Trauer lähmt. "Ich war ständig den Tränen nahe und musste oft die Tür zu meinem Büro schließen, um zu weinen", berichtet eine Studienteilnehmerin des kanadischen Grief Recovery Institute in einer Studie zum Thema Trauer am Arbeitsplatz. "Ich hatte schon Schwierigkeiten, die Minimalanforderungen zu erfüllen." Eine andere sagt, sie habe zwar in ihrem Job funktioniert - sei allerdings weit von ihrer sonstigen Leistungsfähigkeit entfernt gewesen.
Der Tod eines Menschen stellt nicht nur Angehörige und Freunde vor große Herausforderungen. Auch Manager, Betriebs- und Personalräte müssen sich mit dem Ende des Lebens - und dem richtigen Umgang mit Trauer am Arbeitsplatz - befassen.
Wer trauert, funktioniert nicht
Im Jahre 2011 starben in Deutschland 852.359 Menschen - an Alter, Krankheiten, Unfällen, durch Gewalttaten oder Suizid. Mehr als 130.000 davon starben, während sie im sogenannten berufsfähigen Alter waren. Das holt den Tod aus einem rein privaten Umfeld hinein in die Büros und Fabriken, an die Fließbänder genauso wie an die Hebebühne einer Kfz-Werkstatt.
Doch auch wenn es nicht der Kollege oder der Vorgesetzte ist, der stirbt, müssen Trauer und der richtige Umgang damit für Unternehmen ein Thema sein: Laut Statistiken sind pro Trauerfall fünf bis zehn Personen intensiv und emotional betroffen.
Wer Bruder, Schwester, Vater, Mutter, Ehepartner oder sein Kind verliert, hat in der Regel Anrecht auf zwei Tag Sonderurlaub - nach Paragraph 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches bekommt ein Arbeitnehmer bezahlten Sonderurlaub, wenn er "für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird."
Doch selbst nach zwei oder sechs Wochen kann von einem Trauernden nicht verlangt werden, wieder volle Leistung zu bringen. Und auch ein Mitarbeiter, der seinen langjährigen Kegelbruder, eine Cousine oder einen guten Freund verloren hat, bringt keine 100 Prozent Leistung - Verwandtschaftsgrad hin oder her.
Rücksichtsvoller Umgang ist entscheidend
"Während das Trauern im privaten Bereich zumindest eine Zeit lang erlaubt oder sogar gefordert ist, wird es beruflich nur sehr kurzfristig zugestanden. Selbst nach kurzer Zeit wird Trauer schnell als hinderlich oder gar störend für den betrieblichen Ablauf empfunden", heißt es in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Leidfaden" aus dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht.
Denn Trauer kostet: Eine Studie aus den USA aus dem Jahr 2002 beziffert die Kosten, die Unternehmen durch die Auswirkungen von Todesfällen auf Mitarbeiter entstehen, auf 45 Milliarden Dollar pro Jahr. Der Psychologe und Unternehmensberater Gregor Metzger geht davon aus, dass den deutschen Unternehmen rund 16.000 Euro Kosten pro trauerndem Mitarbeiter entstehen. Und das oft nur, weil der Betroffene sich lieber krank meldet, als während der Trauerphase an den Maximen "schneller, mehr, besser" zu scheitern.
"Die Art und Weise wie sich das berufliche Umfeld verhält, kann ausschlaggebend dafür sein, wie trauernde Kollegen ihren Verlust bewältigen", schreibt auch Unternehmensberater David Charles-Edwards in seiner Studie "Empowering people at work in the face of death and bereavement". Berater, Führungskräfte und Mitarbeiter von Personalabteilungen können zwar helfen, "doch die wesentlichere Unterstützung muss von den direkten Vorgesetzten, Kollegen und falls vorhanden, den Gewerkschaftsvertretern oder Betriebsräten kommen." Das bestätigt auch Metzger. Er sagt: "Trauernde Mitarbeiter sind Führungsaufgabe - und zwar in erster Linie des direkten Vorgesetzten."
