Arbeitgeber-Check

Was über Arbeitgeber im Netz steht

09.08.2011 von Constantin Gillies
Bewerber können über ihren künftigen Arbeitgeber im Web wesentlich mehr erfahren, als diesem manchmal lieb sein kann.

Auf der Homepage des Softwarehauses klingt der Job noch ganz toll: "Wir bieten Ihnen einen modernen Arbeitsplatz in einem dynamischen Umfeld. Sie erwartet eine vielseitige Tätigkeit und leistungsorientierte Vergütung." Doch ein paar Klicks reichen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen: "Gespräche zwischen Geschäftsführer und Angestellten finden höchstens aus Versehen statt", ist über die Firma zum Beispiel auf Kununu zu lesen. Auf dieser Plattform können Angestellte ihren Arbeitgeber bewerten, und für besagte Softwareschmiede fällt das Urteil mies aus.

Mehrere Angestellte beklagen unbezahlte Überstunden, und auch das Umfeld scheint weniger dynamisch zu sein als behauptet. Fazit eines Angestellten über seinen Brötchengeber: "Für den Karriere-Abend nett, für Menschen mit Visionen das Falsche"

Constanze Buchheim: "Der potentielle Arbeitgeber hat nur drei Sterne auf Kununu? Da bewirbt man sich lieber woanders."
Foto: Constanze Buchheim, i-potentials

Willkommen in der Arä des gläsernen Arbeitgebers. Dank Web 2.0 können Jobsucher heute das Innenleben einer Firma ausgiebig studieren, bevor sie sich dort bewerben. Bewertungsplattformen und soziale Netze schaffen Transparenz, und genau das erwarten die Bewerber mittlerweile. "Die verbreitete Einstellung ist: Ich will alle Informationen, und zwar sofort", beobachtet Constanze Buchheim, Gründerin der Berliner Personalagentur i-potentials.

Sie hilft jungen Internet-Firmen dabei, offene Stellen zu besetzen, und spürt schon, wie sich auf dem Arbeitsmarkt der Wind dreht. "Kandidaten sind zunehmend in der Situation, sich den Arbeitgeber aussuchen zu können", beobachtet Buchheim. Und wer am längeren Hebel sitzt, kann es sich leisten, wählerisch zu sein. Der Arbeitgeber hat nur drei Sterne auf Kununu? Dann bewirbt man sich lieber woanders.

Viele Unternehmen versuchen immer noch zu ignorieren, dass sie im Netz längst nackt dastehen. Zu den wenigen Unternehmen, die offensiv mit Online-Bewertungen umgehen, gehört Dataport aus Altenholz. Die Firma versorgt die öffentlichen Verwaltungen in fünf norddeutschen Bundesländern mit IT-Dienstleistungen und wirbt seit Kurzem sogar - kostenpflichtig - auf der Startseite von Kununu. "Wir wollen da hingehen, wo die jungen Leute sind", erklärt Ursula Kern, Leiterin der Personalabteilung.

Ganz ohne Risiko ist es für die Betriebe natürlich nicht, die Bewertungsplattformen zu umarmen, schließlich singen die Nutzer hier nicht nur Lobeshymnen. Wer zum Beispiel bei Kununu auf das Profil von Dataport klickt, landet schnell auf Beiträgen, in denen bemängelt wird, dass es in dem Betrieb "behördenartig" zugehe.

Personalchefin Kern kommt damit zurecht: "Wir waren ja bis vor wenigen Jahren auch eine Behörde." Es sei klar, dass da einige Strukturen zurückblieben, so die Personalchefin. Insgesamt glaubt Kern, dass sich das Engagement auf Kununu lohnt: "Immer mehr Kandidaten sagen im Bewerbungsgespräch, dass sie uns da entdeckt haben."

Kununu bei Unternehmen unbeliebt

So gut kommen nicht alle Unternehmen mit der Schonungslosigkeit im Netz zurecht: Bei Kununu melden sich jeden Tag zwei bis drei Firmen, die eine Bewertung löschen lassen wollen, berichtet Tamara Frast, Sprecherin der Plattform. Die Erfolgsaussichten der Kritikopfer sind schlecht: "Wir verweisen dann auf die Möglichkeit, Feedback zu hinterlassen oder einen internen Bewertungsaufruf zu starten", so Frast.

