In der Pandemie hat die IT gezeigt, was sie alles kann. Das macht im Top Management Appetit auf mehr, ist Thomas Mannmeusel, CIO von Webasto, überzeugt.
Die Forderung, die Silos in Unternehmen aufzubrechen, ist fester, schicker Bestandteil im Vokabular von Führungskräften, die mit der Zeit gehen wollen. Vielfach bleibt es aber beim vollmundigen Appell, ohne dass klar wird, wie das in der Praxis geht. Nicht so bei Thomas Mannmeusel, CIO der Automobilzulieferers Webasto, der 2019 mit weltweit 15.000 Beschäftigten in 30 Fabriken einen Umsatz von 3,5 Milliarden Euro erwirtschaftete. Hauptprodukte sind Schiebedächer und Standheizungen, die Webasto für alle wichtigen Automobilhersteller produziert.
Mannmeusel hat die Silos mit Hilfe einer virtuellen Prozessorganisation aufgebrochen und wurde dafür zum CIO des Jahres 2020 gewählt. Auf den Hamburger IT-Strategietagen gab er praktische Einblick, wie das Aufbrechen der Silos bei Webasto funktioniert.
Noch bevor Produktteams in der agilen Welt en vogue waren, hatte Webasto schon ein crossfunktionales Team im Einsatz. Dieses vereinheitlichte eingesetzte Systeme wie ERP, CAD, PLM, MES und BI, um dadurch Produkte schneller und einfacher entwickeln und an die weltweiten OEM-Partner liefern zu können. Dessen Teammitglieder hatten jahrelang so gut miteinander an den verschiedensten Unternehmensstandorten in der Welt agiert, dass sich Mannmeusel fragte, wie sich ein solches Team künftig organisatorisch verankern lasse.
Ein Mitarbeiter, zwei Chefs
Fünf Jahre später ist daraus die Abteilung "Global Process Optimization" (GPO) entstanden, die von Mannmeusel als Director und einem dreiköpfigen GPO-Office gesteuert wird. Sie liegt als virtuelle Organisation über den bestehenden Fachfunktionen, Geschäftsbereichen und regionalen Strukturen. Mittlerweile sind 40 Beschäftigte in die virtuelle Prozessorganisation eingebunden, die aber gleichzeitig in ihren angestammten Fachabteilungen verbleiben. Geht es zum Beispiel um die Zielvereinbarungen für das nächste Jahr, setzen sich Mitarbeiter, Abteilungsleiter und Prozessdirektor zusammen, um gemeinsam die Ziele abzustecken.
Ein Mitarbeiter, zwei Chefs - dieses Prinzip funktioniere laut CIO Mannmeusel aus verschiedenen Gründen gut. Zum einen könne man auf gute Erfahrungen mit einer Matrix-Organisation zurückgreifen. So sei es für Webasto-Mitarbeiter relativ normal, zwei Vorgesetzte zu haben. Zum anderen bekämen beide Parteien ihren Teil vom Kuchen. Der Fachbereichsleiter das IT-Wissen und die Prozessorganisation das Fachwissen.
"Innovation findet bei uns global statt"
Auch das verteilte Arbeiten von verschiedenen Standorten aus sei für Webasto nichts Neues. Schon vor Corona verstand sich die Webasto-IT, der weltweit 280 Mitarbeiter zugeordnet sind, als verteilte Organisation, so Mannmeusel: "Innovation findet bei uns global statt, jeder kann eine gute Idee einbringen, und diese Ideen kommen auch." Das virtuell vernetzte Arbeiten ist für den CIO das bevorzugte Organisationsmodell - vor Corona waren seine Mitarbeiter über die 30 Fabriken verteilt, heute über Hunderte von Home-Offices.
Die neue Rolle der IT
"In der Pandemie hat die IT gezeigt, was sie kann. Das macht Appetit auf mehr", ist Mannmeusel überzeugt. Darum rechnet er mit einer weiteren Digitalisierungswelle. Die CIOs haben Erwartungen im Top-Management geweckt, etwa dass durch Technologie Entwicklungszyklen von Produkten oder Services verkürzt beziehungsweise durch Digitalisierung neue Wachstumsfelder erschlossen werden. Webasto sieht zum Beispiel in Batterie- und Ladesystemen für die Elektromobilität solche neuen Geschäftsfelder.
Wann Digitalisierung zu messbaren Ergebnissen führen muss, hänge vom Thema ab, sagt der Webasto-CIO. Ein Lieferanten-Management-System müsse einen klaren Return-on-Investment haben. In Zukunftsfeldern wie Machine Learning oder digitaler Zwilling setze man dagegen auf einen Portfolio-Ansatz: Man probiert unterschiedliche Ansätze aus, schaut, was sie bringen und rechnet aber nicht damit, dass alle Ansätze wirklich erfolgreich sind.
Ein Grund, warum Thomas Mannmeusel seine virtuelle Prozessorganisation so gut zum Laufen bringen konnte, ist auch mit seiner Person verbunden. Er kam bereits 2009 als CIO zu Webasto und hatte die IT stabil aufgestellt, bevor er mit seiner virtuellen Prozessorganisation die bisherigen Abteilungsgrenzen aufbrechen konnte.
