Ein Gespräch kommt auf das Thema ITSM, also wird munter über ITIL diskutiert. In aller Regel ist das so, wenngleich hier im Grunde die Ebenen verrutschen. Eine willkürliche Analogie dafür - und es ließen sich dafür sehr schnell sehr viele finden: Hierzulande fliegen viele Meisenvögel durch die Lüfte; sieht man einen, wird es vermutlich eine Kohlmeise sein, aber es zwitschern in hiesigen Gefilden auch Blaumeisen und andere.
Ja, es geht um Kategorisierung, um die man bei IT Service Management (ITSM) nicht herum kommt. ITSM ist der Überbegriff, der in der Praxis oft mit der IT Infrastructure Library (ITIL) gleichzusetzen ist. Aber man kann ITSM auch mit Hilfe anderer Frameworks machen, zum Beispiel COBIT oder FitSM. Auch an Methoden wie Six Sigma kann sich ITSM orientieren, sogar ein Verzicht auf formelle Rahmen und Methoden ist möglich.
Vielen Mittelständlern ist das Thema ITSM wegen der unzähligen damit verbundenen Definitionen, Schlagworte und Anglizismen ein Graus. Keine Frage, unkompliziert ist das alles nicht. Zunächst gehen wir genauer auf ITIL und die Inhalte dieses Frameworks ein. Erklärt werden die wichtigsten Prozesse und Funktionen ebenso wie die Genese der Versionen ITIL v3 und ITIL Edition 2011. Auf der zweiten Seite wird genauer erklärt was ITSM eigentlich ist - samt der wichtigsten damit verbundenen Begriff.
Was bedeutet ITIL - IT Infrastructure Library?
ITIL 2011: Die aktuelle ITIL-Version umfasst 26 Prozesse, die in fünf Kernbänden zusammengefasst sind:
Service Strategy:Strategy Management for IT Services, Financial Management for IT Services, Service Portfolio Management, Demand Management, Business Relationship Management
Service Design:Design Coordination, Service Level Management, Service Catalogue Management, Information Security Management, Supplier Management, IT Service Continuity Management, Availability Management, Capacity Management
Service Transition:Knowledge Management, Change Management, Service Asset and Configuration Management, Transition Planning and Support, Release and Deployment Management, Service Validation and Testing, Change Evaluation
Service Operation:Incident Management, Request Fulfilment, Event Management, Access Management, Problem Management
Continual Service Improvement:The 7-Step Improvement Process
Hinzu kommen vier Funktionen, die alle dem Band Service Operation zugeordnet sind: Service Desk, Technical Management, IT Operations Management, Application Management
Die am häufigsten eingesetzten ITIL-Prozesse
Weil es sich bei ITIL um eine an die jeweiligen Gegebenheiten anzupassend Sammlung an Best Practices handelt, werden nicht alle Prozesse von jedem Anwender umgesetzt. Die Nutzungsverteilung dürfte in etwa so aussehen: Fast jedes Unternehmen nutzt Incident Management, bei Change Management und Problem Management gilt dies jeweils für eine große Mehrheit der Anwender, alle anderen Prozesse werden nicht einmal in der Hälfte der Firmen umgesetzt, zum Teil tut das sogar nur eine kleine Minderheit.
1. Change Management
"Der Prozess, der für die Kontrolle des Lebenszyklus aller Veränderungen verantwortlich ist und das Umsetzen nützlicher Veränderungen mit minimaler Störung der IT Services ermöglicht", heißt es dazu in ITIL 2011. Mit Change sind Veränderungen auf einer breiten Skala gemeint: von Architekturen, Prozessen, Tools, Metriken und Dokumentation, überdies Veränderungen der IT Services und anderer Konfigurationen.
Durch eine Reduzierung von Vorfällen und Problemen bei Veränderungen ergeben sich im Ideal direkte positive finanzielle Effekte. Zu den Vorteilen zählen außerdem ein bessere Steuerung von Veränderungen und eine verbesserte Zusammenarbeit über Teamgrenzen hinweg, was mit einer verbesserten Risiko- und Folgenbewertung von Veränderungen einhergeht.
