Spielen und Lernen gleichzeitig? In einer zunehmend digitalen Welt verschmelzen nicht nur bisher getrennte Lebensbereiche, auch Spaß und Arbeit fließen ineinander. Durch solche Annäherungen lassen sich ganz neuartige Potenziale generieren.
"Spielerisches Lernen" ist ein Trend, der in Form von so genannten "Serious Games" immer wichtiger für die Aus- und Weiterbildung wird. Zudem hilft es dabei, sich in digital vernetzten Arbeits-Lebens-Welt besser zurechtzufinden.
Serious Games - Definition
Die Idee hinter Serious Games lautet: Videospiele mit Wissenszuwachs. Serious Games sind wissensbasierte Computerspiele, die Expertise und Können auf unterhaltsame Weise durch Spielen vermitteln. Im Kern sind sie vergleichbar mit herkömmlichen Videospielen. Allerdings sollen sie nicht nur unterhalten, sondern durch Spaß nachhaltig Know-how und Fähigkeiten vermitteln.
Das dahinter liegende Konzept ist an sich nicht neu. Der amerikanischen Wissenschaftler Clark C. Abt stellte es 1970 in seinem Buch mit dem gleichnamigen Titel vor. Zudem ist es Teil des schon länger diskutierten Themenfeld des "Digital Game-based Learning". Ähnlich wie bei "Computer-based-Training", "Web-based Training" oder auch "virtuellen Lernwelten" geht es jeweils um die zielorientierte Verknüpfung zwischen Lernen und Unterhaltung.
Neu ist jetzt, dass durch zunehmende technologische Möglichkeiten immer mehr Einsatz- und Umsetzungsmöglichkeiten erkennbar sind. So gibt es mittlerweile zahlreiche Anwendungen in ganz unterschiedlichen Bereichen wie Bildung, Gesundheit, Wissenschaft, Militär oder Politik, die sich je nach Zielgruppe und Altersklasse unterschiedlich gestalten und anpassen lassen. Das inhaltliche Spektrum ist groß und wird sich sicherlich sukzessive auf weitere Bereiche ausdehnen.
Aufbau und Bestandteile von Serious Games
Unabhängig davon, wo und zu welchem Zweck die Spiele eingesetzt werden, lassen sich fünf typische Charakteristika erkennen, die der Struktur von Serious Games in der Regel zugrunde liegen.
Lernen als Ziel - Anders als bei klassischen Videospielen geht es bei Serious Games vor allem um das Lernen. Daher muss festgelegt werden, welche Fähigkeiten und welches Wissen vermittelt werden sollen. Auch die damit verfolgten Lernziele gilt es zu definieren. Daraus ergeben sich die im Folgenden beschriebenen Elemente.
Erzählen als Basis - Den meisten Serious Games liegt eine Geschichte oder eine Erzählung zugrunde. Dabei kann es sich - ganz klassisch - um einen Prinzen handeln, der eine Prinzessin rettet oder um einen Soldaten, der einen Feind besiegen möchte. Denkbar ist auch die Krankenschwester, die ihren Patienten hilft oder die Studentin, die ihren Professor aus der Gefangenschaft befreit. Welche Geschichte erzählt wird, hängt letztlich von der Zielgruppe, dem Lernziel und dem Kontext ab. Je stärker die Erzählfaden und Charaktere zugeordnet sind und je spielerischer die lehrreichen Inhalte technisch durch Animationen oder 3D umgesetzt werden können, desto eher lassen sich potenzielle Spieler motivieren.
Gamification als Motivation - Typische Dynamiken des Spielens wie Rankings, Bonusmechaniken oder Punktesysteme unterstützen dabei, die Spieler zu motivieren. Sie spornen an, weiter zu spielen oder in die nächste Spielrunde aufzusteigen. Rankings nehmen dabei eine wichtige Rolle ein, denn ein gesunder Wettbewerb motiviert dazu, sich anzustrengen und zu versuchen, besser zu sein als die Mitspieler. Eine spannende Geschichte gepaart mit Gamification-Elementen sorgt für die motivierte Auseinandersetzung mit den zu Lerninhalten, die vermittelt werden sollen.
Sofortiges Feedback als Basis für Lernen - Erfolgreiches Lernen erfordert jedoch mehr als Motivation. Schnelles und möglichst individualisiertes Feedback ist eine Schlüsselkomponente. Serious Games schaffen das sehr viel besser als klassische Unterrichtssituationen. Spieler interagieren direkt mit dem Spiel und erhalten sofortige, individualisierte Rückmeldungen oder auch Verbesserungsvorschläge. Je detaillierter sie sind und je mehr die Nutzer motiviert werden, sie direkt umzusetzen, desto wirksamer ist der Effekt.
Simulation um Transfer - Häufig ahmen Serious Games Situationen aus dem realen Leben nach. Dadurch lernen die Spieler mit Hilfe fiktiver Spielfiguren, die verschiedene Charaktere wiederspiegeln, Umwelten kennen, die durchaus ähnlich zur gelebten Realität sein können. Anhand derartiger Simulationen können Spieler trainieren, ohne dass reale Sach- oder Personenschäden entstehen. Dies erleichtert es wiederum das Gelernte in den realen Kontext zu übertragen.
