Inmitten disruptiver Technologiesprünge rückt in IT-Abteilungen wieder eine ausgesprochen "altmodische" Ressource in den Fokus: die Mitarbeitenden. CIOs und IT-Manager sind gefordert, sich auf die Stärken ihrer Belegschaft zu besinnen, darunter Kreativität, kritisches Denken sowie der Aufbau starker Beziehungen. So steigern sie die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und gleichzeitig die Leistung des Unternehmens.
Zur Entwicklung gehört, dass Führungskräfte ihre eigenen Kommunikations-, Management- und Recruiting-Methoden aktualisieren. Das alte Schubladendenken darüber, wie man Talente entdeckt, fördert und bindet, führt nicht mehr weiter.
Mehr softe Führungsqualitäten
Tech-Führungskräfte nennen häufig Soft Skills als Schlüsselaspekt erfolgreicher Teams, und sie priorisieren diese Fähigkeiten bei der Einstellung. Eric McNulty, stellvertretender Direktor der Harvard National Preparedness Leadership Initiative, hat jedoch die Erfahrung gemacht, dass Führungskräfte zunehmend ihre eigenen Stärken in diesem Bereich fokussieren.
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Sie wollen besser zuhören, sich selbst reflektieren, Empathie zeigen und eine Wachstumsmentalität entwickeln, berichtet McNulty: "In den Weiterbildungsprogrammen, die ich unterrichte, haben uns erfahrene IT-Führungskräfte dafür gedankt, dass sie diese Themen einmal offen diskutieren konnten."
Weniger technische Fähigkeiten
Die KI-Einführung auf breiter Front bedeutet, dass es künftig weniger Bedarf an spezifischen Fähigkeiten geben wird, prognostiziert Thomas Mehlkopf, Leiter des Working Capital Management bei SAP und Taulia. Im Gegensatz dazu, so argumentiert er, werden Tech-Führungskräfte, die sich in geschäftlichen Strategien und Analysen auskennen, gefragter sein. "Dazu gehört ein tieferes Verständnis der Unternehmen, in denen sie tätig sind und mit denen sie arbeiten", sagt Mehlkopf.
Hinzu komme die Fähigkeit, KI-Output kritisch zu reflektieren. Bei KI-Modellen könne man die Relevanz und Zuverlässigkeit des Ergebnisses nicht interpretieren, wenn man den Kontext der Daten nicht versteht, so Mehlkopf. "Wenn wir eines mit Sicherheit wissen, dann, dass jede spezifische IT-Fähigkeit jederzeit redundant werden kann." Aber das Wissen über das Business und die Fähigkeit, den Geschäftswert zu steigern, sei ein Alleinstellungsmerkmal.
Mehr Gewöhnung an die Unsicherheit
Um auf Störungen in der Organisation reagieren zu können, müssen sich Unternehmen schnell umstellen können, sagt Chris Campbell, CIO der DeVry University. Ihre Führungskräfte sollten sich darauf vorbereiten, mit vorhersehbarer Ambiguität - Mehrdeutigkeit - umzugehen.
"Daher müssen Manager Rahmenbedingungen schaffen, die es heterogenen und bisweilen selbstorganisierten Teams ermöglichen, ihre Ergebnisse effektiv zu erzielen", fordert Campbell. Dies gelinge, wenn CIOs durch Einflussnahme sowie Befähigung führen und eine starke funktionsübergreifende Zusammenarbeit ermöglichen.
McNulty von Harvard ergänzt, dass die anhaltende Ungewissheit das Interesse an Zukunfts- und Szenario-Planung steigert. "Es scheint weniger Interesse an einer linearen Planung zu geben, die von einer Beständigkeit ausgeht", sagt er und ergänzt: "Stattdessen besteht der Wunsch nach fließenden Ansätzen, die mehrere mögliche Zukünfte in Betracht ziehen." Die alten Modelle seien nicht flexibel genug, um mit den volatilen Veränderungen Schritt zu halten.
Weniger Command and Control
Traditionelle Top-Down-Führungsstile werden den neuen Herausforderungen nicht mehr gerecht, behauptet Abhishek Shah, Gründer und CEO von Testlify. "Führungskräfte, die sich ausschließlich auf Autorität verlassen, sind in einer Zeit der offenen Kommunikation und Teamarbeit nicht mehr gefragt - sie können das Engagement und die Anpassungsfähigkeit der Mitarbeitenden beeinträchtigen", folgert Shah. Daher müssten Führungskräfte diesen Wandel erkennen und steuern, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Technologie-Manager, die starr auf ihre Hierarchie fixiert sind, würden es schwer haben, meint auch Michael Everest, CEO und Gründer von edYou. "Dieser Ansatz kann die Entwicklung und die Innovation bremsen." Everest zufolge hätten Teams heute mehr Mitspracherecht, und offene Kommunikation helfe Führungskräften dabei, IT-Herausforderungen zu bewältigen.
Mehr maßgeschneiderte Schulungen
Jede Technologie ist nur so gut ist wie die Menschen, die sie entwickeln und managen. Daher versuchen Führungskräfte, ihre Mitarbeitenden intern weiterzubilden und Ressourcen aufzubauen, die sowohl im Zugriff als auch speziell auf die Bedürfnisse des Unternehmens zugeschnitten sind.