Die Top-CIOs der Automobil-Branche
Sven Lorenz Der langjährige Porsche-CIO Sven Lorenz ist Konzern-CPO bei Volkswagen. Bei der Kür zum CIO des Jahres 2006 schaffte es Sven Lorenz auf den zweiten Platz.
Falko Morlock Seit 1. September 2023 ist Falko Morlock CIO des schwäbischen Maschinen- und Anlagenbauers Dürr AG.
Alexander Buresch Alexander Buresch ist seit Januar 2020 CIO des bayerischen Automobilkonzerns. Ein Foto des Managers hat BMW bislang noch nicht veröffentlicht. Der Wirtschaftswissenschaftler ist seit mehr als 20 Jahren für BMW tätig und war zuletzt Vice President Corporate Strategy and Planning.
Hauke Stars Seit Februar 2022 ist Hauke Stars IT-Vorständin und Chief Information Officer bei Volkswagen.
Katrin Lehmann Als CIO der Mercedes-Benz Group AG und der Mercedes-Benz AG verantwortet Katrin Lehmann die globale IT für alle Geschäftsbereiche, Marken und Märkte und berichtet direkt an den CEO.
Jürgen Sturm Jürgen Sturm ist seit Januar 2015 Informatikleiter beim Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen. Sturm ist promovierter Ingenieur und kommt von der BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH. Sturm war vor seiner BSH-Zeit zwischen 1999 und 2003 Bereichsleiter Organisation, Prozesse und Informationssysteme bei der Grundig AG.
Volker Schwarz Der langjährige Rheinmetall-CIO Volker Schwarz ist seit Januar 2024 CIO beim Automobilzulieferer GKN Automotive.
Frank Loydl CIO der Audi AG und damit Nachfolger des bisherigen CIO Mattias Ulbrich ist seit Februar 2018 Frank Loydl. Seit 2016 verantwortete er im Konzern die Software-Entwicklung. Ab 2009 war er bei T-Systems das Delivery Management für den Kunden Volkswagen AG zuständig. Diese Aufgabe übernahm Loydl 2013 schließlich direkt für den Automobilkonzern.
Martin Hofmann Martin Hofmann tritt zum 1. Mai 2023 seinen neuen Posten als CTO und CIO bei Volta Trucks an. Zuvor war er drei Jahre als Senior Vice President bei Salesforce und über 19 Jahre bei Volkswagen, dort zuletzt als Group CIO.
Alexander Eisl Der ehemalige MAN-Manager Alexander Eisl hat am 1. Oktober 2022 die Nachfolge von Skoda-CIO Klaus Blüm angetreten, der zu VW gewechselt ist.
Michael Hilzinger Michael Hilzinger ist seit Juli 2019 CIO beim Bremsen-Spezialisten Knorr-Bremse in München. Er war zuvor Group CIO beim Stahlhändler Klöckner in Duisburg.
Petra Clemens Seit Oktober 2024 leitet Petra Clemens die IT von Cariad, der Software-Tochter von Volkswagen. Sie kommt vom Eisenbahnlogistiker VTG.
Markus Bentele Markus Bentele ist seit Januar 2017 Vice President Information Technology (VP)/Group CIO beim Automobilzulieferer Mahle International GmbH in Stuttgart. Zuvor war Bentele Corporate CIO der Rheinmetall AG.
Christian Ley Christian Ley leitet seit 2006 den Bereich Informationssysteme Brose Gruppe. In dieser Funktion verantwortet er den Ausbau der IT-Lösungen im Kontext der Unternehmensstrategie. Ley begann 1995 als Diplom Betriebswirt (FH) als Trainee in der Brose Gruppe und wechselte anschließend als DV-Koordinator in die zentrale Anwendungsentwicklung. Dort übernahm er 1999 die Teamleitung für PPS- und QM-Systeme und anschließend die Leitung der Zentralabteilung „logistische Anwendungssysteme“. In dieser Funktion war er bis 2006 weltweit für zahlreiche SAP-Implementierungsprojekte verantwortlich.
André Wehner Am 1. Juni 2021 hat André Wehner den CIO-Posten bei MAN Truck & Bus übernommen. Als IT-Chef verantwortet Wehner die weltweite IT des Nutzfahrzeugherstellers. Dazu zählen auch Produktionswerke, Logistikzentren und die eigenen Landesvertriebsgesellschaften. Sein Vorgänger Stephan Fingerling geht als Geschäftsführer zur Group IT Services GmbH, der IT-Tochter der Volkswagen Gruppe. Vor seinem Wechsel zum Münchner Nutzfahrzeughersteller war Wehner CDO bei Skoda Auto. In der neu geschaffenen Stelle kümmerte er sich dort seit 2016 um Unternehmensentwicklung und Digitalisierung.
Maik Krüger Am 1. April trat Maik Krüger die Position des CIO bei Dräxlmaier an. Der studierte Wirtschaftsinformatiker war jahrelang in führenden IT-Positionen bei BMW tätig.
