Was ist eine Prozessorganisation?

16.08.2024 von Volker Johanning  IDG ExpertenNetzwerk
So bauen Sie eine Prozessorganisation in fünf Schritten auf. Von der Definition der Rollen bis zur Verknüpfung mit der IT-Organisation. Eine Tabelle zeigt den Ablauf an einem Beispiel.
Der Erfolg setzt voraus, dass IT und die Fachbereiche einen geplanten Prozess mit Leben füllen. Das heißt klare Definitionen der Ziele auf beiden Seiten auszutauschen.
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Jeder CIO weiß, dass die IT niemals alleine erfolgreich sein kann. Nur in einem engen und abgestimmten Kontext mit den Fachbereichen und der Geschäftsleitung kann die IT einen echten Wertbeitrag für das Unternehmen erbringen. Damit die IT-Organisation jederzeit lieferfähig ist, muss die Schnittstelle zu den Fachbereichen klar geregelt sein. Dies geschieht idealerweise auf der Ebene der Prozesse. Und der Schlüssel dazu heißt: Prozessorganisation.

Des Weiteren muss in dieser Schnittstelle klar sein, wer welche Verantwortungen übernimmt. Dazu gehören die Rollen der Prozessverantwortlichen und -experten sowie Key-User auf Fachbereichsseite sowie deren Pendants auf der IT-Seite. Wie eine solche Prozessorganisation erfolgreich aufgebaut werden kann, zeigen Ihnen die folgenden fünf Schritte.

Schritt 1: Definition der Rollen in einer Prozessorganisation

Bevor die Prozessorganisation mit Leben gefüllt werden kann, müssen zunächst die Rollen geklärt werden. Unterschieden werden die Rollen auf Ebene der Fachbereiche und auf Seiten der IT.

Auf Fachbereichsebene:

Auf Seite der IT ist der Counterpart zum Prozessexperten und Key User zumeist der Inhouse Consultant oder Demand Manager (zuweilen auch IT Account Manager genannt).

Das folgende Bild zeigt die konkreten Aufgaben und Tätigkeiten der Rollen in einer Prozessorganisation.

Die Rollen in einer Prozessorganisation.
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Darüber hinaus sei erwähnt, dass die Rolle des globalen Prozessverantwortlichen nur in Unternehmen zu finden ist, die international agieren und im Ausland nennenswerte Produktions- oder Vertriebsstandorte haben. Denn in diesem Fall macht es Sinn, dass eine Rolle die globale Einhaltung von Standards bzgl. Prozessen und Strategie übernimmt. Pro Standort, Gesellschaft oder Land gibt es dann für den jeweiligen Prozess einen eigenen Prozessverantwortlichen, der allerdings auch in Personalunion globaler Prozessverantwortlicher sein kann.

Schritt 2: Ende-zu-Ende-Prozesse definieren

Damit die Prozessorganisation ein arbeitsfähiges Fundament bekommt, sollten die für Ihr Unternehmen relevanten Ende-zu-Ende-Prozesse (E2E-Prozesse) einheitlich definiert und verabschiedet werden. Durch den Ende-zu-Ende-Charakter wird sichergestellt, dass nicht mehr die in den Organigrammen vorherrschende Funktionsabgrenzung - das sogenannte "Silodenken" - imitiert wird, sondern tatsächlich abteilungs- und bereichsübergreifend gedacht und gehandelt wird.

Dies bedeutet, dass zum Beispiel in dem E2E-Prozess "Plan-to-Ship" (P2S) die Bereiche Vertrieb, Produktion und Logistik gleichermaßen an dem Prozess beteiligt sind. Daher sollte es vermieden werden, die im Organigramm zu findende Struktur einfach für die Prozessorganisation zu übernehmen im Sinne von Produktion ist ein Prozess genauso wie Vertrieb oder Finanzen.

Die Aufgabe besteht jetzt also darin, die für Ihr Unternehmen wesentlichen Ende-zu-Ende-Prozesse zu definieren und diese mit der Geschäftsführung und den Fachbereichsleitern abzustimmen. In einem produzierenden Unternehmen kann dies beispielsweise wie folgt aussehen:

Typische E2E-Prozesse in einem produzierenden Unternehmen

E2E-Prozess

Definition

Beteiligte Bereiche

P2S: Plan-to-Ship

Von der initialen Bedarfsplanung bis zum Versand an den Kunden

Produktion, Vertrieb/Absatzplanung und Disposition, Supply Chain, Logistik und Qualitätssicherung

D2D: Design-to-Deploy

Von der Restanfrage eines Produktes bis zur Produktionsreife des Produkts (inkl. Änderungsdienst, Bemusterung und Ausphasen des Produktes)

Technische Entwicklung (R&D), Projektierung, Produktionsplanung, Qualitätsmanagement