"Unternehmen weltweit entwickeln heute ihre eigenen Versionen strukturierter Schulungen - von lokalen IT-Bootcamps bis hin zur Organisation interner Kurse über bestimmte Technologien, zu denen Experten verschiedener Cloud-Anbieter eingeladen werden", berichtet Andrey Ivashin, CIO der Dyninno Group. Dieser Ansatz ermögliche es, Talente intern weiterzuentwickeln, die Bindung zu stärken und den Wettbewerbsvorteil auszubauen.
Schulungsprogramme sind zielgerichtet sowie praxisorientiert, und sie vermitteln Ansätze bei der Lösung von Geschäftsproblemen. Diese Fähigkeiten könnten dann schnell innerhalb des Unternehmens eingesetzt werden.
Weniger "Uni-Abschluss = Kompetenz"
Eine Einstellungsphilosophie, die Universitätsabschlüsse mit Kompetenz gleichsetzt, ist veraltet, sagt Ivashin. Erst Flexibilität trage dazu bei, Spitzentalente anzuziehen und zu halten, indem man ihnen deutlich macht, dass sie mit den neuesten, innovativsten Technologien und Plattformen vertraut gemacht werden und die Unterstützung erhalten, diese zu erlernen.
"Wenn Sie IT-Talente wirklich für sich gewinnen wollen, sollten Sie ihnen von den spannenden technischen Möglichkeiten erzählen, mit denen sie arbeiten werden und die sie kennenlernen können", sagt er. Vor allem sollten CIOs betonen, wie sich die Fähigkeiten und Erfahrungen der Mitarbeitenden dadurch entwickeln, während sie gleichzeitig Karriere machen.
Ivashin zufolge sind frisch gebackene Hochschulabsolventen selten mit den erforderlichen Fähigkeiten ausgestattet. Warum also bei der Einstellung auf ihren Abschluss achten?
"Die Ausbildung ist ziemlich begrenzt und oft schon veraltet." Das Studium habe ihnen im Idealfall die Grundlagen vermittelt, wie man Probleme löst, in Gruppen arbeitet und dass Lernen ein lebenslanger Prozess in der IT ist, so Ivashin. "Universitäten werden für die Forschung und wissenschaftliche Spezialgebiete wichtig bleiben, aber sie verlieren zunehmend an Bedeutung, wenn es darum geht, Studenten auf konkrete Jobs vorzubereiten."
Mehr Transparenz
Viele Tech-Führungskräfte tun sich schwer damit, eine Kultur echter Transparenz zu schaffen, auch wenn die Projektbeteiligten heute mehr und mehr einen Open-Book-Ansatz fordern, so Campbell von DeVry. "Man muss klar vermitteln, was das Technologieteam tut, was es leistet und wohin sich das Tech-Ökosystem des Unternehmens entwickeln soll. Starke Führungskräfte behaupten sich in ihrem Team, wenn sie alles zusammenbringen."
Weniger jährliche Beurteilungen
Im Gegensatz dazu ist Campbell von DeVry der Meinung, dass die Idee der jährlichen Leistungsbeurteilung in einer agilen Welt ausgedient hat. Sie wird von den Mitarbeitenden als strafend und nicht als leistungsorientiert empfunden.
"Führungskräfte sollten das ganze Jahr über konstantes und konsistentes Feedback geben und gleichzeitig um Feedback bitten", sagt er. "Wir müssen in jedem Moment coachen, nicht nur einmal im Jahr." In den vergangenen Jahren sei viel mehr Wert darauf gelegt worden, ein sicheres Lernumfeld zu schaffen. Hier haben Mitarbeitende die Möglichkeit, zu scheitern ohne Schaden zu nehmen.
Mehr Nachhaltigkeit
Mülltrennung im Büro ist nicht genug. Die Sorge um Ressourcen für den KI-Betrieb veranlasst Tech-Führungskräfte dazu, sich intensiver mit Nachhaltigkeit zu befassen, sagt Rhonda Dibachi, CEO von HeyScottie.com. Bislang seien IT-Abteilungen von der vollen Wucht der Nachhaltigkeitsanforderungen von Verbrauchern und Investoren abgeschirmt gewesen. "Aber mit der Allgegenwärtigkeit von KI-Initiativen sehe ich einen signifikanten Wandel voraus, bei dem IT-Führungskräfte mit ins Boot geholt werden", so Dibachi.
Das Marktforschungsunternehmen Gartner schätzt, dass in den kommenden Jahren die Vergütung von einem Viertel der CIOs von der Fähigkeit abhängt, Ergebnisse im Bereich der Nachhaltigkeit zu erzielen. So könnte allein KI bis 2030 rund 3,5 Prozent des weltweiten Stroms verbrauchen. Daher würden CIOs Maßnahmen ergreifen müssen, um diese Auswirkungen abzumildern.
Dibachi geht davon aus, dass IT-Manager mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit ihre Organisationen zukunftssicher machen, weil sie die Geschäftsinteressen des Unternehmens mit der Vision des Top-Managements in Einklang bringen. "Natürlich sollte es bei der Nachhaltigkeit um mehr gehen als nur um die Solarstromversorgung neuer KI-Rechenzentren", sagt die Expertin. Es komme auch darauf an, IT-Assets zu recyceln, die Energieeffizienz aller IT-Maßnahmen zu verbessern und nachhaltige Praktiken in der Lieferkette zu managen. Das seien kluge, strategische Schritte für CIOs. (ajf/jd)