Schonzeit für Betroffene einräumen
Viele Untersuchungen sind zu dem Schluss gekommen, dass neben einer menschlichen Arbeitsatmosphäre eine Schonzeit für den Betroffenen wichtig ist. Eine Zeit, in der der Trauernde eben nicht so leistungsfähig sein muss wie sonst - und sich dafür nicht zu rechtfertigen braucht. Deshalb macht es in manchen Fällen sogar Sinn, externe Trauerberater hinzuzuholen. Verschiedene Bestattungsinstitute und Unternehmensberatungen bieten ihre Hilfe an, wenn Unternehmer selbst nicht die richtigen Worte und Lösungen finden. Dahinter stehe schließlich - neben aller Menschlichkeit - auch das Ziel, den Arbeitnehmer so schnell wie möglich zurück zur vollen Produktivität zu führen, gibt die Unternehmensberatung Brainactive aus Taufkirchen bei München Managern zu denken.
Berater Charles-Edwards warnt allerdings davor, den Umgang mit dem Thema Tod ganz in die Hände von Externen zu legen. Sonst bekämen Vorgesetzte und Kollegen das Gefühl, dass sie ihr Team nicht verständnisvoll unterstützen können. "Oder es kann sie darin bestärken, das Thema einfach zu ignorieren", sagt er.
Business as usual oder Totalausfall
"Manchmal ist es nicht schlecht, einen Externen hinzuzuholen, der wegen seines Abstandes vielleicht besser entscheiden kann, welche Lösung für das Unternehmen und zu dessen Kultur passt", entgegnet Psychologe Metzger. Das sei aber abhängig vom Unternehmen.
Die ersten Fragen, die sich ein Chef in einem solchen Fall generell stellen muss sind:
Wie gehe ich angemessen mit der Situation um?
Wie kommuniziere ich den Todesfall und wem gegenüber?
Was ist als nächstes zu tun?
Denn so unangenehm es sein mag, gerade die Führungsetage muss sich in einer solchen Situation mit den Bedürfnissen des Mitarbeiters auseinandersetzen und für beide Seiten eine zufriedenstellende Lösung finden. "Wenn ein Mensch trauert, sind drei Gruppen im beruflichen Umfeld involviert: Die Kollegen, der direkte Vorgesetzte und die Unternehmensleitung" sagt Metzger. Stirbt ein enger Familienangehöriger eines Mitarbeiters - der Partner oder ein Kind - sollten alle drei Gruppen dem Betroffenen ihre Anteilnahme zeigen, die direkte Führungskraft sollte Unterstützung anbieten. Trauert ein Mitarbeiter um einen Freund oder einen entfernten Verwandten, sollten zumindest die Kollegen ihre Anteilnahme ausdrücken.
Leider reagieren viele Unternehmen und Führungskräfte auf trauernde Angestellte mit einem "business as usual", wie Metzger erzählt. "Geht das nicht wird eine Krankschreibung des Mitarbeiters befürwortet." Dabei gebe es zwischen diesen beiden Extremen eine Vielzahl anderer Möglichkeiten, die eine bessere Lösung darstellen können, wie beispielsweise reduzierte Arbeitszeiten oder weniger Verantwortung - wenn der Trauernde signalisiert, dass er mit den üblichen Arbeitsanforderungen überfordert ist.
"Eine längerfristige Krankschreibung ist sehr oft gar nicht sinnvoll beziehungsweise kann soar die Situation verschärfen, da Arbeit den Tag strukturiert und Halt gibt", ist sich Metzger sicher. So kann es helfen, dem Betroffenen zunächst Projekte oder Aufträge zu geben, die weniger eilig, weniger schwierig zu betreuen sind. Aber auch das funktioniert nicht überall und nicht immer. Handelt es sich um den einzigen Außendienstler einer kleinen Firma, muss für die Zeit der schlimmsten Trauer eine Vertretung her. Es sei denn, der Mitarbeiter möchte weitermachen wie bisher.
Kleine Gesten sind entscheidend
Metzger beobachtet bei seiner Arbeit mit trauernden Menschen und als Begleiter für Unternehmen in Trauerfällen, dass sich gerade Führungskräfte in solchen Situationen in Arbeit stürzen. "Das kann aber auch nach hinten losgehen", sagt er. Dadurch könne eine Überforderung entstehen: Der trauernde Mensch deckt sich mit Arbeit ein, um seine Gefühle zu betäuben - und kann die Aufgaben dann gar nicht mehr bewältigen. "Es braucht schon ein gerütteltes Maß an Mehrarbeit, um nichts mehr zu spüren - ein Maß, das selbst unter normalen Bedingungen zu einer Erschöpfung führen kann", so Metzger.
