Geschlossene Restaurants, leere Innenstädte, Kultur auf Sparflamme: Unternehmen und Solo-Selbstständige dürfen in der Krise mit einem weiteren Corona-Hilfspaket im Umfang von 22 Milliarden Euro bis Ende Juni 2021 rechnen. Bei der Zahl handelt es sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur um das geschätzte Programmvolumen für die von Januar bis Ende Juni 2021 geplante "Überbrückungshilfe III", auf die sich Wirtschafts- und Finanzministerium zuvor geeinigt haben. Zuerst hatten das Nachrichtenportal "The Pioneer" und der Deutschlandfunk über das Volumen berichtet.
Bei der zudem verabredeten Konkretisierung der "Novemberhilfe", die Umsatzeinbußen während des Teil-Lockdowns ausgleichen soll, wird nun nach Schätzungen von einem Volumen von etwa 14 Milliarden Euro ausgegangen. Bisher stand ein Volumen von etwa 10 Milliarden Euro im Raum. Im Rahmen der Konkretisierung wird klargestellt, dass auch Beherbergungsbetriebe und Veranstaltungsstätten als direkt betroffene Unternehmen antragsberechtigt sind. Damit wird nach Angaben beider Ministerien sichergestellt, dass auch Pensionen, Jugendherbergen und Konzerthallen Novemberhilfe erhalten können.
Auch mittelbar vom Teil-Lockdown wegen Corona betroffene Unternehmen sollen nach der Einigung Anträge stellen können, wenn sie regelmäßig 80 Prozent ihrer Umsätze mit direkt von den Schließungsmaßnahen betroffenen Unternehmen erzielen. Dies helfe etwa Unternehmen und Selbstständigen aus der Kultur- und Veranstaltungswirtschaft wie Tontechnikern, Bühnenbauern oder Beleuchtern.
14 Milliarden Euro für einen einzigen Monat
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) bestätigte bei einem digitalen Parteitag der baden-württembergischen Sozialdemokraten in Stuttgart, die Novemberhilfen würden "wahrscheinlich 14 Milliarden Euro kosten für einen einzigen Monat". Er betonte: "Es ist die richtige Bekundung von Solidarität." Das helfe gerade Selbstständigen aus der Kultur- und Veranstaltungsbranche, die von den Auftrittsbeschränkungen der Pandemie besonders gebeutelt seien. "Das ist etwas, das nicht alle Probleme löst, aber das sie ein bisschen in einer Zeit unterstützt."
Teil der Überbrückungshilfe III ist auch die sogenannte Neustarthilfe für Solo-Selbstständige. Sie soll für die Zeit von Dezember 2020 bis Ende Juni 2021 als einmalige Betriebskostenpauschale von bis zu 5000 Euro als steuerbarer Zuschuss gezahlt werden. Die volle Pauschale soll gezahlt werden, wenn der Umsatz des Solo-Selbstständigen während der siebenmonatigen Laufzeit von Dezember 2020 bis Ende Juni 2021 im Vergleich zu einem siebenmonatigen Referenzumsatz im Jahr 2019 um mehr als 50 Prozent zurückgegangen ist, geht aus einem gemeinsamen Papier von Wirtschafts- und Finanzministerium hervor.
Damit könnten Solo-Selbstständige, die bislang keine Fixkosten geltend machen konnten, aber dennoch hohe Umsatzeinbrüche hinnehmen mussten, im nächsten Jahr Unterstützung erhalten, sagte Scholz. Als Solo-Selbstständige gelten Erwerbstätige, die eine selbstständige Tätigkeit ohne angestellte Mitarbeiter ausüben.
Neustarthilfe als Vorschuss
Die "Neustarthilfe" soll einmalig 25 Prozent des durchschnittlichen monatlichen Umsatzes im Jahr 2019 betragen und bei 5.000 Euro gedeckelt sein. Diese Höchstsumme erreichen Solo-Selbstständige mit einem Jahresumsatz von etwa 35.000 Euro.
Die Neustarthilfe soll den Angaben zufolge im nächsten Jahr als Vorschuss ausgezahlt werden, auch wenn die konkreten Umsatzeinbußen noch nicht feststehen. Am Ende des Förderzeitraums müssen die Betroffenen dann eine Endabrechnung erstellen, es soll stichprobenweise nachgeprüft werden. Wenn der Umsatz in diesem Zeitraum bei mehr als der Hälfte des Referenzumsatzes - also des Schnitts von 2019 - liegt, muss der Vorschuss zumindest anteilig zurückgezahlt werden.
Als "absolut unzureichend" bezeichnete die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt die geplanten Hilfen für Solo-Selbstständige. "Seit acht Monaten haben Künstlerinnen, Veranstalter und andere Solo-Selbstständige so gut wie keine Unterstützung bekommen und werden hingehalten", kritisierte Göring-Eckardt. Es gehe um Menschen, die nicht schlecht gewirtschaftet oder ihren Job verloren hätten, sondern die "zum Wohle von uns allen die berufliche Tätigkeit einschränken müssen". Dass andere Branchen dafür bis zu 75 Prozent ihres Umsatzes erstattet bekämen, die Solo-Selbstständigen aber nicht, sei Hohn.
Ungleichbehandlung bei den Novemberhilfen
Auch Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer kritisierte eine Ungleichbehandlung bei den Novemberhilfen. Seiner Ansicht nach fallen viele Handwerksbetriebe durchs Raster, während beispielsweise Restaurant besser unterstützt würden. "Die Ungleichbehandlung von Restaurants und Lebensmittelhandwerken muss ausgeräumt werden.
Die überwiegende Mehrheit unserer Betriebe im Lebensmittelhandwerk betreibt neben dem klassischen Thekengeschäft Gastronomie, beispielsweise Bäcker, Konditoren und Fleischer mit angeschlossenem Café- oder Imbissbereich"m, sagte Wollseifer. Diese erhielten aber nur dann 75 Prozent Zuschuss auf Gastronomieumsatz, wenn ihr Gastronomieanteil mindestens 80 Prozent des Gesamtumsatzes ausmache. "Das ist nicht nachvollziehbar."
Aus Sicht von CSU-Chef Markus Söder sind die aktuell vorgeschlagenen 5.000 Euro "eindeutig zu wenig". Die Summe entspreche nicht der Realität, sagte der bayerische Ministerpräsident am Samstag in einer Rede bei einer Internet-Landesversammlung der bayerischen Jungen Union. Wenn der Bund seine Verantwortung ernst nehmen wolle, dann müsse er an der Stelle "noch einmal deutlich nachlegen". Auch insgesamt sagte Söder über geplante Corona-Hilfen: "Da muss auch noch mal drübergeschaut und nachgearbeitet werden." (dpa/rs)