Auf der Homepage des Softwarehauses klingt der Job noch ganz toll: "Wir bieten Ihnen einen modernen Arbeitsplatz in einem dynamischen Umfeld. Sie erwartet eine vielseitige Tätigkeit und leistungsorientierte Vergütung." Doch ein paar Klicks reichen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen: "Gespräche zwischen Geschäftsführer und Angestellten finden höchstens aus Versehen statt", ist über die Firma zum Beispiel auf Kununu zu lesen. Auf dieser Plattform können Angestellte ihren Arbeitgeber bewerten, und für besagte Softwareschmiede fällt das Urteil mies aus.
Mehrere Angestellte beklagen unbezahlte Überstunden, und auch das Umfeld scheint weniger dynamisch zu sein als behauptet. Fazit eines Angestellten über seinen Brötchengeber: "Für den Karriere-Abend nett, für Menschen mit Visionen das Falsche"
Willkommen in der Arä des gläsernen Arbeitgebers. Dank Web 2.0 können Jobsucher heute das Innenleben einer Firma ausgiebig studieren, bevor sie sich dort bewerben. Bewertungsplattformen und soziale Netze schaffen Transparenz, und genau das erwarten die Bewerber mittlerweile. "Die verbreitete Einstellung ist: Ich will alle Informationen, und zwar sofort", beobachtet Constanze Buchheim, Gründerin der Berliner Personalagentur i-potentials.
Sie hilft jungen Internet-Firmen dabei, offene Stellen zu besetzen, und spürt schon, wie sich auf dem Arbeitsmarkt der Wind dreht. "Kandidaten sind zunehmend in der Situation, sich den Arbeitgeber aussuchen zu können", beobachtet Buchheim. Und wer am längeren Hebel sitzt, kann es sich leisten, wählerisch zu sein. Der Arbeitgeber hat nur drei Sterne auf Kununu? Dann bewirbt man sich lieber woanders.
Viele Unternehmen versuchen immer noch zu ignorieren, dass sie im Netz längst nackt dastehen. Zu den wenigen Unternehmen, die offensiv mit Online-Bewertungen umgehen, gehört Dataport aus Altenholz. Die Firma versorgt die öffentlichen Verwaltungen in fünf norddeutschen Bundesländern mit IT-Dienstleistungen und wirbt seit Kurzem sogar - kostenpflichtig - auf der Startseite von Kununu. "Wir wollen da hingehen, wo die jungen Leute sind", erklärt Ursula Kern, Leiterin der Personalabteilung.
Ganz ohne Risiko ist es für die Betriebe natürlich nicht, die Bewertungsplattformen zu umarmen, schließlich singen die Nutzer hier nicht nur Lobeshymnen. Wer zum Beispiel bei Kununu auf das Profil von Dataport klickt, landet schnell auf Beiträgen, in denen bemängelt wird, dass es in dem Betrieb "behördenartig" zugehe.
Personalchefin Kern kommt damit zurecht: "Wir waren ja bis vor wenigen Jahren auch eine Behörde." Es sei klar, dass da einige Strukturen zurückblieben, so die Personalchefin. Insgesamt glaubt Kern, dass sich das Engagement auf Kununu lohnt: "Immer mehr Kandidaten sagen im Bewerbungsgespräch, dass sie uns da entdeckt haben."
Kununu bei Unternehmen unbeliebt
So gut kommen nicht alle Unternehmen mit der Schonungslosigkeit im Netz zurecht: Bei Kununu melden sich jeden Tag zwei bis drei Firmen, die eine Bewertung löschen lassen wollen, berichtet Tamara Frast, Sprecherin der Plattform. Die Erfolgsaussichten der Kritikopfer sind schlecht: "Wir verweisen dann auf die Möglichkeit, Feedback zu hinterlassen oder einen internen Bewertungsaufruf zu starten", so Frast.
Lediglich Beiträge, in denen wüste Schimpfwörter fallen oder Vorgesetzte namentlich genannt werden, entfernt Kununu aus dem Netz, der Rest bleibt online. Gegen Bewertungen juristisches Geschütz aufzufahren gibt für die Firmen in der Regel ebenfalls keinen Sinn, schließlich gilt auch im Internet das Recht auf freie Meinungsäußerung, und Plattformen wie Kununu haben wasserdichte Geschäftsbedingungen.
