Microsoft hat in den vergangenen Jahren manches deutlich bewusster als früher gemacht und dabei stark auf die Außenwirkung geachtet. Das zeigte sich jetzt auch während der Entwicklung von Windows 8: Die erste öffentlich verfügbare Betaversion, die am 29. Februar 2012 erschien, trug nicht zufällig die Bezeichnung "Consumer Preview".
Schon damals fragten sich aufmerksame Beobachter, wie es denn um eine mögliche "Business Preview" stehe oder ob Unternehmen das Nachsehen hätten. Inzwischen ist es Gewissheit: Mit Windows 8 zielt Microsoft in erster Linie auf den Consumer ab, um der Tablet-Konkurrenz Paroli zu bieten und Kunden von Alternativen im Windows-Gewand zu überzeugen.
Die richtige Edition nutzen
Bei oberflächlicher Betrachtung scheint Windows 8 für den Geschäftsalltag in der Tat kaum etwas zu bringen. Auf den zweiten Blick offenbart sich aber an mancher Stelle, dass Windows 8 auch für Unternehmen die eine oder andere interessante Funktion aufweist. Wie viele Business-Features Windows 8 jedoch im Gepäck hat, ist maßgeblich eine Frage der Edition: Sie entscheidet darüber, was das Betriebssystem kann und was nicht.
Grundlegende Geschäftsfunktionen bietet Windows 8 Pro, der Nachfolger von Windows 7 Professional und Ultimate. Diese Edition unterstützt den Domänenbeitritt, die zentrale Konfiguration über ActiveDirectory-Gruppenrichtlinien sowie die BitLocker-Laufwerksverschlüsselung für Festplatten und Wechseldatenträger. Mit Windows 8 Pro ausgestattete stationäre oder mobile PCs sind daher für den Arbeitsalltag rudimentär gerüstet.
Client-Hyper-V
Außerdem ist die Virtualisierungstechnik Hyper-V in Windows 8 Pro bereits enthalten. Während das für normale Benutzer untergeordnete Bedeutung hat, kann dieses Merkmal für Administratoren, Entwickler und Techniker ein echtes Plus (beispielsweise zum Austesten von Konfigurationen) bedeuten. Denn damit kann der Windows-8-PC als Host agieren, auf dem Gäste in Form von virtuellen Maschinen laufen - ohne dass dazu ein teures Zusatzprodukt wie VMware Workstation 9 zu erwerben ist.
Die Funktionalität dieser "Client-Hyper-V"-Implementierung entspricht weitgehend der von Windows Server 2012, was die Mitnahme sowie den Austausch virtueller Maschinen erleichtert. Beim Funktionsumfang kann die Client-Implementierung von Hyper-V jedoch nicht mit der marktführenden Konkurrenz von VMware mithalten. Wer beispielsweise auf eine USB-Unterstützung für Gäste angewiesen ist, muss auf Client-Hyper-V verzichten und stattdessen zu VMware Workstation 9 greifen - das bei Verwendung von Windows 8 als Gast-Betriebssystem sogar die Verwendung von USB 3.0 unterstützt.
Generell auf Client-Hyper-V verzichten muss derjenige, dessen PC-Prozessor die neuere Hardwaretechnik SLAT (Second Level Address Translation) nicht beherrscht - eine Systemanforderung, die Windows Server 2012 Hyper-V übrigens nicht stellt. Unter Umständen muss also ein neuer Desktop- oder Notebook-PC gekauft werden, um Hyper-V auf einem Windows- 8-PC einsetzen zu können. Oft ist es da einfacher und preiswerter, VMware Workstation 9 anzuschaffen.
Windows 8 Enterprise
Wer alle Business-Features nutzen möchte, die Microsoft für den Windows- 7-Nachfolger vorgesehen hat, muss zur Windows 8 Enterprise Edition greifen. Nur darin sind Funktionen wie Direct Access zum VPN-losen Remote-Zugriff, das für den Zweigstellen-einsatz interessante BranchCache sowie AppLocker zur Einschränkung der Ausführung von Client-Anwendungen enthalten.
Außerdem lassen sich bislang nur mit Windows 8 Enterprise die mit Windows Server 2012 eingeführten Remote-Desktop-Neuerungen nutzen. Allen voran ist an dieser Stelle die RemoteFX-Unterstützung für WAN-Verbindungen zu nennen. Sie ermöglicht es, grafikintensivere Anwendungen auch über Verbindungen mit geringer Bandbreite und hoher Latenz zu verwenden. Die Multitouch-Unterstützung innerhalb von RemoteDesktop-Sitzungen - vorausgesetzt, der Windows 8-PC ist mit entsprechendem Eingabegerät ausgestattet - steht ebenfalls nur in dieser Edition zur Verfügung.