Fingerspitzengefühl gefragt
Was aber passiert, wenn plötzlich ein Mitarbeiter verstirbt? Dann wird der Tod sehr schnell persönlich. Führungskräfte und Kollegen sind oft die ersten Ansprechpartner, doch sind sie mit der Rolle des Helfenden oft überfordert. Eventuell ist sogar der unmittelbare Kollege selbst von der Trauer belastet. Gerade Führungskräfte stehen hier vor folgenden Fragen:
Wie sehen aktuelle Lösungen für Trauerfälle im Unternehmen aus?
Wie soll der Trauerfall den Mitarbeitern mitgeteilt werden?
Sollte ein Vertreter des Unternehmens zur Beerdigung oder zur Trauerfeier erscheinen?
Wann darf die Stelle des Verstorbenen neu ausgeschrieben werden?
Welche Hilfe brauchen die Kollegen und Angestellten des Verstorbenen?
Wichtig ist vor allem Fingerspitzengefühl: "Bei mancher Führungskraft wird nach dem Tod vom Unternehmen eine großangelegte Zeremonie veranstaltet und beim nächsten Mitarbeiter sehen die Kollegen bloß leere Umzugskartons. Diese ungleiche Behandlung wird von Mitarbeitern als Wertung verstanden und manch einer fragt sich dann: Das ist es, was von mir bleibt? Leere Umzugskartons?", erzählt Metzger.
So weiß er von einem Unternehmen zu berichten, in dem ein Mitarbeiter verstorben ist, dessen Büro nach seinem Tod monatelang leer stand, darin - für alle sichtbar - ein Stapel Umzugskartons. Metzger empfiehlt, in einem solchen Fall ein Kondolenzbuch oder ein Foto des Verstorbenen in dem vakanten Büro aufzustellen. "Kleine Gesten sind entscheidend. Weniger ist oft mehr", sagt er.
Besuch der Trauerfeier gehört zum guten Ton
Dafür, wie lange die durch den Tod eines Kollegen freigewordene Stelle unbesetzt bleiben sollte, gibt es keine feste Regel. Wichtiger ist es, wie mit der Neubesetzung umgegangen wird. "Mitarbeiter verstehen, dass gerade Führungspositionen nicht ewig vakant bleiben können", sagt Metzger.
Es könne jedoch Schwierigkeiten geben, wenn ein Externer die Stelle übernehme, der kein Gefühl für die besondere Situation hat. "Genauso schwierig ist es, wenn ein Interner die Stelle quasi nur wegen des Todes seines Vorgängers bekommt und weder Externer noch Interner die Möglichkeit bekommen hat, den Verlust des Vorgängers zusammen mit den Kollegen aufzuarbeiten", sagt Metzger.
Persönlich kondolieren ist wichtig
Anders als bei einem Trauerfall aus dem privaten Umfeld eines Mitarbeiters sollte ein Vertreter des Unternehmens zur Trauerfeier gehen, wenn ein Kollege stirbt. "Das gehört zum guten Ton", sagt Metzger. Sollte die Familie des Verstorbenen das nicht wünschen, sollte das Unternehmen wenigstens durch ein angemessenes Kondolenzschreiben und eine Grabbeigabe Präsenz zeigen", betont Metzger.
Wenn das Unternehmen aus einem anderen Grund keinen Vertreter zur Trauerfeier schicken kann, sollte in der Kondolenz "schon nachvollziehbar gemacht werden, wieso keine persönliche Präsenz möglich ist", so Metzger.
So könnte ein Brief an einen Kunden oder Geschäftspartner beispielsweise aussehen:
Sehr geehrter Herr Medenbach, mit großem Bedauern haben wir die Nachricht vom Tode Ihres langjährigen Mitinhabers und Gesellschafters, Herrn Dr. Konrad Walther, entgegen genommen. Mit tiefem Respekt |
Wer sich schwer damit tut, die richtigen Worte zu finden, dem helfen Bestattungsinstitute wie das Großhamburger Bestattungsinstitut weiter. Auf der Webseite des Unternehmens sind unter anderem zahlreiche Beispielschreiben zu finden. (Wirtschaftswoche)