Die Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) ist weiter auf dem Vormarsch. Die Marktforscher von IDC gehen davon aus, dass dieser Markt demnächst förmlich explodieren wird, von 37 Milliarden Dollar im letzten Jahr auf 98 Milliarden Dollar im Jahr 2023. Die allgemein als konservativ geltende deutsche Fertigungsbranche ist hier sogar wegweisend. Laut einer Untersuchung von Capgemini sind die weltweit führenden Produktionsunternehmen aus Deutschland mit einem Nutzungsgrad von 69 Prozent Pioniere beim Einsatz von KI-Elementen im Fertigungsbereich, gefolgt von Frankreich (47 Prozent) und Großbritannien (33 Prozent). KI-Anwendungen adressieren derzeit vor allem drei Bereiche: intelligente Wartung, Qualitätskontrolle und Bedarfsplanung.
KI ist nicht den Großen vorbehalten
Dr. Jochen Malinowski, Geschäftsführer New IT bei Accenture, bestätigt aus eigener Erfahrung die Einschätzung von Capgemini. "Das produzierende Gewerbe wird in Zukunft insgesamt in der KI eine Vorreiterrolle einnehmen", lautet seine Einschätzung. Zusätzlich zu den oben erwähntenEinsatzgebieten sieht er KI im Einsatz quer durch alle Unternehmenssparten, allen voran im Marketing, Vertrieb und Produktion sowie in der Forschung & Entwicklung. Auch in der mittelständischen Industrie schreitet nach seinen Erkenntnissen die KI-Durchdringung voran. "Es gibt zahlreiche Beispiele, wo mittelständische Unternehmen eine Reihe an KI-Methoden sehr erfolgreich integriert haben, beispielsweise bei der Bilderkennung zur Qualitätsanalyse", lautet sein Hinweis.
Gerade bei mittelständischen Betrieben sieht Prof. Bodo Rosenhahn von der Leibniz Universität Hannover sogar eine überdurchschnittlich hohe Notwendigkeit, KI einzusetzen. "Meiner Erfahrung nach sind die KMUs besonders gefordert, denn die müssen sich gegen die Großen durchsetzen. Das heißt, sie müssen ihre Wettbewerbsvorteile möglichst früh ausschöpfen, obwohl sie nicht annähernd über die gleichen Ressourcen verfügen", lautet sein Rat an die mittelständischen Fertigungsbetriebe.
Wichtig: Vollintegrierter Entwicklungsprozess
Was genau unterscheidet die Pioniere von der Konkurrenz? "Early Adopter haben sich schon sehr frühzeitig mit der KI-Nutzung auseinandergesetzt; sie haben längst den Mehrwert von KI erkannt und viele Algorithmen erfolgreich in bestehende Geschäftsprozesse integriert", weiß Dr. Florian Baumann, CTO bei der Dell Technologies mit Spezialgebiet Automotive & AI.
Wichtig ist seiner Ansicht nach, dass es dafür einen vollintegrierten Entwicklungsprozess geben muss, der aus dem Erfassen und Sammeln von Daten, der Datenaufbereitung, der Modellentwicklung, dem Algorithmen-Training, dem Test, der Validierung und schließlich der Überführung der KI-Algorithmen in die Produktion besteht. "Die Early Adopter haben all diese Schritte bereits erfolgreich gemeistert und Storage-, Network- und Compute-Komponenten produktiv im Einsatz", erklärt Baumann.
Lufthansa: Gesamtheitliche KI-Strategie
Ein Early Adopter in Sachen KI ist auch die Lufthansa. Dort leitet Sören Linau die KI-Studio-Gruppe und er hat mit seinem Team vier KI-Einsatzgebiete identifiziert: Sprachverarbeitung (NLP), Maschinelles Lernen (ML), Mensch-Maschine-Interaktionen sowie Bilderkennung, um etwa künftig Gepäckschäden automatisiert erkennen zu können. Ein derart umfangreiches KI-Programm bei einem Großunternehmen geht freilich nicht ohne eine gründliche interne strategische Abstimmung.
"Die größte Herausforderung besteht darin, eine gesamtheitliche KI-Unternehmensstrategie zu definieren", erklärt Sören Linau. "Die Einführung eines Center of Excellence hilft hierbei. Ohne KI-Zielarchitektur und -Standards entsteht ein Wildwuchs an Lösungen von verschiedenen Anbietern. Das bedeutet höhere Kosten für Betrieb und Wartung, keine Synergien und natürlich eine langsamere Lernkurve."
Aus den Fehlern anderer lernen
Für KI-Anfänger gibt es inzwischen aber auch noch viele andere Möglichkeiten, Risiken zu minieren und Ergebnisse zu maximieren. Beispielsweise unterstützt Dell Technologies diese Unternehmen durch eine eigene Prozesskette, mit welcher sich ein Return-on-Investment (ROI) definieren lässt. Zu dem Paket gehören Erstgespräche, Workshops und die Proof-of-Concept-Erstellung.
Nicht der erste zu sein, muss allerdings nicht unbedingt ein Nachteil sein. Viele erfolgreiche Unternehmen verfahren nach dem Prinzip: Wir wollen nicht die ersten, sondern die besten sein. Was nichts anderes ist als eine modernere Formulierung für eine alte Binsenweisheit: Am effektivsten lernt man von den Fehlern anderer.
Hat man die Technik im Griff, dann gilt es, den geschäftlichen Nutzen herauszuarbeiten. Wir haben Experten gefragt, wie sich der KI-Einsatz in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern auf Geschäftsmodelle auswirken wird.
Die Experten: Prof. Dr.-Ing. Bodo Rosenhahn ist Professor an der Leibniz Universität Hannover und leitet dort eine Forschungsgruppe zur automatisierten Bildinterpretation. Der mehrfach ausgezeichnete KI-Wissenschaftler hat an mehr als 180 Veröffentlichungen mitgewirkt. Dr. Florian Baumann ist CTO bei der Dell Technologies GmbH mit Spezialgebiet Automotive & AI. Er ist Experte für maschinelles Lernen und hat über visuelle Erkennung und die Lösung anspruchsvoller Lernprobleme geforscht. Dr. Jochen Malinowski ist bei Accenture Geschäftsführer für den Bereich New IT und Experte für die Planung und Implementierung komplexer technischer Architekturen und Anwendungen. Sören Linau führt das AI Studio Team bei der Lufthansa AG und berät die Fachbereiche des Unternehmens in Sachen KI. |