Unternehmen, die auf eines dieser Merkmale Wert legen, kommen also nicht umhin, Windows 8 Pro außen vor zu lassen und gleich zur Enterprise-Variante zu greifen.Genau das macht Microsoft seinen Kunden jedoch gar nicht so leicht. Denn Windows 8 Enterprise steht ausschließlich Unternehmenskunden zur Verfügung, die mit Microsoft ein Volumenlizenzabkommen geschlossen und zusätzlich die "Software Assurance" gewählt haben.
Windows auf dem USB-Stick
Ein Highlight von Windows 8 Enterprise stellt die Funktion "Windows To Go" dar. Zunächst wird hierbei eine von der IT-Abteilung mit allen Anwendungen und Einstellungen fix und fertig vorkonfigurierte Windows-8-Installation auf einen USB-Stick gepackt. Diesen Datenträger kann ein Benutzer mitnehmen, um seinen heimischen PC damit zu booten. Ähnlich wie bei Linux-Live-DVDs kann der Mitarbeiter dann mit dieser vollwertigen Windows-Instanz arbeiten, aus der heraus per Internet und über Windows-8-Funktionen wie Direct Access sichere Zugriffe auf die Daten im Unternehmen möglich sind. Zur Abschottung gegenüber dem als Wirt dienenden Heim-PC blockiert Windows To Go den Zugriff auf die lokalen Laufwerke des Computers. Aus Sicherheitsgründen bewirkt das unvermittelte Abziehen des USB-Sticks eine Sperre der Windows-Live-Instanz.
Was in der Theorie gut klingt, hat in der Praxis noch manche Tücken. Beispielsweise ist der Heim-PC so zu konfigurieren, dass er auch wirklich von einem USB-Stick bootet. Im Zweifelsfall muss ein unerfahrener Anwender also im BIOS seines Computers herumstöbern, was zu Problemen führen kann, die die IT-Abteilung des Unternehmens dann auszubügeln hat. Grundsätzlich gibt es bislang nur sehr wenige USB-Sticks, die Windows To Go unterstützen. Geeignete Modelle sind etwa Kingstons "DataTraveler Workspace" (legacy.kingston.com/wtg) und Super Talents "RC8" (www.supertalent.com/WTG). USB 3.0 ist in jedem Fall Pflicht. Damit der Speicherplatz reicht, empfiehlt Microsoft zudem Sticks mit einer Größe von mindestens 20 GB.
Windows RT und das Management
Windows 8 kommt nicht nur in den üblichen Geschmacksrichtungen für PCs mit x86/x64-CPUs, sondern unterstützt auch Computer, deren Prozessordesign von der britischen Schmiede ARM Ltd. stammt. Windows RT, so die Bezeichnung der unter dem Codenamen Windows on ARM (kurz WOA) laufenden Variante von Windows 8, hat Microsoft speziell für Tablets konzipiert, die durch die Strom sparende ARM-Architektur besonders lange Akkulaufzeiten erreichen sollen. Wie lange genau, müssen die ab dem 26. Oktober 2012 erhältlichen Geräte in der Praxis noch unter Beweis stellen. Mit einem Gewicht von 676 Gramm und einer Dicke von 9,3 Millimetern kann es das Microsoft-eigene Windows RT Surface, was die äußeren Merkmale betrifft, jedenfalls mit dem Hauptkonkurrenten von Apple aufnehmen: Das neue iPad 3 bringt in der Wifi-Only-Ausführung 652 Gramm auf die Waage und ist 9,4 Millimeter dick.
Für den Business-Einsatz eignet sich ein mit dem ARM-Windows arbeitendes Tablet aber nur bedingt, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen unterstützt Windows RT keinen Domänenbeitritt, was eine zentrale Verwaltung über Active-Directory-Gruppenrichtlinien unmöglich macht. Ebenso schwer wiegt die zweite empfindliche Einschränkung: Auf Windows RT sind keine vorhandenen Windows-Anwendungen ausführbar, da die ARM-Prozessorarchitektur inkompatibel zur x86/x64-Welt ist. Vielmehr müssen eigene Programme, die auf Tablets mit ARM-Prozessor laufen sollen, als bildschirmfüllende Apps für die Modern-UI realisiert werden. Immerhin zeigt Microsoft Problembewusstsein: Normalerweise dürfen solche Apps ausschließlich aus dem Microsoft-App-Store im Internet bezogen werden - für die Nutzung in Unternehmen ist das schlicht ein Ding der Unmöglichkeit. Aus diesem Grund hat Microsoft ein Side Loading vorgesehen, durch das Windows-RT-Tablets (ebenso wie Windows-8-Pro-/Enterprise-PCs mit x86/64-Prozessor) Apps aus einem unternehmensinternen App Store beziehen können.