Schlechte Chancen vor Gericht
Interessantes Detail: Landet die Sache vor Gericht, kann es vor allem für den Mitarbeiter riskant werden, der online Dampf abgelassen hat. Ein Beispiel: Ein Angestellter schreibt im Netz, sein ehemaliger Chef habe Frauen diskriminiert. Die Kritik ist anonym, doch der Betrieb hat nur zehn Angestellte, so dass sofort für jedermann ersichtlich ist, um welche Person es sich dreht. Kommt es dann zum Prozess, muss der Mitarbeiter die Gerichtskosten tragen. Warum? Weil in den AGB der Bewertungsplattformen meist eine so genannte Freistellungsklausel steht. Und die besagt: Werden wir verklagt, zahlt der Nutzer, der den Ärger verursacht hat, die Zeche. Vorgekommen ist das bislang allerdings noch nicht.
Für den Jobsucher 2.0 sind die Bewertungsplattformen natürlich nur eine erste Station bei der Arbeitgeber-Recherche. Auch über soziale Netzwerke lassen sich schnell Ehemalige finden, die bereit sind, Tacheles zu reden. Im äußersten Fall kann der Bewerber eine Undercover-Attacke starten und unter falschem Namen bloggende Mitarbeiter aushorchen. Darüber hinaus kann es sich für Jobsucher lohnen, die Kommentare auf den offiziellen Facebook-Seiten der Firmen zu beobachten. Hier offenbart sich ebenfalls schnell, wie es um das Unternehmen steht. Wer Beweise sucht, braucht sich nur die Facebook-Page des Unternehmens Teldafax anzusehen: Dort wimmelt es nur so von aufgebrachten Kunden.
Hochglanzbroschüren ohne Zukunft
Wohin diese Entwicklung führt, ist absehbar: Die Zeiten, in denen ein Unternehmen mit Hochglanzbroschüren ein Image erzeugen konnte, gehen zu Ende. Die Wände eines Betriebs sind in Zukunft durchlässig. "Dass Unternehmen nur über die Personal- und Presseabteilung mit der Welt kommunizieren ist ein Auslaufmodell", meint Wolfgang Jäger, Professor an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden und HR-Experte. Er erwartet, dass sich Online-Netzwerke wie Facebook immer tiefer in die Firmen eingraben und dadurch neue Informationskanäle für Bewerber entstehen. Die Unternehmen sollten sich an die neue Offenheit gewöhnen.
In Zukunft wird im Netz über jeden Arbeitgeber gesprochen, das wird kein Unternehmen verhindern können. Die Klugen werden versuchen mitzureden. "Man muss die Info-Zurückhaltung beenden", findet auch Personalexpertin Buchheim. Sie kann sich vorstellen, dass künftig unter einer Stellenanzeige die Twitter-Namen einiger Mitarbeiter stehen, die in der jeweiligen Abteilung arbeiten. Zu ihnen könnte der Jobsucher Kontakt aufnehmen, um so Antwort auf die alte Bewerberfrage zu bekommen: "Wie ist es, da zu arbeiten?"
Den Chef durchleuchten
"Wie ist es, da zu arbeiten?" Wer früher darauf eine Antwort suchte, musste im Bekanntenkreis einen Ehemaligen der Firma finden. Im Zeitalter sozialer Netzwerke geht es viel leichter, ungeschminkte Einblicke in ein Unternehmen zu bekommen. Die Methoden sind vielfältig:
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Stimmung auf Bewertungsplattformen checken: Auf Seiten wie Kununu, Meinpraktikum.de, Jobvoting oder Bizzwatch können Angestellte ihren Arbeitgeber anonym bewerten. In der Summe geben die Kommentare meist ein gutes Stimmungsbild ab. Allerdings: Viele Firmen ermuntern ihre aktiven Mitarbeiter, hier mitzumischen. Das verzerrt die Einschätzungen nach oben.
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Über Twitter Ehemalige finden: Der Jobsucher sendet eine Kurznachricht dieser Art ab: "Wer hat schon einmal bei XY gearbeitet?" Ist er gut vernetzt, leiten alle seine Follower den Tweet wiederum an ihre Follower weiter. So setzt ein Schneeballeffekt ein, der - wenn der Arbeitgeber XY groß genug ist - schnell einen auskunftsfreudigen Veteranen produziert. Alternative: Gezielt Alumni-Gruppen auf Xing abgrasen.
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Undercover gehen. Was für eine Kultur herrscht in der Firma? Wie wird mit Kritik umgegangen? Diese Fragen lassen sich durch eine verdeckte Netzrecherche klären. Vorgehen: Der Jobsucher legt ein falsches Online-Profil an und hinterlässt auf Mitarbeiter-Blogs provokante Kommentare. Die Reaktionen sprechen oft Bände. Nachteil: Hoher Aufwand, liefert nicht immer brauchbare Informationen.