der Abrechnung muss nachgedacht werden: Abrechnungen auf der Basis geleisteter Stunden sind nicht gerne gesehen. Gegebenenfalls kann hier über ein Abrechnungsmodell, ähnlich dem von Ärzten, nachgedacht werden. Diese errechnen ihr Honorar anhand einzelner Positionen. Dann werden zukünftig nicht 35 Minuten für eine Tätigkeit in Rechnung gestellt, sondern 4 Stück Anlegen von Benutzer-Accounts.
Ganz persönlich habe ich eine Lösung gefunden, die mich und meine Auftraggeber vor den Risiken der Scheinselbstständigkeit schützt: Als Vorstand einer Aktiengesellschaft (AG) bin ich gesetzlich von der Renten- und Arbeitslosenversicherungspflicht für alle Aufgaben im Rahmen der AG befreit. Die DRV kann bei dem Vorstand einer Aktiengesellschaft keine Scheinselbstständigkeit feststellen. Daran ändert auch die neue gesetzliche Lage nichts.
Es gibt immer Lösungen und jeder Selbstständige sollte versuchen, diese mitzugestalten. So beweist er echte Selbstständigkeit.
Herausforderung für Kunden und Vermittler
Für beide Zielgruppen ist es ratsam, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und zwar derart, dass praktische und zielführende Lösungen gefunden werden. Lösungen, welche die Selbstständigkeit als sinnvolles und frei gewähltes Format akzeptieren.Voraussetzung ist, dass sowohl Vermittler wie auch Endkunden eigenen Mitarbeitern das Wissen vermitteln, das notwendig ist, um zu erkennen, wann Argumente für Scheinselbstständigkeit geliefert werden.
Auftraggeber sollten sich mit den Selbstständigen, die heute für sie arbeiten, zusammensetzen und gemeinsam eine Strategie für die zukünftige Zusammenarbeit entwickeln. Auch interne Mitarbeiter müssen ausreichend informiert sein, um zu lernen, mit veränderten Situationen und den daraus resultierenden Rahmenbedingungen umzugehen. Und zuletzt: Unternehmen sollten ihrer Organisation Zeit geben, um sich umzustellen.
Hilfreiche Informationsquellen zu Scheinselbständigkeit
Aktuelle Informationen finden Sie auf der Seite des VGSD e.V.
Rechtsanwalt Michael W. Felser bietet hilfreiche Artikel.
Rechtsanwalt Dr. Benno Grunewald hat sich zum Thema Scheinselbstständigkeit spezialisiert.
Hier finden Sie Formulare der Deutschen Rentenversicherung, um das Statusfeststellungsverfahren einzuleiten. (bw)