Im vergangenen Jahr mussten in Deutschland weniger Chefs börsennotierter Unternehmen ihren Posten räumen als noch im Jahr davor. Wird die Krise ausgesessen?
Die aktuelle Krise ist ja kein internes Problem, sondern ein externer Schock. In einer Situation wie der gegenwärtigen neigen die Aufsichtsräte zunächst einmal nicht dazu, den Kapitän in rauer See vom Schiff zu nehmen. In der Krise ist Kontinuität gefragt. Einem CEO, der das Unternehmen kennt, traut man eher zu, schnell die richtigen Entscheidungen zu treffen. Wenn trotzdem ein Wechsel stattfindet, hat man genau das dem CEO offensichtlich nicht mehr zugetraut.
Eine aktuelle Studie ihres Hauses zeigt auch, dass externe Chefs eine bessere Performance haben. Sind in der Krise eher Sanierer von außen gefragt, die den Mut zu harten Schnitten haben?
Externe Chefs haben unserer Studie zufolge vor allem im ersten Jahr mehr Erfolg als interne. Auf Sechs-Jahres-Sicht gleicht sich das jedoch wieder aus. Natürlich gibt es Unternehmen, die sich externe Chefs als Sanierer suchen. Aber nach meiner persönlichen Erfahrung gibt es ein typisches Profil für einen CEO: Der klassische Chef ist Visionär, ist wachstumsorientiert, erschließt neue Märkte und reißt seine Mannschaft mit. Mit dem Profil eines reinen Sanierers hat das nicht viel zu tun.
Das mag für die Vergangenheit gegolten haben. Sind in der Zukunft nicht andere Fähigkeiten gefordert?
In Westeuropa ist die Krise erst in den beiden letzten Quartalen des laufenden Geschäftsjahres angekommen. Die Einschätzung der Aufsichtsräte, ob der amtierende CEO tatsächlich in der Lage ist, das Unternehmen auch in der Krise zu führen, wird sich also erst im Laufe dieses Jahres bestätigen - oder eben nicht.
Dann müssen viele CEOs gerade ihre Feuerprobe bestehen?
So ist es. Spannend wird sein, was in diesem Jahr passiert.
Glauben Sie, dass sich der Daumen der Aufsichtsräte am Ende des Jahres zu Ungunsten vieler CEOs senkt?
Bei Unternehmen, die an den Rand von Zahlungsschwierigkeiten oder in andere Extremsituationen geraten, kann ich mir einen Wechsel vorstellen. Insbesondere dort, wo Finanzinvestoren als Shareholder involviert sind, erwarte ich schnellere Wechsel. Investoren reagieren wesentlich schneller, wenn sich die Unternehmenszahlen zu ihren Ungunsten verändern.
Können Sie sich noch anderen Gründe für einen Rausschmiss vorstellen?
Es kommt in Zukunft wahrscheinlich häufiger vor, dass Kreditinstitute auf einen Wechsel beim Führungspersonal drängen. Wenn Banken über die Kreditseite stark bei einem Unternehmen engagiert sind, kann ich mir schon vorstellen, dass diese sagen: 'Wir möchten einen anderen Trainer sehen, weil wir sonst nicht glauben, dass die Mannschaft den Klassenerhalt schafft' - das ist nicht auszuschließen.
Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit gefragt
Rechnen Sie mit Neubesetzungen in deutschen Großkonzernen?
Ob sich dieser Prozess über die gesamt Breite der Industrie hinweg zieht - das vermag ich nicht zu sagen. In diesem Jahr ist die Bundestagswahl ein Sonderfaktor, der die Prognosen erschwert. Die Politik wird natürlich versuchen, Massenentlassungen zu vermeiden. Außerdem ist die Regierung über das Soffin und die Rettungsschirme gegenwärtig extrem in die Geschicke der Wirtschaft verstrickt. Insgesamt würde ich mich aber nicht wundern, wenn wir in diesem Jahr einen Anstieg der Wechselhäufigkeit sehen werden.
Der Staat hat als Geldgeber in der Not einen immer größeren Einfluss auf zahlreiche Unternehmen. Wird diese Macht bis in die oberste Führungsebene durchschlagen?
In den USA mussten diverse erfolglose CEOs nach staatlicher Intervention gehen. Dort verändern sich die Ansprüche an die Führungskräfte gerade enorm. Vor allem der angelsächsische Typ CEO mit einem Private-Equitiy-Hintergrund, der Unternehmen in kurzer Zeit auf Rendite getrimmt hat, ist gegenwärtig nicht so gefragt. Auch in Deutschland stoßen rein renditeorientierte Chefs auf zunehmendes Misstrauen. Die passen nicht in das gegenwärtige Umfeld.
Welche Eigenschaften sind stattdessen gefragt?
Gefragt sind Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit. Vor allem von CEOs, die staatlich abgesicherten Unternehmen vorstehen, wird eine Unternehmensführung unter diesen Vorzeichen erwartet. CEOs, die sich durch einen sozialverträglichen Umgang mit Gewerkschaften und Sozialpartnern ausgewiesen haben, werden es in einem Umfeld mit starkem staatlichen Einfluss leichter haben als solche, denen der Ruf eines harten Sanierers vorauseilt.
Die nachrückende CEO-Generation wird ihrer Studie zufolge immer jünger. Erleben wir einen Generationswechsel in der Deutschland AG?
Es gibt unterdessen einige große Dax-Unternehmen mit CEOs, die deutlich unter 50 sind. Egal ob Kasper Rorsted bei Henkel, René Obermann bei der Deutschen Telekom oder Martin Blessing bei der Commerzbank - diese Männer bringen einen neuen Führungsstil und neue strategische Ideen in die Konzerne. Die Deutschland AG ist ja schon seit sieben oder acht Jahren in Auflösung begriffen.
Haben sich durch die Globalisierung die Anforderungen an CEOs geändert?
Ich glaube, dass auch in Deutschland der Effekt der Globalisierung greift. Es werden CEOs gesucht, die mehr Erfahrung mit den internationalen Kapitalmärkten haben und die eine andere Geschwindigkeit mitbringen.
Ist neben einer höheren Frequenz auch mehr Härte gefragt?
Moderne CEOs müssen sich nach internationalen Spielregeln richten. Selbst wenn ihr Unternehmen vor allem in Deutschland aktiv ist - sobald sich unter den Geldgebern ein Institut vom Range der RBS oder Citibank befindet, muss sich ein CEO auf deren Regeln einstellen - egal, ob er das möchte oder nicht. Ich glaube, dass ein CEO heute schon etwas mehr Härte, aber eben auch Internationalität an den Tag legen muss, um nicht unterzugehen.
Dieser Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung von manager-magazin.de