2. Incident Management
Das Incident Management umfasst Ereignisse, die ein ordentliches Erbringen des Services gefährden, stören oder unmöglich machen. Das Ziel ist es, die gewünschte Service-Qualität so schnell wie möglich wiederherzustellen. Die geschäftlichen Auswirkungen von Vorfällen sollen minimiert werden.
3. Problem Management
Problem Management betrifft sozusagen die präventive Seite des Incident Managements. Es geht darum, schädliche Ereignisse proaktiv zu verhindern und bei unvermeidbaren Incidents ihre schädlichen Auswirkungen einzugrenzen. Nutzenpotenzial ergibt sich insbesondere aus weniger Ausfallzeiten, geringeren Kosten für das Bekämpfen von Incidents und einem optimierten Einsatz des IT-Personals, das seine Zeit nicht mit Sofortmaßnahmen im Ereignisfall verbringen muss.
4. Service Desk
"Der einzige Kontaktpunkt zwischen dem Service Provider und den Usern", definiert ITIL 2011. "Ein typisches Service Desk managt Incidents und Service-Anfragen und übernimmt außerdem die Kommunikation mit den Nutzern." Ein Service Desk soll dabei helfen, immer Sinne einer maximalen Business-Produktivität Probleme schneller zu beheben und die IT-Ressourcen optimal einzusetzen. Als Schnittstelle zwischen Business und IT hat das Service Desk einen großen Einfluss darauf, wie die IT im Unternehmen wahrgenommen wird.
5. Service Level Management
In ITIL ist damit jener Prozess gemeint, der für das Aushandeln erreichbarer SLAs verantwortlich ist - und dafür, dass die Vereinbarungen auch eingehalten werden. Service Level Management sorgt idealerweise dafür, dass alle ITSM-Prozesse, operativen SLAs und unterstützten Verträge geeignet für die vereinbarten Service Level-Ziele sind. Miteingeschlossen sind regelmäßige Reviews und die Identifizierung notwendiger Verbesserungen.
Was ist ITSM - IT Service Management?
ITSM steht als Kürzel für IT Service Management. Wikipedia definiert ITSM als "Gesamtheit von Maßnahmen und Methoden, die nötig sind, um die bestmögliche Unterstützung von Geschäftsprozessen (GP) durch die IT-Organisation zu erreichen". ITSM beschreibe insofern den Wandel der Informationstechnik zur Kunden- und Service-Orientierung.
Das ist soweit eine nachvollziehbare und gängige Definition, aber keineswegs die einzige. Eine andere findet sich im Glossar der aktuellen Version ITIL 2011. Demnach meint ITSM die Implementierung und das Management von qualitativen IT Services, die den Anforderungen des Business genügen. "IT Service Management wird von IT Service Providern mit Hilfe einer angemessenen Mischung aus Menschen, Prozessen und Informationstechnologie ausgeführt", heißt es weiter in dieser Definition.
Wichtig zum Verständnis des Ansatzes ist vor allem, dass er mit der Abkehr von einer rein technologischen Herangehensweise ans IT-Management einhergeht, die traditionell um Größen wie Netzwerk oder Storage kreiste. ITSM rückt demgegenüber die Service-Delivery-Optimierung und die Nutzung der IT-Services in den Mittelpunkt.
Jenseits der IT-Welt gilt als eine Art Startpunkt für diese Denkrichtung das 1984 erschienene Buch "Service Management: Strategy and Leadership in the Service Business" des schwedischen Forschers und Beraters Richard Normann. In diesem Sinne darf man Service Management als systematische Methode des Managements von Diensten für die Kunden verstehen - unter einem jeweils fixen Kosten- und Qualitätsrahmens. ITSM ist die Übertragung dieses Konzepts auf die IT.
ITSSM
Ein Kürzel, das fast so aussieht wie jenes für ITSM und gemeinerweise auch in dessen Umfeld zu verorten ist. ITSSM steht für IT Service Support Management - ein vom Analystenhaus Gartner geprägter Begriff. "ITSSM-Tools automatisieren die Aufgaben und Workflows, die mit dem Management und der Lieferung von qualitativen IT Services ans Business assoziiert werden", definierte Gartner etwa in einer 2014 erschienenen Studie. Letztlich geht es bei ITSSM um Tools, die die gängigsten ITSM- respektive ITIL-Prozesse unterstützten.