S2P: Source-to-Pay

Einkaufsprozesse von der Beschaffungsstrategie bis zur Zahlung der Lieferantenrechnung

Einkauf, Finanzen und Controlling

C2C: Contract-to-Cash

Verkaufsprozesse von der Vetriebsstrategie bis zum Zahlungseingang und dem Handling von Retouren

Vertrieb, Finanzen, Controlling, Supply Chain, QM/QS

R2R: Record-to-Report

Finanzprozesse und Cash Management von der Budgetierung/Planung bis zur Bilanzierung und Reporting

Finanzen, Controlling

H2R: Hire-to-Retire

Personalprozesse von der Personaleinstellung bis zum Ausscheiden

Pesonal, Marketing, Finanzen

Schritt 3: Die Rollen in der Prozessorganisation richtig besetzen

Nachdem die Rollen und E2E-Prozesse klar definiert sind, geht es jetzt um das Füllen der Prozessorganisation mit Leben. Sprich: Es findet die Zuordnung der Rollen zu den E2E-Prozessen statt.

Die Rollen besetzen: Zuordnung der Personen zu den jeweiligen E2E-Prozessen.
Foto: Volker Johanning

Bei der Zuordnung von Personen zu den E2E-Prozessen sind folgende Besonderheiten zu beachten:

Schritt 4: IT-Organisation und Prozessorganisation verknüpfen

Nachdem die Prozessorganisation final mit allen Zuständigkeiten besetzt wurde, folgt die Verknüpfung der IT-Organisation mit der Prozessorganisation. Beispielhaft ist in der folgenden Grafik dargestellt, wie die IT-Organisation auf Ebene des Bereiches "PLAN" mit den End-to-End-Prozessverantwortlichen auf Fachbereichsebene verknüpft werden kann. Diese IT-Teams aus dem "PLAN" wiederum sind mit dem BUILD-Team verbunden, die die jeweils für den End-to-End-Prozess notwendigen IT-Systeme beinhalten und verantworten.
Davon abgekapselt ist der Bereich "RUN" in Form von "Global IT Operations", da diese unabhängig von den End-to-End-Prozessen für das gesamte Unternehmen erbracht werden müssen.

Die Aufgabenverteilung sieht beispielhaft bei einer Anforderung bzw. Prozessveränderung im Fachbereich folgendermaßen aus:
Auf Ebene des Fachbereichs werden in der Prozessorganisation die Prozessveränderungen festgestellt und dann mit dem PLAN-Team aus der IT besprochen.

Dies ist eine vereinfachte Prozessdarstellung, aber für die generelle Darstellung des Ablaufs zwischen IT- und Prozessorganisation soll dies zunächst reichen.

Die Prozessorganisation mit der IT-Organisation verküpfen.
Foto: Volker Johanning

In der beispielhaften Grafik sieht die Zuordnung und Verknüpfung bei den sechs End-to-End-Prozessen folgendermaßen aus:

Schritt 5: Der Go-Live der Prozessorganisation

Damit die Prozessorganisation ihre volle Kraft entfalten kann, muss zunächst die Verabschiedung durch die Geschäftsführung erfolgen. Und dann sind vor allem die Kommunikation und Schulungen wichtig.

Dabei geht es primär darum, alle Process Owner sowie Experts, Key-User und IT Demand Manager in ihren neuen Rollen zu schulen mit den folgenden Inhalten:

Vor allem die Frage wie viel Zeit eine solche Rolle benötigt ist für die Führungskräfte sehr wichtig. Denn in Projekten, wie zum Beispiel bei einer ERP-Einführung sind Prozessverantwortliche je nach Projektphase zu nahezu 100 Prozent ausgelastet. Um bei dem Beispiel ERP-Einführung zu bleiben: In einem größeren mittelständischen Unternehmen mit ca. 2.000 Mitarbeitern und einem Greenfield-Ansatz kann eine solche ERP-Einführung schon mal fünf Jahre dauern. In dieser Zeitspanne ist nicht jeder Prozessexperte zu 100 Prozent mit dem ERP-Projekt ausgelastet, aber in Spitzenphasen wie vor dem Go Live, bei Schulungen und Trainings sowie der Business-Blueprint-Phase aber sicherlich schon. Dies ist vielen Führungskräften nicht klar und daher sind solche Projekte auch oft sehr zäh in ihrer Abarbeitung.

Im Tagesgeschäft, wenn keine großen Projekte anstehen, ist ein Prozessexperte hauptsächlich mit Prozessveränderungen beschäftigt, die dann in den IT-Systemen auf üblichem CR-Weg (als Change Request) eingeführt werden. Dies sollte Routine sein und nimmt je nach Prozessoptimierungspotenzial zwischen 20% und 50% seiner Zeit in Anspruch.

Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in dem Buch "Organisation und Führung der IT - Die neue Rolle der IT und des CIOs in der digitalen Transformation"