Was treibt Ferdinand Piëch? Im April 2015 war der einstige VW-Patriarch nach einem verlorenen internen Machtkampf mit Winterkorn als Chefaufseher zurückgetreten. Jetzt rätseln Beobachter über Aussagen, die er Anwälten und Staatsanwälten bei ihren Befragungen zum Dieselskandal zu Protokoll gegeben haben soll. Der genaue Wortlaut seiner Ausführungen ist bislang nicht bekannt. Er soll ausgesagt haben, dass er im Februar 2015 von einer israelischen Sicherheitsfirma Hinweise auf Manipulationen bei Abgastests in den USA erhalten habe. Er habe erst Winterkorn angesprochen und dann das VW-Aufsichtsratpräsidium informiert.
Vor fast anderthalb Jahren wurden die Abgas-Manipulationen bei Dieselfahrzeugen öffentlich. Kurz nach Bekanntwerden der Affäre im September 2015 trat Vorstandschef Martin Winterkorn zurück. Seitdem geht es vor allem um eine Frage: Wer wusste wann was - und welche Ebenen des Konzerns waren in den Betrug eingebunden? Das spielt deswegen eine große Rolle, weil Anleger über eine angeblich zu späte Information von VW klagen. Und vor allem geht es um mögliche Haftungsfragen und Schadenersatzansprüche - etwa von VW gegen Winterkorn. Es geht also um viel Geld.
Piëchs Aussagen sind für den Konzern unangenehm. Der VW-Aufsichtsrat wies sie scharf zurück. Und der VW-Vorstand erklärte, mögliche Maßnahmen und Ansprüche zu prüfen. Das bedeutet eine mögliche Strafanzeige sowie mögliche Schadenersatzansprüche gegen den Miteigentümer der Porsche SE und damit auch Großaktionär von VW. Über die Motive des 79-Jährigen herrscht Rätselraten. Ist es eine späte Rache wegen seines erzwungenen Rückzuges vor zwei Jahren? Oder sagt er einfach die Wahrheit? Und vor allem: Hat er noch ein Ass im Ärmel? Piëch ließ am Freitagabend über seinen Anwalt mitteilen, er denke nicht daran, "das, was als angebliche Inhalte der Vernehmungen kolportiert wird, seinerseits öffentlich zu kommentieren."
Grabenkampf zwischen Betriebsrat und Management
Als ob die schwierige Aufarbeitung von "Dieselgate" nicht schon genug wäre, tobt hinter den Kulissen nun auch noch ein Konflikt zwischen dem Management der Konzern-Kernmarke VW und dem Betriebsrat. Hintergrund ist ein im vergangenen Jahr beschlossener "Zukunftspakt" zwischen den Parteien. Ziel: Kosten reduzieren und die Ertragskraft der Marke steigern. Dazu gehört auch der Abbau von tausenden Stellen, auf der anderen Seite sollen neue Jobs in Zukunftsbereichen entstehen.
Der Betriebsrat wirft nun Markenchef Herbert Diess vor, Vereinbarungen des Paktes zu brechen. Schon früher waren Betriebsratschef Bernd Osterloh und Diess aneinander gerasselt. Diess will sparen, der Betriebsratsboss will Arbeitsplätze erhalten und Arbeitnehmerinteressen verteidigen - so sieht er sich auch öffentlich gern dargestellt. Der Markenchef soll bis Montag (13.02.) erklären, wie er sich eine Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat vorstellt - der Ausgang der Machtprobe ist offen.
Konzernumbau von VW und die Kosten für den Skandal
Auch als Folge des Dieselskandals steht VW mitten in einem tiefgreifenden Konzernumbau. Vor allem die Elektromobilität und das Geschäft mit Mobilitätsdienstleistungen sollen massiv ausgebaut werden - die Zukunftsthemen der gesamten Branche. VW kann die bisherigen Kosten für "Dieselgate" zahlen, weil der Konzern in guten Jahren ein fettes Polster aufgebaut hat - aber das Geld fehlt bei den notwendigen Investitionen, die Kosten müssen daher noch dringender runter.
Bislang steht die Rechnung für Strafzahlungen und Vergleiche schon bei mehr als 22 Milliarden Euro. Außerdem drohen VW weitere Milliardenkosten durch zahlreiche Klagen von Kunden und Anlegern in Europa. Gerichte dürfte das noch lange beschäftigen. Viele Kanzleien und Anwälte wittern das große Geschäft. Aus ihrer Sicht kann das Thema deshalb öffentlich gar nicht oft genug diskutiert werden.
Kritik an Manager-Boni
Und dann ist da noch die Debatte um hohe Bonuszahlungen, Luxusrenten und Millionenabfindungen. Ex-Chef Winterkorn (69) bekommt von VW eine Rente von 3100 Euro - am Tag. Die Vorstände bekommen trotz des Dieselskandals hohe Bonuszahlungen. Und nach nur gut einem Jahr Arbeit erhält Ex-Vorstandsmitglied Christine Hohmann-Dennhardt (66) nach ihrem Ausscheiden eine Abfindung von mehr als 12 Millionen Euro. Die meisten Menschen in Deutschland können von solchen Summen nur träumen - VW gerät einmal mehr in die Kritik. Volkswagen argumentiert, sich an Verträge zu halten. Aber sieben Monate vor der Bundestagswahl gewinnt die politische Debatte über eine Deckelung von Managergehältern an Fahrt. Der VW-Aufsichtsrat will nun das Vergütungssystem der Top-Manager reformieren und dem Vorstandschef künftig ein Gehalt von höchstens zehn Millionen Euro erlauben.
Autoverkäufe
Ach ja - Volkswagen baut und verkauft auch noch Autos. Und das trotz des Dieselskandals mit großem Erfolg. Im vergangenen Jahr stieg der weltweite Absatz sogar, um knapp 4 Prozent auf 10,3 Millionen Fahrzeuge. Das liegt vor allem daran, dass VW sehr stark im weltweit größten Automarkt China ist. Aber auch in Europa gab es zumindest keinen Absatzeinbruch, auch wenn VW Marktanteile verlor. (dpa/rs)