ISO/IEC 20000
Eine international anerkannte Norm fürs ITSM, die von der Internationalen Organisation für Normung (ISO) kontrolliert wird und deren ausführlicher Inhalt in Deutschland über den Beuth-Verlag bezogen werden kann. Organisationen können sich die Einhaltung der Norm zertifizieren lassen, ein Zertifikat muss alles drei Jahre erneuert werden.
In der ISO/IEC 20000 werden die Mindestanforderungen an Prozesse spezifiziert und dargestellt, die eine Organisation etablieren muss, um IT Services in definierter Qualität bereitstellen und managen zu können. Der erste Teil der Norm enthält die formelle Spezifikation des Standards, der zweite Teil eine Sammlung von Best Practices. Inhaltlich ist diese ISO-Norm eng an ITIL angelehnt.
COBIT
Hinter diesem Akronym steht ein Rahmenwerk für Governance und Management der Unternehmens-IT, das vom globalen Berufsverband Information Systems Audit and Control Association (ISACA) entwickelt und gepflegt wird. Das IT-Steuerungswerkzeug wurde in seiner ersten Fassung 1996 veröffentlicht, liegt seit 2012 in der Fassung COBIT 5 vor und dient als Framework mit 37 IT-Prozessen insbesondere als Modell zu Compliance-Sicherstellung. Das laut ISACA in den meisten Großunternehmen weltweit zumindest in Teilen umgesetzte Rahmenwerk soll eine Verbindung zwischen IT-spezifischen Kontrollmodellen wie ITIL und solchen aus anderen Unternehmensbereichen wie etwa COSO für die Finanzberichterstattung herstellen.
Six Sigma
Ein System zur Prozessverbesserung und eine Methode des Qualitätsmanagements, entwickelt 1987 von Motorola in den USA und später höchst erfolgreich umgesetzt bei General Electric. Six Sigma wurde also in der Fertigungsindustrie entwickelt, kann als strukturierte Methode zur Fehlereliminierung und Perfektionierung aber auf alle möglichen Prozesse übertragen werden. Auch auf die IT, wodurch Six Sigma einen Orientierungsrahmen für ITSM bieten kann. Kernelement der Methode ist die Beschreibung, Messung, Analyse, Verbesserung und Überwachung von Prozessen mit statistischen Mitteln.
FitSM
FitSM basiert auf den Ergebnissen eines EU-Projektes zum Thema E-Science-Infrastrukturen. Gepflegt wird der Standard, der 14 Prozesse umfasst, von der IT-Education Management Organization (ITEMO). Ermöglicht werden soll leichtgewichtiges, schlankeres ITSM, weshalb gegenüber ITIL diverse Prozesse fehlen.
Service Level
Bezeichnung für die Dienstgüte eines Services.
SLA
Kürzel für Service Level Agreement. Dieses beschreibt den IT Service, dokumentiert Service-Level-Ziele und spezifiziert die Verantwortlichkeiten des Dienstleisters und des Anwenders. Eine einzelne Vereinbarung kann verschiedene Services abdecken.
KPI
Abkürzung für Key Performance Indicator. Definierte Kennzahlen sollen Kontrolle über die vereinbarten Service Level ermöglichen.
ITIL
Very British. ITIL - Kürzel für IT Infrastructure Library - wurde ursprünglich seit den 1980er-Jahren von einer britischen Regierungsbehörde entwickelt. Die bis 1998 vorliegenden Dokumente der Sammlung von vordefinierten und standardisierten Prozessen, Funktionen und Rollen wurden nachträglich zur Version 1 erkoren.
Bis 2003 lag Version 2 vor. 2007 folgte eine dritte Version, die als ITIL V3 bekannt wurde. Diese wurde bis 2011 aktualisiert und unter dem Namen "ITIL 2011 Edition" veröffentlicht. Es handelt sich dabei um die bisher aktuellste Version der Best Practice-Sammlung, die jeweils an die individuellen Voraussetzungen des Anwender-Unternehmens angepasst werden muss.
ITIL ist inzwischen eine Schutzmarke von AXELOS, einem Joint Venture der britischen Regierung und des Outsourcing-Unternehmens Capita. ITIL ist der wichtigste ITSM-Standard. Eine ITIL-Zertifizierung ist für Einzelpersonen, also auch Mitarbeiter eines Unternehmens, möglich, nicht aber ganze Organisationen.