Lediglich Beiträge, in denen wüste Schimpfwörter fallen oder Vorgesetzte namentlich genannt werden, entfernt Kununu aus dem Netz, der Rest bleibt online. Gegen Bewertungen juristisches Geschütz aufzufahren gibt für die Firmen in der Regel ebenfalls keinen Sinn, schließlich gilt auch im Internet das Recht auf freie Meinungsäußerung, und Plattformen wie Kununu haben wasserdichte Geschäftsbedingungen.

Arbeitgeber
Wer sind die beliebtesten 30 IT-Arbeitgeber 2011?
Fast 7000 Informatikstudenten haben im "Trendence Graduate Barometer German IT " ihre Stimme abgegeben. Auf Platz 30 ist Accenture gelandet und damit die am besten platzierte IT-Beratung in dem Ranking, das insgesamt über 100 Plätze umfasst. Sehen Sie nun die Top 30 der IT-Arbeitgeber!
Auf Platz 29 folgt das ....
Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, kurz DLR.
Den Reiz der Forschung....
übt auch das deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz auf Nachwuchsinformatiker auf. In diesem Jahr schaffte es die renommierte Einrichtung mit mehreren Standorten in Deutschland auf Platz 28.
Nvidia, mit Hauptsitz im kalifornischen Santa Clara,...
.. ist einer der größten Entwickler von Grafikprozessoren und Chipsätzen für Computer und Spielkonsolen. Auf Platz 27 der beliebtesten Arbeitgeber.
Jeder schaut Fernsehen...
...warum sollte dann ein Fernsehsender wie ProSiebenSat1 nicht ein attraktiver Arbeitgeber sein. Die private Sendergruppe hat es auf Rang 26 geschafft.
Oracle.....
...ist einer von vielen amerikanischen IT-herstellern, die beim deutschen Informatiknachwuchs hoch im Kurs stehen. Platz 24.
Abenteuer Forschung...
Auch die Max-Planck-Gesellschaft ist für den IT-nachwuchs eine wichtige Adresse, wenn es um den Berufsstart geht. Platz 24.
Die Lufthansa Systems...
hat im Vergleich zum Vorjahr vier Plätze verloren und findet sich nunmehr auf Rang 23 des Trendence-Rankings wieder.
EADS auf Platz 22...
...gehört auch für Informatiker schon seit Jahren zu den 30 beliebtesten Arbeitgebern.
Bosch ist....
...nicht nur für Ingenieure ein attraktiver Arbeitgeber, sondern auch für informatiker. Platz 20.
Harald Esch, Deutschland-Chef von Adobe,....
...kann sich nicht so recht freuen. Sein Unternehmen fiel in der Gunst der deutschen informatikstudenten: Von Platz 14 auf Platz 20.
Volkswagen....
...ist Deutschlands größter Automobilhersteller und landet beim IT-Nachwuchs auf Platz 18. Sieben Plätze besser als noch 2010.
Intel....
...ist weltweit der größte Prozessorhersteller. In diesem Jahr auf Platz 18.
Die Deutsche Telekom....
...sponsort nicht nur den FC Bayern, sondern investiert auch viel in das Recruiting. Das wird vom IT-Nachwuchs honoriert. Ein steiler Aufstieg von Platz 29 im Vorjahr auf Platz 17 in 2011.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik....
...kurz BSI ist für Informatikstudenten eine feste Größe, seit Jahren unter den Top 20, in diesem Jahr auf Platz 16.
Die Welt der Computerspiele.....
scheint den Nachwuchs magisch anzuziehen. Elektronic Arts (Platz 15) ist einer von drei Spieleherstellern unter den Top 30.
Gutes Produkt = guter Arbeitgeber
Diese Rechnung geht auch für Daimler auf. Die Informatikabsolventen wählten den schwäbischen Autokonzern auf Platz 14.
Amazon...
..ist das größtes Online-Kaufhaus und stieg in diesem Jahr neu auf Platz 13 ein.
Spielehersteller Crytek...
...ist in diesem Jahr der steilste Aufsteiger: von Platz 24 auf 11. Personalfrau Andrea Hartenfellner macht dafür die Veröffentlichung des Titels "Crysis 2" und das spannende, international geprägte Arbeitsumfeld verantwortlich.
Der Reiz des Geheimen....
zieht Informatiker zum BND. Der Bundesnachrichtendienst ist die Behörde, die mit Abstand am besten im Ranking platziert ist. Der BND ist auch auf diversen Recruitingveranstaltungen präsent.
Schnelle Autos....
machen nicht nur Männer sexy, sondern auch Arbeitgeber. Porsche schaffte in diesem Jahr den Sprung unter die Top Ten.
Auf Platz 9 folgt mit BMW...
ein weiterer Automobilkonzern, der auch 2010 schon unter den Top Ten war.
Audi....
...ist für Wirtschaftswissenschaftler und Ingenieure der Traumarbeitgeber, aber auch bei Informatikern können die Ingolstädter punkten. Platz acht und in diesem Jahr erstmals einen Platz vor BMW.
Siemens-Chef Peter Löscher....
...kann mit dem siebten Platz seines Konzerns eigentlich nicht zufrieden sein. Noch vor zehn Jahren führte Siemens das Ranking an. Für Informatiker ergeben sich hier aber auch deutlich weniger Chancen, nachdem die TK- und IT-Sparten ausgelagert beziehungsweise geschlossen werden.
Die Fraunhofer Gesellschaft....
mit ihren vielen Forschungseinrichtungen war für Informatikstudenten schon immer ein attraktiver Arbeitgeber, in diesem Jahr auf Platz 6 des Trendence-Rankings.
Microsoft...
..auf Platz vier in diesem Jahr wurde schon mehrfach als guter Arbeitgeber ausgezeichnet. Für junge Leute hat der Softwarehersteller auch ein gut dotiertes Traineeprogramm im Angebot.
SAP ist immer noch....
der größte deutsche Softwarehersteller. Für den IT-Nachwuchs war er früher der Traumarbeitgeber, mittlerweile ist er auf dem dritten Platz gelandet.
IBM...
hat nicht nur den Supperrechner Watson entwickelt, sondern ist auch für Informatiker eine feste Größe und behauptet sich seit Jahren auf Platz 2.
And the winner is...
im vierten Jahr in Folge Google. Für fast jeden vierten Informatikstudenten ist der Internet-Konzern der Traumarbeitgeber.

