Videokonferenztechnologie setzt sich in europäischen Unternehmen zunehmend durch. Eine Studie der Analysten von Frost & Sullivan bestätigt aktuell erkleckliche Wachstumsraten und prognostiziert eine gute Entwicklung auch in Zukunft. Allerdings macht Research Analyst Iwona Petruczynik auch keinen Hehl daraus, dass einige handfeste Ursachen einen echten und flächendeckenden Durchbruch bisher verhindern.
So stehe der bei Visual Communication nicht unmittelbar feststellbare Return-on-Investement (ROI) größeren Investitionen weiterhin im Wege. Die Einführung von Videokonferenzsystemen sei außerdem stark vom menschlichen Faktor abhängig. Zudem erweise sich als hemmender Faktor der erforderliche Aufwand, um eine eingefahrene Arbeitsroutine zu verändern und reale Interaktion durch Videokommunikation zu ersetzen.
„Die irrige Meinung, dass Videokonferenz-Dienstleistungen als Kommunikationsmittel nur auf Großunternehmen zugeschnitten seien, behindert die Verbreitung in kleinen und mittelständischen Unternehmen“, gibt Petruczynik zu bedenken. „Zudem wirken sich die ungenügende Infrastruktur und die geringe verfügbare Bandbreite vor allem in den mittel- und osteuropäischen Ländern negativ auf den Markt für Videokonferenz-Endpunkte aus.“
Trotz dieser Hemmnisse zieht der europäische Markt laut Frost & Sullivan erkennbar an. Im vergangenen Jahr wurden mit Videokonferenz-Endpunkten demnach knapp 520 Millionen US-Dollar erwirtschaftet. Bis 2016 sei mit einem Wachstum auf 1,43 Milliarden Dollar und somit einer jährlichen Wachstumsrate von 18,4 Prozent zu rechnen, so die Analysten.
Ein Treiber auf der Nachfrageseite ist das Bestreben der Firmen, Zeit und Geld einzusparen. „Die Tatsache, dass Unternehmen Reisekosten reduzieren müssen, ohne dabei jedoch die Kommunikation zwischen Mitarbeitern und mit den Kunden zu beeinträchtigen, wird den europäischen Markt für Videokonferenz-Endpunkte ankurbeln", erklärt Petruczynik. „Auch die immer strikteren, vom Europäischen Parlament eingesetzten Umweltauflagen werden die Marktentwicklung begünstigen.“
Die Analystin sieht Potenzial auch jenseits der bisher vorherrschenden Zielgruppe der Großunternehmen – und zwar nicht nur in den KMUs. Petruczynik nennt als Beispiel Pädagogen, die die Möglichkeiten von Fernunterricht wahrnehmen könnten, oder Ärzte, die auf diese Weise mit ihren Patienten kommunizieren könnten. „Gerichte können durch Videokonferenzlösungen die Sicherheit in Haftanstalten erhöhen und Anhörungen per Videoverbindung abwickeln“, so die Analystin. „Regierungsbehörden können damit tägliche strategische Aufgaben verfolgen.“
Der zunehmende Einsatz von Videokonferenzen als Bestandteil von Unified-Communications-Lösungen (UC) sowie die steigende Marktdurchdringung von Videolösungen im Mittelstand wird das Umsatzwachstum im Markt für Videokonferenztechnik laut Frost & Sullivan fördern – zumal die Anbieter offenkundig an Verbesserungen arbeiten. Dies gilt etwa für Fragen wie Sicherheit, Firewall-Überwindung und Dienstleistungsqualität im Rahmen von Videokommunikation zwischen mehreren Standorten.
Polycom-Übernahme erwartet
Auf Anbieterseite gab es bereits in den vergangenen eine Konsolidierung des Marktes. Die jüngste Übernahme von Tandberg durch Cisco verändert die Landschaft nach Einschätzung von Frost & Sullivan weiter und unwiderruflich. Beispielsweise würden die Chancen von HP geschmälert, das bei Managed Services und Visual Strategies lange mit Tandberg kooperierte, diese Partnerschaft aber nicht absicherte. Wenn HP in diesem Markt weiter mitspielen will, muss laut Frost & Sullivan schleunigst ein anderer Partner her.
Weitere Konsolidierung sei zudem unausweichlich. Als nächsten Übernahmekandidaten macht Frost & Sullivan Polycom aus. „Potenzielle Käufer könnten die großen UC-Anbieter sein – wie Avaya (durch Silverlake), IBM und HP“, heißt es in der Studie. Carrier und Hersteller aus China hätten jedoch durchaus Außenseiterchancen.
Bei Kaufentscheidungen spiele zudem die Interoperabilität zwischen Videoconferencing und Telepräsenz eine immer wichtigere Rolle, so Frost & Sullivan weiter. Der ernüchternde Fazit hierzu: „Die vielen Interoperabilitäts-Bekundungen halten einer genauen Überprüfung nicht stand.“ Der Begriff werde von den Anbietern unscharf für verschiedene Dinge verwendet – etwa die Verbindungen zweier Systeme via Gateway. Eine End-to-End- und Feature-to-Feature-Interoperabilität sei indes bisher nicht vorhanden.
Deutscher Markt noch nicht reif
Von europäischen Marktkuchen schneidet sich Deutschland zusammen mit Frankreich und Großbritannien laut Studie 36,4 Prozent ab. Gemeinsam mit Schweden zählen diese drei Ländern nach Einschätzung von Frost & Sullivan zu den entwickelten, aber noch nicht reifen Märkten. Den höchsten Reifegrad gebe es in Norwegen, Finnland, Dänemark und Island.
Die Studie „European Videoconferencing Endpoints Market“ ist bei Frost & Sullivan erhältlich.