Darin liegt im Übrigen der wesentliche Unterschied zu klassischen Unternehmensplanspielen, denen ebenfalls die Idee des spielerischen Lernens zugrunde liegt. Im Unterschied zu Serious Games ist es das Ziel von Unternehmensplanspielen, theoretisches Wissen in einer praxisnahen, simulierten Situation anzuwenden. Die Teilnehmer nehmen die Rolle des Managements ein und treffen in risikofreier Umgebung gesamtunternehmerische Entscheidungen. Dabei steht weniger das Spielen an sich im Vordergrund als vielmehr das verhalten in einem komplexen Kontext sowie die Fähigkeit, theoretisches Wissen problemorientiert anzuwenden und miteinander zu verknüpfen.
Serious Games als neue Dimension des Lernens
Gelingt es, durch Serious Games Know-how und Fähigkeiten spielerisch und unterhaltend zu vermitteln, gewinnt Lernen eine neue Dimension. Sich Wissen anzueignen macht Freude, anstatt stundenlang zuzuhören oder Theorien und Konzepte ohne jegliche Interaktion aus Büchern zu lernen.
Serious Games setzten dort an, wo klassisches Lernen häufig scheitert: bei fehlender Motivation und Freude am Wissenserwerb. Insbesondere die zugrunde liegende Erzählung, die Möglichkeit, von Anfang an Entscheidungen zu treffen, die spieldynamischen Elemente wie auch das sofortige Feedback motivieren die Nutzer. Im Gegensatz zum klassischen Lernen tritt der Lernprozess in den Hintergrund. Das Spiel, die Geschichte und der Wettbewerb mit den Mitspielern treten als motivierende Elemente hervor. Je höher Engagement und Motivation in Verbindung mit Feedback und der Übertragung in den realen Kontext sind, desto höher ist die Chance, das zugrunde liegende Lernziel tatsächlich zu erreichen.
Darüber hinaus lassen sich durch Serious Games wichtige (Meta-)Kompetenzen wie Selbstreflexionsfähigkeit, Beurteilungsvermögen, Selbstorganisation oder Eigenverantwortung trainieren. Hinzu kommen gerade in Gruppen-Spiel-Situationen trainierte soziale Kompetenzen wie Kommunikation, Kooperation oder Teamfähigkeit.
Beispiele für Serious Games
Um schneller und angenehmer Vokabeln zu lernen, steuern Kinder in der App "VocabiCar" Spielzeugautos durch bunte Themenwelten wie "animals", "food" oder "numbers". Dabei sammeln sie unterschiedliche Objekte ein. In einer Highscore-Liste können sich die Schülerinnen und Schüler zusätzlich miteinander messen, was weiter motiviert.
Das Spiel "Welten der Werkstoffe" spricht gezielt Studierende für Ingenieursstudiengänge an. Die Geschichte: In einer Klausur durchgefallen wendet sich die Studentin Nicole Nickel an ihren Professor, der von einem Doppelgänger im Schrank eingesperrt wurde. Um ihn zu befreien, verfolgt sie den Doppelgänger durch zehn Paralleluniversen mit unterschiedlichen Herausforderungen. Um sie zu meistern lernt und verwendet sie spielerisch Grundlagenwissen der Werkstofftechnik. Dieses von der Technischen Hochschule Köln entwickelte Spiel hat 2021 den Computerspielpreis gewonnen.
Im früher ebenfalls ausgezeichneten Spiel "Moving Tomorrow - An Intercultural Journey" schlüpfen die Spieler in die Rolle von Lucy, die bei dem Öko-Start-up Runergy arbeitet. In ihrer Reise um die ganze Welt lernen die Spieler viel über andere Kulturen und eignen sich so interkulturelles Wissen an.
Das Spiel "FwESI Einsatztaktik für Gruppenführer" wird bereits für Trainingszwecke eingestezt. Es versetzt den Nutzer mit Hilfe von Virtual-Reality-Technik in reale Einsatzszenarien für die Feuerwehr.
Liegen bei all diesen Spielen konkrete Lernziele zugrunde, richtet sich das Spiel "Hidden Codes" generell an Jugendliche. Über eine an Social-Media-Netzwerken angelehnte Oberfläche lernen sie die Mechanismen und Risiken sozialer Medien kennen.
Diese Beispiele lassen sich um viele weitere aus den Bereichen der Bildung, Therapie oder Medizin ergänzen. Sie zeigen die Gestaltungsvielfalt und die Breite an Einsatzmöglichkeiten für ein großes Spektrum an Zielgruppen. Die Potenziale der Verschmelzung von Unterhaltung und Wissenstransfer stehen sicherlich erst am Anfang und werden insbesondere durch Künstliche Intelligenz nochmals an Bedeutung gewinnen.