Vorstellungsgespräch

Welche Lügen sind erlaubt und welche nicht?

23.11.2017 von Andrea König
Im Schnitt lügt ein Kandidat während eines 15-minütigen Jobinterviews 2,2 Mal. Während man auf fantasievolle Ausgestaltungen des Lebenslaufs verzichten sollte, gibt es Themen, bei denen man nicht bei der Wahrheit bleiben muss.
Manchmal muss man im Vorstellungsgespräch gar nicht flunkern.
Foto: racorn - shutterstock.com

In Bewerbungsgesprächen wird kräftig gelogen, zeigt eine Studie von Wissenschaftlern der US-Universität Massachusetts. Durchschnittlich sagen Bewerber innerhalb eines 15-minütigen Gesprächs 2,19 Mal die Unwahrheit. Waren die Jobbeschreibungen technischer, wurde sogar noch häufiger geschwindelt.

Die Lügen der Bewerber
Lügen im Lebenslauf
Papier ist geduldig, Personaler nicht. Wer seinen Lebenslauf frisiert, hat meist keine Chance auf den Job.
Auf den jungen Bill Gates ...
... sollte man sich lieber nicht beziehen, wenn man seine PC-Kenntnisse beweisen will. Ein Bewerber behauptete, er arbeite seit 1970 mit Microsoft Windows.
Internationalität ist bei Personalern gefragt
Wer aber behauptet, zwei verschiedene Praktika zur gleichen Zeit in zwei Ländern absolviert zu haben, hat schlechte Karten.
Der glücklichste Tag im Leben ...
... hat nichts in einer Bewerbung zu suchen. Entsprechend überrascht war ein Personaler, als er das Hochzeitsfoto des Bewerbes auf dem Lebenslauf sah.
Gefälschte Diplome ...
... gibt es wahrscheinlich genug. Wenn dann das gefälschte Zertifikat noch einen Rechtschreibfehler enthält, fliegt der Täter schnell auf.
Treffpunkt Aufzug
Personalmanager müssen nicht Aufzug fahren, um zu wissen, wer im Unternehmen arbeitet. Pech für den Bewerber, der fälschlicherweise angibt, in der Firma gearbeitet zu haben, in der zum selben Zeitraum auch der Personaler beschäftigt war.
Wer einmal im Gefängnis sitzt ...
... und nachher diese Zeit als "Stellensuche" deklariert, hat keine Chance auf einen Wiedereinstieg.

Robert McCauley von der Personalberatung Robert Half erläutert im Blog Secrets of the job hunt, warum Bewerber lieber bei der Wahrheit bleiben sollten. McCauley bezieht sich zwar auf die Bewerbungsunterlagen, doch was er schreibt, gilt genauso für Lebenslauflügen im Bewerbungsgespräch. Seine Gründe lauten:

Zum Video: Welche Lügen sind erlaubt und welche nicht?

  1. Lügen fliegen schnell auf: Recruiter sind mittlerweile stark für dieses Thema sensibilisiert und werden deshalb ganz genau darauf achten, ob ein Bewerber die Wahrheit sagt. Fallen ihnen im Lebenslauf oder während des Gesprächs Ungereimtheiten auf, kann es gut sein, dass sie im Netz oder bei ehemaligen Arbeitgebern nachforschen.

  2. Vielleicht übernimmt man sich: Bewirbt man sich denn wirklich für den richtigen Job, wenn man ihn nur mit einer Lüge bekommt, fragt McCauley. Wenn man seine Erfahrungen und Fähigkeiten aufplustern muss, um in Betracht gezogen zu werden, kann man dann alle Aufgaben meistern?

  3. Die Lüge verfolgt einen: Im Bewerbungsverfahren sind in der Regel nicht nur Recruiter, sondern auch der künftige Vorgesetzte mit dabei. Und der wird sich wahrscheinlich merken, was man ihm in den Auswahlgesprächen über einen erzählt hat. Man hört immer wieder Beispiele von Kündigungen, weil sich jemand Unwahrheiten in den Lebenslauf gedichtet hat. Wer bei der Wahrheit bleibt, kann entspannter in den neuen Job starten.

