Viele merken es am Kassenbon für den Wocheneinkauf. Andere beim Preis der Lieblingsmarmelade oder der Packung Nudeln. Lebensmittel werden seit Monaten auf breiter Front teurer - und zwar spürbar stärker als die allgemeine Inflation. Die Verbraucherzentralen verlangen jetzt grundlegende Aufklärung darüber. "Die Preisbildung ist maximal intransparent", sagte die Chefin des Bundesverbands, Ramona Pop, am Mittwoch in Berlin. Vergleiche für Kundinnen und Kunden müssten einfacher möglich sein. Die Bundesregierung müsse einen "Preisgipfel" einberufen und auch Entlastungen für Menschen mit weniger Geld in Angriff nehmen.
In den Verbraucherzentralen mehrten sich Beschwerden und Anfragen zu den steigenden Lebensmittelpreisen, berichtete Pop. Viele fühlten sich mit ständigen Erhöhungen im Stich gelassen. Dabei habe sich die Entwicklung von der allgemeinen Inflation und auch den Energiepreisen entkoppelt. Tatsächlich sind Nahrungsmittel nach wie vor ein Treiber der Inflation, auch wenn diese sich zuletzt auf den niedrigsten Stand seit 18 Monaten abschwächte. Insgesamt lagen die Verbraucherpreise im September um 4,5 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Allerdings legten die Nahrungsmittelpreise weiter überdurchschnittlich um 7,5 Prozent zu.
Verbraucherschützer sprechen von Alarmsignal
Deutlich teurer wurden demnach zuletzt besonders Zucker, Marmelade, Honig und andere Süßwaren mit einem Plus vom 15,3 Prozent. Brot und Getreideerzeugnisse verteuerten sich um 12,0 Prozent. "Es wird Zeit, dass die Bundesregierung den steigenden Lebensmittelpreisen Einhalt gebietet und Lösungen auf die Tagesordnung setzt", sagte Pop. Es sei ein Alarmsignal, wenn teils bei Lebensmitteln gespart werde. Gesunde und ausgewogene Ernährung dürfe keine Frage des Geldbeutels sein.
Konkret fordern die Verbraucherzentralen, dass Supermärkte die Preise ihrer Produkte verpflichtend online veröffentlichen - und nicht nur einzelne Preise etwa in Prospekten mit Sonderangeboten. Die Preise seien ja ohnehin elektronisch verfügbar. Die Bundesregierung solle zudem eine Beobachtungsstelle einrichten, die Preise in der Kette von der Produktion über Transport und Verarbeitung bis zum Handel genauer untersucht. "Irgendwo muss der Kostentreiber stecken", sagte Pop.
Um versteckte Preiserhöhungen zu verhindern, sollten Hersteller zudem mit "Warnhinweisen" kennzeichnen müssen, wenn sie die Packungsgröße oder das Gewicht in den sechs Monaten zuvor geändert haben. Solche "Mogelpackungen" gebe es etwa, wenn ein Becher Soja-Joghurt nur noch 400 statt 500 Gramm enthält, aber weiterhin 1,99 Euro kostet. Die Verbraucherschützer forderten außerdem eine jährliche staatliche Einmalzahlung etwa für Geringverdiener, Alleinerziehende und Rentner. Modell könnte die jüngste Energiepreispauschale von 300 Euro sein. Zudem solle das Bundeskartellamt nach 2014 wieder eine Untersuchung des von vier großen Ketten dominierten Einzelhandelsmarktes angehen.
Verband: Handel kann nicht alle Preissteigerungen auffangen
Der Lebensmittelhandel verweist darauf, dass Preisinformationen schon in großer Menge verfügbar seien - in den wöchentlichen Prospekten, im Internet oder mittlerweile über eine Reihe von Apps, um günstigste Angebote zu finden. Ein wichtiges Instrument der Transparenz sei auch der anzugebende Grundpreis. Gemeint ist damit neben dem Endpreis des Produkts zum Vergleichen auch der Preis für ein Kilogramm oder einen Liter, der meist aber ziemlich kleingedruckt auf den Schildern steht.
Eine der wichtigsten Kalkulationsgrößen seien die Einkaufspreise des Handels, erläuterte ein Verbandssprecher. Und da hätten sich in den vergangenen Monaten in der ganzen Lieferkette Preissteigerungen für Rohstoffe, Energie und Logistik widergespiegelt. Einen Teil könnten die Handelsunternehmen auffangen, aber eben nicht alles. Zudem hätten sie ein dichtes Filialnetz, Logistikzentren und größere Lkw-Flotten. Für Beleuchtung, Kühlsysteme und Kraftstoffe müssten auch sie mehr zahlen. Dabei gebe es weiter ein "intensives Wettbewerbsumfeld", in dem Märkte auch mit konkurrenzfähigen Preisen und Angeboten um die Gunst der Kunden werben - gerade in Zeiten gestiegener Preise.
Preistransparenz sei auch kein Selbstzweck, argumentierte der Handelsverband. Ein Preisvergleich Tausender Artikel könne viel Zeit in Anspruch nehmen. Außerdem müssten Verbraucherinnen und Verbraucher bereit sein, Einkäufe im Zweifel auf mehrere Geschäfte aufzuteilen, um die günstigsten Produkte zu kaufen. Das Sparpotenzial stehe dann oft in keinem Verhältnis zum Aufwand. Inwiefern sich die Entwicklung entspannt und der Inflations-Aufschlag bei Lebensmitteln womöglich schmilzt, muss sich zeigen. Der Trend mit 7,5 Prozent Preisauftrieb im September weist immerhin nach unten. Im August mussten Verbraucher noch 9 Prozent mehr für Nahrungsmittel zahlen als im Vorjahresmonat und im Juli 11 Prozent mehr. (dpa/ad)