Web 2.0 und kein Ende. Seit etwa sechs Jahren debattiert die Szene über dieses Schlagwort - Eric Knorr von unserem US-Schwestermagazin Infoworld hatte es Ende 2003 eingeführt - und bis heute hat sich keine einheitliche Definition herausgebildet. Stattdessen kommen neue Begrifflichkeiten wie "Social Media" und "Enterprise 2.0" hinzu. Die Analystin Antje Stobbe von DB Research rät Entscheidern, die Web 2.0 im Unternehmen einsetzen wollen oder müssen, das Schema SLATES zu befolgen: Search, Links, Authoring, Tags, Extensions und Signals.
SLATES geht auf Andrew McAfee zurück, Professor an der Harvard Business School. Nach seinen Worten sollten Web 2.0-Anwendungen folgende Elemente beinhalten:
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Search: einfache Recherche von Inhalten über die Suchfunktion,
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Links: Verweis auf zusätzliche, relevante Inhalte, wobei die von den Nutzern als besonders wertvoll eingeschätzten Seiten am häufigsten verlinkt werden,
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Authoring: einfaches Veröffentlichen oder Editieren von Inhalten,
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Tags: Vergabe von Schlagworten durch die Nutzer, wodurch sich eine nutzergesteuerte Kategorisierung und Priorisierung von verwendeten Seiten entwickelt, eine sogenannte Folksonomy,
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Extensions: Extrapolation von beobachtetem Verhalten im Netz, um Empfehlungen für zukünftiges Verhalten auszusprechen und
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Signals: durch Abo-Funktionen werden Nutzer auf neue Inhalte aufmerksam gemacht (z.B. durch RSS-Feeds).
Stobbe will Entscheidern damit etwas Konkretes an die Hand geben. Ihrer Erfahrung nach besteht bei Unternehmen noch immer große Unsicherheit über die Bedeutung von Web 2.0 im geschäftlichen Kontext. Über Experimente mit einzelnen Anwendungen seien viele noch nicht hinausgekommen.
Von einer systematischen Evaluation von Web 2.0-Projekten oder von Messung des Return on Investment (ROI) kann daher noch keine Rede sein. Dennoch verficht auch DB Research die These, dass Entscheider an Web 2.0 nicht vorbeikommen werden, insbesondere nicht mit Blick auf jüngere Konsumenten und jüngere Mitarbeiter.
Dazu ein paar Zahlen: Laut der ARD/ZDF-Onlinestudie 2009 nutzten im vorigen Jahr knapp 30 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren Wikipedia. 2007 waren es noch 20 Prozent. 2009 nutzten jeweils rund 25 Prozent regelmäßig Videoportale und soziale Netzwerke. 2007 waren es jeweils etwa fünf Prozent weniger. Dabei liegen die Zahlen für die 14- bis 29-Jährigen zum Teil doppelt so hoch wie der Durchschnitt. Stobbe zieht das Fazit, das Web 2.0 habe sich in der jungen Generation habitualisiert.
Nach den Daten von Forrester Research hat zur Zeit etwa jedes fünfte Unternehmen in Europa und Nordamerika Foren, Blogs und Wikis implementiert. Soziale Netzwerke, Microblogs (Twitter) und Plattformen zur Ideenentwicklung sind bisher weniger vertreten. Stichwort Ideenentwicklung: Dell behauptet, auf seiner Website "IdeaStorm" seit dem Start 2007 rund 14.000 Vorschläge erhalten zu haben. Mehr als 400 davon habe das Unternehmen umgesetzt.
Web 2.0 erzwingt neue Unternehmenskultur
DB Research gibt zu Bedenken, dass Web 2.0 die Firmenkultur verändert. Konkret: Blogs und Wikis können Hierarchien aushebeln. "Web 2.0-Instrumente reduzieren grundsätzlich die Fähigkeit des Managements, Kontrolle auszuüben", so Stobbe. Mitarbeiter könnten negative Entwicklungen im Unternehmen zur Sprache bringen - die Beiträge werden dezentral und ohne Freigabe durch das Management erstellt. Stobbe: "Diese Form der Kommunikation setzt eine offene Unternehmenskultur voraus, die auch ein Übertreten der Hierarchien im Unternehmen zulässt."
Die Analystin beschreibt andererseits die Vorteile von Web 2.0. Insbesondere Wissens-Management und Kommunikation profitieren von Blogs und Wikis, denn die produzierten Inhalte sind offen zugänglich und permanent sichtbar. Jeder kann sie kommentieren. Dadurch wird das Wissen von Menschen integriert, die sonst - zum Beispiel wegen der Unternehmensgröße - nicht miteinander in Diskussion treten könnten. Informationen werden verdichtet und firmenweit sichtbar gemacht.
Entscheider sollten folgende Fragen klären:
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Welche Ziele das Unternehmen mit dem Einsatz von Web 2.0 verbindet und wie diese auf übergreifende Unternehmensziele abzustimmen sind. Damit geht auch die Bestimmung von Zielgruppen einher.
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Ob Web 2.0-Instrumente intern oder extern, etwa zur Kommunikation mit Kunden und Lieferanten, genutzt werden sollen. Viele Unternehmen experimentieren zunächst einmal intern, bevor sie die Instrumente in der Außenkommunikation einsetzen.
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Welche Instrumente passen. So eignet sich zur Sammlung und Verdichtung von Wissen ein Wiki. Der Austausch von Ideen im Rahmen eines Innovationsprozesses oder die Diskussion von Lösungsansätzen bei der Implementierung eines IT-Tools spricht dagegen eher für ein Blog oder ein Forum.
Web wird Wirklichkeit
Wie auch immer die Diskussion innerhalb der Unternehmen derzeit aussehen mag - Stobbe ist überzeugt: "Das Web 2.0 wird aus der Wirklichkeit von Unternehmen künftig nicht mehr wegzudenken sein."
Antje Stobbe von DB Research führt ihre Thesen in dem Papier "Wie Unternehmen das Web 2.0 für sich nutzen" aus.