Schlechte Chancen vor Gericht

Interessantes Detail: Landet die Sache vor Gericht, kann es vor allem für den Mitarbeiter riskant werden, der online Dampf abgelassen hat. Ein Beispiel: Ein Angestellter schreibt im Netz, sein ehemaliger Chef habe Frauen diskriminiert. Die Kritik ist anonym, doch der Betrieb hat nur zehn Angestellte, so dass sofort für jedermann ersichtlich ist, um welche Person es sich dreht. Kommt es dann zum Prozess, muss der Mitarbeiter die Gerichtskosten tragen. Warum? Weil in den AGB der Bewertungsplattformen meist eine so genannte Freistellungsklausel steht. Und die besagt: Werden wir verklagt, zahlt der Nutzer, der den Ärger verursacht hat, die Zeche. Vorgekommen ist das bislang allerdings noch nicht.

Für den Jobsucher 2.0 sind die Bewertungsplattformen natürlich nur eine erste Station bei der Arbeitgeber-Recherche. Auch über soziale Netzwerke lassen sich schnell Ehemalige finden, die bereit sind, Tacheles zu reden. Im äußersten Fall kann der Bewerber eine Undercover-Attacke starten und unter falschem Namen bloggende Mitarbeiter aushorchen. Darüber hinaus kann es sich für Jobsucher lohnen, die Kommentare auf den offiziellen Facebook-Seiten der Firmen zu beobachten. Hier offenbart sich ebenfalls schnell, wie es um das Unternehmen steht. Wer Beweise sucht, braucht sich nur die Facebook-Page des Unternehmens Teldafax anzusehen: Dort wimmelt es nur so von aufgebrachten Kunden.

