Digitalisierung verändert die Berufswelt

Was Mitarbeiter in der digitalen Welt können müssen

01.03.2018 von Roman Götter
Die Digitalisierung verändert die Berufswelt wie derzeit keine andere Entwicklung. Bei allen Unsicherheiten über kurz oder lang von intelligenten Computern und selbstlernenden Robotern ersetzt zu werden, gibt es zahlreiche positive Entwicklungen, die die Rolle jedes einzelnen Mitarbeiters stärken.
Die Digitalisierung lässt sich nicht aufhalten. Deshalb ist es das beste Erfolgsrezept, sich anzupassen, sie zu gestalten und sie sich zunutze zu machen
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Die wichtigste Erkenntnis in Bezug auf die Mitarbeiter der digitalen Arbeitswelt ist: Die Halbwertszeit ihres Wissens und ihrer Kompetenzen verkürzt sich durch die Digitalisierung dramatisch. Unternehmen sind dazu gezwungen, sich mit rasantem Tempo zu wandeln, neue Geschäftsmodelle, Strukturen, Prozesse und Arbeitskulturen zu erfinden und umzusetzen.

Vor rund zehn Jahren war es etwa mit der Präsentation des ersten iPhones kaum möglich, die digitale Revolution der mobilen Internet-Nutzung abzuschätzen. Daher sind Zukunftsprognosen über einen längeren Zeitraum im Zeitalter der Digitalisierung kaum mehr möglich. Unternehmen, die vor zwölf Jahren Marktführer im Mobilfunkbereich waren, gibt es zum Teil nicht mehr. In fast allen Industrien haben sich Innovationszyklen drastisch verkürzt. Es ist ein Machtkampf entbrannt, in dem die Digitalisierung eine zentrale Rolle spielt.

Da jedoch auch Unternehmen, die sich scheinbar gegen die Digitalisierung wehren, diese weder aufhalten noch umkehren können, ist das beste Erfolgsrezept, sich anzupassen, sie zu gestalten und sie sich zunutze zu machen. Dabei müssen sie ihre Mitarbeiter mitnehmen - denn die sind es, die den digitalen Wandel leben. Die Kernfragen, die sich Unternehmen stellen, sind daher: Wie müssen wir uns aufstellen, damit uns diese Adaption leichtfällt, damit wir die Herausforderungen in Chancen ummünzen können? Welche Eigenschaften prädestinieren unsere Mitarbeiter dazu, die digitale Transformation voranzutreiben und umzusetzen? Welche Skills gilt es aufzubauen und zu fördern?

Eine entscheidende Grundlage ist, die positiven Seiten - die neuen Chancen und Möglichkeiten - für die Belegschaft in den Vordergrund zu rücken. So hat sich beispielsweise das Akronym der VUCA-Epoche zur Beschreibung der negativen Begleiterscheinungen einer sich rasch verändernden Welt für die Belegschaft als Unberechenbarkeit (volatility), Unsicherheit (uncertainty), Komplexität (complexity), Vieldeutigkeit (ambiguity) etabliert. Es lässt sich aber auch positiv als Vision (vision), Verständnis (understanding), Klarheit (clarity) und Agilität (agility) deuten. Daraus lassen sich die folgenden sieben nützlichen Skills ableiten, die den Mitarbeiter 4.0 auszeichnen:

1. Coach statt Boss

Insbesondere Führungskräfte stellt die digitale Transformation vor neue Herausforderungen. Was jetzt gefordert ist, sind kooperative Prozesse statt des altbekannten Top-down-Prinzips. Es gilt, Mitarbeiter zu finden, die selbständig mit der Digitalisierung umgehen, sie zu motivieren, ihnen Freiraum zu geben, um Ideen formulieren und ausprobieren zu können.

2. Kooperation statt Hierarchie

Dadurch entsteht automatisch eine neue Art der Kooperation, die nicht mehr streng hierarchisch funktioniert, sondern Strukturen schafft, die offen und anpassungsfähig sind und Neues ermöglichen.

3. Verantwortung auf breite Schultern verteilen

Diese als Leadership 4.0 bezeichnete Führungsphilosophie führt unweigerlich zu neuen Strukturen: Die Verantwortung, die einst einzig und allein bei den klassischen Leitungspersönlichkeiten lag, wird in die Unternehmen getragen. Die Digitalisierung mitzudenken und mitzutreiben wird jetzt auf die Schultern aller verteilt. Die vom Management entwickelte digitale Vision oder Agenda wird als individueller Veränderungsprozess von allen Mitarbeitern gelebt. Sie sind es, die neue Geschäftsmodelle entwickeln und Mehrwerte für das Unternehmen generieren.

4. Transparente Kommunikation

Diese neue Organisationskultur verändert die Kommunikation in alle Richtungen - von der Basis an die Spitze und umgekehrt und vom Unternehmen zum Kunden und zurück. Sie stellt in erster Linie den individuellen Nutzen der Digitalisierung in den Vordergrund.

5. Nutzenorientierte Technologieeinführung

Häufig sind es gerade neue digitale Technologien, die für Skepsis oder gar eine Abwehrhaltung in der Belegschaft sorgen. Dabei hat jede Technologie ihren ganz individuellen Mehrwert für jeden einzelnen Mitarbeiter. Gelingt es den Mitarbeitern, ihren persönlichen Nutzen zu erkennen, gewinnen sie einen Blick für neue Trends und dafür, wie sie unabhängig von Features neue Services entwickeln können.

6. Eigenverantwortung gegen Verunsicherung

Die Digitalisierung setzt auf Teams, die sie gestalten. Eigenverantwortung und Motivation tragen den zunehmend werteorientierten jüngeren Menschen auf dem Arbeitsmarkt Rechnung, die eine ausgewogene Work-Life-Balance oft einem höheren Gehalt vorziehen. Offenheit und Eigenmotivation holen aus jedem Mitarbeiter das Beste heraus.

7. Agilität auch dort, wo sie kaum zu vermuten wäre

Das mittlerweile reichlich abgegriffene Buzzword "Agilität" hat seine Berechtigung - nun allerdings auch in Bereichen, in denen man sie kaum suchen würde. Die ursprünglich aus der Software-Entwicklung entstammende Eigenschaft wird heute von allen Branchen gefordert. Sogar Produzenten von Großindustrie-Anlagen denken in Generationen und Software-Releases und fordern diese Expertise auch von ihren Mitarbeitern.

Jeder gestaltet die Digitalisierung mit

Diesen Skills trägt das von der Fraunhofer Academy im Rahmen eines Foresight-Programms für die kommenden zehn Jahre zum Thema "Zukunft der technologieorientierten Weiterbildung" entwickelte Szenario "Connective Learning Communities" Rechnung. Im Mittelpunkt steht dabei die Eigenmotivation der Mitarbeiter, sich selbst neue Fähigkeiten anzueignen, und sich durch Neugierde und Freude an Veränderungen weltweit mit Menschen zu vernetzen und Wissen auszutauschen.

Um diese Art des Lernens zu etablieren, sind neue Aus- und Weiterbildungskonzepte gefragt. Diese müssen flexibel auf neue Themen reagieren, modulartig aufgebaut sein und sich am praktischen Nutzen orientieren. Dabei wandelt sich die Rolle der aus- und weiterbildenden Institutionen: Seminarleiter sind heute Moderatoren, Impuls- und Inputgeber anstelle von Dozenten. Aufgabe der Unternehmen ist es, den Mitarbeitern die Freiräume zu geben, diese Skills in ihrer täglichen Arbeit umzusetzen.