Die Bilder verschwinden einfach nicht. Mehr als fünf Jahre ist es nun her, dass der damalige Motorsportboss Max Mosley bei einer privaten Sex-Party mit Prostituierten heimlich gefilmt wurde - doch Aufnahmen davon kursieren bis heute im Netz. Dagegen wehrt sich der 73-Jährige vor Gericht, er hat den Suchmaschinen-Anbieter Google verklagt. In dem Zivilprozess in Hamburg, dem Unternehmenssitz von Google Deutschland, geht es um einen Grundkonflikt der digitalen Welt: Mosley kämpft für seine Persönlichkeitsrechte im Internet, Google wittert dagegen eine neue Form der Zensur.
Das Hamburger Verfahren hat bereits vor einem knappen Jahr begonnen, an diesem Freitag (20. September) steht der zweite Termin an. Der langjährige Präsident des Weltmotorsportverbands FIA will erreichen, dass Google eine Reihe von Bildern aus dem Party-Video herausfiltert und in seinen Suchergebnissen gar nicht erst anzeigt. Der Suchmaschinenbetreiber soll die Nutzer also nicht mehr auf Seiten mit den illegal entstandenen Fotos leiten. Das inzwischen eingestellte britische Boulevardblatt "News of the World" hatte das Video 2008 bekanntgemacht.
Bisher hat Mosley verschiedene Medien und Betreiber von Websites einzeln abgemahnt, damit die Bilder gelöscht werden. In Hunderten Fällen hätten sie Betreiber angeschrieben, hatte seine Anwältin beim Auftakt des Zivilprozesses erklärt. Doch kaum sei ein Bild verschwunden, tauchten woanders wieder neue auf. Eine Sisyphusarbeit, deren Ursache nach ihrer Auffassung im Geschäftsmodell von Google begründet ist - schließlich würden Seiten angezeigt, die ein normaler Nutzer ohne die Suchmaschine niemals finden würde.
Das Internet, stimmte die Richterin ein, sei "wie eine Hydra für die Betroffenen" - eine Hydra, der immer mehr Köpfe wachsen, wenn man einen abgeschlagen hat. Nach Ansicht der Richterin sind die umstrittenen Fotos rechtswidrig, weil sie Mosley in seinen Persönlichkeitsrechten und seiner Intimsphäre verletzten.
Doch inwieweit muss ein Suchmaschinenbetreiber die Inhalte, auf die er verweist, auch prüfen - und möglicherweise sperren? Im Mittelpunkt des Hamburger Zivilprozesses steht daher die Frage, wie umfangreich die Prüfpflichten sind, die Google zugemutet werden können. Bereits jetzt filtert der Internetkonzern Kinderpornografie aus seinen Suchergebnissen heraus. Aber muss er auch ein Filterprogramm einsetzen, damit die von Mosley beanstandeten Bilder nicht in den Suchlisten angezeigt werden?
Google hält den Einsatz einer Filtersoftware für Zensur und sieht drastische Folgen: Mosley wolle den Konzern dazu verpflichten, das gesamte Internet für alle Zeit zu durchforsten, um Bilder zu sperren, hatte der Anwalt von Google vor Gericht argumentiert. Der Suchmaschinenbetreiber fürchtet zudem eine Signalwirkung: Auch weitere Privatleute könnten dann künftig verlangen, Unliebsames herauszufiltern. Google sieht sich aber nicht als Kontrolleur des Netzes.
Mosleys Anliegen ist kein Einzelfall: Auch Bettina Wulff, Noch-Ehefrau des Ex-Bundespräsidenten Christian Wulff, klagt vor der Hamburger Pressekammer gegen Google - und zwar gegen die Kombination ihres Namens mit Begriffen aus dem Rotlichtmilieu. In ihrem Verfahren, das Ende November starten soll, geht es um die Technologie, mit der Suchbegriffe beim Tippen automatisch vervollständigt werden. Der Bundesgerichtshof hatte unlängst entschieden, dass Google automatisch ergänzte Suchvorschläge löschen muss, wenn sie direkt Persönlichkeitsrechte von Nutzern verletzen.
Ob das Landgericht im Fall Mosley am Freitag bereits eine Entscheidung verkündet, ist offen. In der Regel setzt die Pressekammer allerdings einen separaten Verkündungstermin an. Der 73-Jährige hat bereits angekündigt, er richte sich auf einen langen Kampf ein - und werde notfalls vor das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen.
Mit einer Strafanzeige gegen Google Deutschland ist Mosley dagegen bereits gescheitert. Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen eingestellt, wie Sprecherin Nana Frombach sagt. Und Mosleys Strafanzeige gegen den Mutterkonzern Google mit Sitz in Kalifornien will die Behörde an die USA abgeben. (dpa/rs)