Hochglanzbroschüren ohne Zukunft

Die Zeiten, in denen Unternehmen mit Hochglanzbroschüren ein Image erzeugen konnten, gehen zu Ende. Stattdessen stehen manche Chefs inzwischen ziemlich nackt da.
Foto: Fotolia, Liv Friis-Larsen

Wohin diese Entwicklung führt, ist absehbar: Die Zeiten, in denen ein Unternehmen mit Hochglanzbroschüren ein Image erzeugen konnte, gehen zu Ende. Die Wände eines Betriebs sind in Zukunft durchlässig. "Dass Unternehmen nur über die Personal- und Presseabteilung mit der Welt kommunizieren ist ein Auslaufmodell", meint Wolfgang Jäger, Professor an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden und HR-Experte. Er erwartet, dass sich Online-Netzwerke wie Facebook immer tiefer in die Firmen eingraben und dadurch neue Informationskanäle für Bewerber entstehen. Die Unternehmen sollten sich an die neue Offenheit gewöhnen.

In Zukunft wird im Netz über jeden Arbeitgeber gesprochen, das wird kein Unternehmen verhindern können. Die Klugen werden versuchen mitzureden. "Man muss die Info-Zurückhaltung beenden", findet auch Personalexpertin Buchheim. Sie kann sich vorstellen, dass künftig unter einer Stellenanzeige die Twitter-Namen einiger Mitarbeiter stehen, die in der jeweiligen Abteilung arbeiten. Zu ihnen könnte der Jobsucher Kontakt aufnehmen, um so Antwort auf die alte Bewerberfrage zu bekommen: "Wie ist es, da zu arbeiten?"

Den Chef durchleuchten

"Wie ist es, da zu arbeiten?" Wer früher darauf eine Antwort suchte, musste im Bekanntenkreis einen Ehemaligen der Firma finden. Im Zeitalter sozialer Netzwerke geht es viel leichter, ungeschminkte Einblicke in ein Unternehmen zu bekommen. Die Methoden sind vielfältig:

Dreiste Lügen im Vorstellungsgespräch
Sie müssen nicht umziehen!
Das versprach ein IT-Beratungshaus den neuen Mitarbeitern. Schließlich würden Hotel- und Reisekosten von den Projekten getragen. Schnell stellte sich heraus, dass das nicht für Projekte am Stammsitz des Unternehmens galt, so dass die angeworbenen Berater doch die Kisten packen mussten.
Leere Schreibtische ...
... können darauf hinweisen, dass Unternehmen bereits entlassen mussten. Doch bei Restrukturierungen schummeln Firmen oft: Einer Bewerberin fielen die leeren Schreibtische bei einem Rundgang durch die Büroräume auf. Sie wurde mit dem Kommentar "Die Kollegen sind in der ganzen Welt auf Projekten unterwegs" abgespeist. Am ersten Arbeitstag stellte sich heraus, dass die Mitarbeiter schon lange entlassen worden waren.
Wir legen großen Wert auf Weiterbildung
Das sagt sich schnell und kommt im Vorstellungsgespräch bei den umworbenen Kandidaten gut an. Wenn der Satz aber nur für bestimmte Mitarbeiter gilt und nicht für erfahrene Projekt-Manager, die nur als "Cash Cow" beim Kunden eingesetzt werden, ist der Schaden groß.
Ein Arbeitsvisum für die USA ...
... versprach ein Unternehmen einem IT-Marketingprofi und ließ ihn ohne Visum solange in die USA immer wieder ein- und ausreisen, bis er das Visum nicht mehr beantragen konnte.
Firmenwagen: Polo statt BMW
Was Firmen Bewerbern im Vorstellungsgespräch versprechen, sollten sie auch halten. Sonst ist der Frust groß. Etwa wenn einer IT-Vertriebsexpertin ein 3er BMW versprochen wird, sie aber dann am ersten Tag den Schlüssel für einen VW Polo in die Hand gedrückt bekommt.

(Computerwoche)