  4. Die Reputation kann Schaden nehmen: Eine aufgeflogene Lüge schadet der eigenen Glaubwürdigkeit und stellt die persönliche Integrität infrage. Das kratzt an der Reputation und kann einem sehr lange nachhängen - gerade in Zeiten des Internets.

Wann Bewerber lügen dürfen
Unzulässige Fragen im Bewerbungsgespräch ...
... muss man nicht wahrheitsgemäß beantworten.
Frage nach Vorstrafen
Die Frage ist unzulässig, außer die Vorstrafe ist von direkter Bedeutung für die Tätigkeit.
Frage nach dem Glauben
Auch hier darf man lügen. Ausnahme: Man bewirbt sich bei einem kirchlichen Arbeitgeber.
Frage nach Aids-Erkrankung
Fragen nach einer Aids-Infektion müssen dann beantwortet werden, wenn die Tätigkeit andere Menschen gefährden kann. Die Frage nach einer Aids-Erkrankung muss wahrheitsgemäß beantwortet werden.
Frage nach Parteizugehörigkeit
Auch hier muss nur geantwortet werden, wenn der Arbeitgeber ein Tendenzbetrieb ist, etwa eine Partei.
Frage nach Familienplanung
Auch die Frage nach der persönlichen Familienplanung ist unzulässig.
Frage nach Gewerkschaftszugehörigkeit
Hier gilt das gleiche wie bei der Konfession und der Parteizugehörigkeit. Wer sich nicht bei einem Tendenzbetrieb bewirbt, darf lügen.
Frage nach Lohnpfändungen und Vermögensverhältnissen
Diese Fragen sind unzulässig. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Bewerber sich auf eine Position mit umfangreichem Geldverkehr bewirbt.
Souverän antworten
Auf unzulässige Fragen lieber nicht "Das dürfen Sie nicht!" sagen. Besser gelassen und souverän reagieren, bei der Wahrheit muss man nicht bleiben.
Frage nach Schwangerschaft
So ist zum Beispiel die Frage nach einer Schwangerschaft unzulässig. Eine Ausnahme wäre es nur dann, wenn die Tätigkeit das Ungeborene schädigen könnte.

Doch nicht jede Lüge im Bewerbungsgespräch ist ein Vergehen - es gibt durchaus unzulässige Fragen in Vorstellungsgesprächen, die man nicht wahrheitsgemäß beantworten muss. Es kommt immer wieder vor, dass Kandidaten im Auswahlverfahren mit sehr privaten und intimen Fragen konfrontiert werden. Die folgende Zusammenstellung stammt aus dem Ratgeber Das überzeugende Bewerbungsgespräch für Hochschulabsolventen von Christian Püttjer und Uwe Schnierda:

Allerdings raten die Autoren davon ab, auf unzulässige Fragen mit einem schroffen "Das dürfen Sie mich nicht fragen!" oder gar mit einem Verweis auf die Gesetzeslage zu reagieren. Lieber sollte man sich im Vorfeld eine gelassene und souveräne Antwort überlegen. Die darf man ruhig fantasievoll gestalten, denn bei der Wahrheit muss man nicht bleiben.

Manchmal muss man aber auch gar nicht flunkern, sondern kann souverän antworten, ohne eine wirkliche Antwort zu geben. Wie das geht, zeigen die beiden Autoren in ihrem Beispiel auf die Frage danach, wen man wählen würde, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre. Ihr Antwortvorschlag: "Ich würde sicherlich eine Partei wählen, die mit ihrer Politik sowohl die Interessen der Wirtschaft als auch der Arbeitnehmer berücksichtigt." Wichtig sei es, schreiben sie, auch bei kritisch besetzten Fragen gelassen zu reagieren und überlegt zu antworten.