Wenn die Pläne des Lufthansa-Managers Wolfgang Mayrhuberwahr werden, können seine Fluggäste bereits im kommendenJahr über dem Atlantik E-Mails verschicken, durch hunderteTV-Kanäle zappen oder mit dem Intranet ihrer Firmakommunizieren. Mayrhofer, Mitglied des Lufthansa-Vorstandsund dort verantwortlich für den Bereich Personenverkehr,will, dass die Lufthansa als weltweit erste Airline das"Connexion by Boeing"-System anbietet. Das von dergleichnamigen Boeing-Tochter im April 2000 vorgestellteKommunikationssystem für zivile Passagierflugzeuge istmittlerweile so weit getestet, dass seiner Nutzung kaum nochetwas im Wege steht.
Im Frühjahr 2002 wird die Hamburger Firma LufthansaTechnik (LHT) den ersten Jumbo fit für das breitbandigeInternet machen. Im Herbst soll der Flieger dann über denWolken online gehen. Just zu diesem Zeitpunkt wird ein neuerSatellit in einer geostationären Umlaufbahn über demNordatlantik Position bezogen haben. Entsprechende Verträgezwischen Boeing und Loral Skynet do Brasil über dieAnmietung von Sendekapazität sind seit November perfekt. DerSatellit soll die notwendigen Bandbreiten in dieser Regionbereitstellen und damit eine Versorgungslücke zwischen denUSA und Europa schließen.
Flaschenhals Satellitentechnik
Ohne die gemieteten Frequenzen des brasilianischenEstrela-do-Sul-1-Satelliten wäre der neue Service sinnlos."Der Flaschenhals für breitbandiges Internet während desFlugs ist derzeit nicht die Hardware im Flugzeug, sonderndie Technik der Satelliten", erläutert Bernhard Conrad,Bereichsleiter Engineering bei der LHT. Ältere Satellitensind nicht in der Lage, die von Connexion by Boeing imersten Schritt angepeilten 5 Megabits im Download und 1,5Megabits im Upload zu realisieren, wobei die Passagiere sichdie rund achtzigfache ISDN-Geschwindigkeit des Systemsteilen müssen.
In den USA wäre der Hochgeschwindigkeitszugang aufgrundeiner besseren Satelliten-Infrastruktur schon heute zum Teilmöglich. Doch obwohl Boeing bereits seit einem Jahr miteinem Demonstrationsjet über die USA gleitet, hat noch keineUS-Airline das Boeing-System installiert. Zwar gibt esbereits Verträge mit American, Delta und United Airlines,aber auch die wollen ihre Testflieger erst 2002ausrüsten. Ein Jahr später allerdings sollen insgesamt 1500Maschinen der drei Gesellschaften mit dem Internet-Zugangvon Boeing durchstarten.
Trotz der amerikanischen Konkurrenz rechnet sich dieLufthansa gute Chancen aus, als erste Airline eineLinienmaschine mit Highspeed-Internet in die Luft zubringen. "Wir werden weltweit das erste Testflugzeugumrüsten und als erste Gesellschaft den Dienst anbieten",sagt Burkard Wigger, Projektleiter der zu diesem Zweck insLeben gerufenen Lufthansa Flynet. Der Hintergrund: DieKranich-Techniker haben bereits Erfahrungen mit derInstallation des Systems. Die LHT hat vor einem Jahr denSatellitenempfänger von Boeing in einen privaten Airbus A340eingebaut. Neben der Empfangsmöglichkeit für alle weltweitgenutzten 400 TV-Kanäle besitzt dieser Jet bereits denBreitbandzugang ins Internet. Darüber hinaus gönnte sich dasungenannte Unternehmen einige 42-Zoll-Plasma-Displays(Stückpreis zirka 25000 Mark). "Unser Schwerpunkt beidiesem Pilotprojekt lag allerdings im Empfang vonFernsehkanälen, nicht in der Anbindung ans Internet", soLHT-Entwickler Conrad.
Surfbrettgroße Antennen
Immerhin konnte die Lufthansa auf diesem Weg denkompliziertesten Hardware-Bestandteil des Boeing-Systemsausgiebig testen: die beiden surfbrettgroßen Antennen, diezum Senden und Empfangen auf der Oberseite des Flugzeugsangebracht werden. Sie müssen sich permanent auf denSatelliten ausrichten. Um das bei einer Geschwindigkeit vonknapp tausend Stundenkilometern zu gewährleisten, zapft derAntennen-Controller die bordeigenen Navigationssystemean. GPS-Empfänger und diverse Instrumente zur Lagesensorikliefern kontinuierlich Daten über die Position desFlugzeugs. Der Controller wertet die Daten aus und schicktentsprechende Befehle an die Steuereinheit der Antennen.Die Steuerung an sich arbeitet mit einer Mischung ausmechanischer Bewegung und elektronischer Ausrichtung. "DasSystem funktioniert ausgesprochen gut", resümiert Conrad dieErgebnisse der Testflüge.
Server ohne Standard-Hardware
Während Connexion by Boeing das Headend-Equipment, alsoAntenne und Receiver, liefert, ist die LHT für die übrigeAusstattung verantwortlich. Abgesehen von denFlugzeugherstellern selbst ist die LHT übrigens das bislangeinzige Unternehmen weltweit, das solche weitgehendenVeränderungen an Flugzeugen vornehmen darf.Standard-Hardware kommt den Spezialisten dabei nicht anBord. "Wir benutzen speziell gefertigte Server, die aufunsere Bedürfnisse hin entwickelt wurden", berichtetConrad. Darin stecken etwa modifizierte Festplatten, dieauch bei dem in Reiseflughöhe herrschenden Kabinendruckeinwandfrei funktionieren. Gemäß den luftfahrttechnischenBauvorschriften müssen alle Komponenten in Sachenelektromagnetischer Verträglichkeit und Brennbarkeit geprüftund zertifiziert sein. Das gilt auch für das interneNetzwerk, das grundsätzlich einem Ethernet-LAN entspricht,zusätzlich jedoch gegen Störstrahlung abgeschirmtwird. Unklar ist zum jetzigen Zeitpunkt noch, wie sich diePassagiere ins bordeigene Netzwerk einklinkenwerden. Diskutiert wird bei der Lufthansa überZugangsmöglichkeiten via Ethernet oder Wireless LAN. EineEntscheidung ist noch nicht gefallen; technisch realisierbarsind beide Alternativen.