Sebastian Stoll Seit 1. Juni 2021 ist Sebastian Stoll CIO und Group Vice President IT der FEV Gruppe. Er hat den Posten von Andreas Engels übernommen, der beim Kölner Compliance-Startup Kerberos eingestiegen ist. Stoll berichtet an CFO Jürgen Koopsingraven. Neben der Einführung von SAP S/4 Hana will Stoll die IT in die Cloud verlagern und die Security verbessern.
Saskia Kohlhaas Saskia Kohlhaas ist seit November 2021 Senior Vice President Information Technology beim Engineering-Dienstleister der Automobilindustrie IAV.
Thomas Külpp Seit August 2017 ist Thomas Külpp neuer CIO beim Autobauer Opel Automobile GmbH in Rüsselsheim. Zuvor war er bei Opel Director Sales & Marketing. Külpp hat Maschinenbau an der University of Applied Sciences in Wiesbaden studiert und als Diplom-Ingenieur abgeschlossen. Er arbeitet bereits seit 27 Jahren in verschiedenen Positionen bei Opel.
Marcus Claesson Marcus Claesson ist CIO bei Daimler Truck. Er berichtet an den Vorstand für Finanzen und Controlling, Jochen Goetz. Darüber hinaus verantwortet Marcus Claesson die Connectivity Services innerhalb der Daimler Truck AG. Er ist seit 2017 im Unternehmen. Zuvor war Claesson CIO bei Electrolux AB.
Uwe Kühne Uwe Kühne ist seit 2017 CIO bei GF Casting Solutions, einer Division des Georg Fischer Konzerns. Er fing 2004 bei der Georg Fischer Automobilguss GmbH als Systemanalytiker an und war zuletzt bis Ende 2016 als Head IT Operational Services bei GF Automotive für die Erbringung zentraler IT Infrastrukturleistungen verantwortlich. Auf seiner Agenda stehen die strategische Neuausrichtung der zentralen IT-Organisation, die Vorbereitung auf SAP S4/HANA, die Verlagerung zentraler IT Dienste in die Cloud sowie die Verbindung zwischen klassischer IT und Automations-Bereichen („i4.0“). GF Casting Solutions ist eine von drei Divisionen der Georg Fischer AG, ein börsennotiertes Unternehmen mit Hauptsitz in Schaffhausen, Schweiz. Das 1802 gegründete Industrieunternehmen betreibt in 33 Ländern 131 Gesellschaften, davon 51 Produktionsstätten.
Felix Willing Felix Willing ist seit Januar 2018 Leiter des Bereichs Information Management beim Automobilzulieferer Hella GmbH & Co. KGaA im nordrhein-westfälischen Lippstadt. In dieser Position fungiert er zugleich als CIO für den globalen Hella Konzern. Zuletzt war er CIO beim Windturbinenbauer Nordex Acciona Windpower AG in Hamburg.
Bernd Süßmann Bernd Süßmann ist seit September 2018 Head of Corporate IT bei der SAS Automotive in Karlsruhe, einem Joint Venture zwischen Continental and Faurecia. Er trägt dort die Gesamtverantwortung für die IT, führt dabei 80 Mitarbeiter und berichtet an den CFO des Unternehmens, Ekkehard Klautke.
Bernhard Pluhatsch Bernhard Pluhatsch ist seit Oktober 2018 neuer Head of IT, Transmission Systems bei Magna Powertrain Transmission Systems (MPT TS) in Untergruppenbach bei Heilbronn. Er kommt von der Nürnberger Leoni AG, wo er von 2002 bis 2018 Vice President IT Infrastruktur war.
Michael Simon Michael Simon (56) ist seit 1. Juli 2019 der Leiter Zentral IT und CIO der Volkswagen Retail Group. Er berichtet an die Geschäftsführung. Zuvor war der studierte Informatiker seit 2015 Leiter IT bei der Weiss Umwelttechnik GmbH. Insgesamt bringt er Erfahrung aus drei Jahrzehnten als Fach- und Führungskraft in der IT mit, unter anderem bei der Salzgitter AG Group.
Simon Blankenstein Seit Oktober 2022 verantwortet Blankenstein als CIO die IT der Huf Group. Er berichtet an CFO Rainer Heupel. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehört der weltweite Rollout von SAP S/4 HANA.
Tommy Andreasen Nach der Fusion von MAN Diesel und MAN Turbo wurde Tommy Andreasen, vorher CIO von MAN Diesel, Anfang 2010 CIO der neu geschaffenen MAN Diesel & Turbo Gruppe. In den vergangenen 20 Jahren übernahm Tommy Andreasen innerhalb der MAN Diesel Gruppe verschiedene Management Positionen, schwerpunktmäßig im Bereich Finanzen und Controlling. Im Jahr 2000 wurde er Head of Information Technology bei MAN Diesel in Dänemark und entwickelte und führte eine neue IT-Strategie ein. 2006 wurde er dann CIO des gesamten MAN Diesel Konzerns.