Sie dreht eine zierliche Pirouette auf den Zehenspitzen, er legt ein elegantes Solo aufs Parkett. Sie streckt graziös das Bein in die Luft, er reicht ihr galant den Arm. Sie lässt sich leidenschaftlich in das Pas de Deux fallen - er bleibt ganz sachlich. Sie, das ist Amy Purdy, eine US-amerikanische Snowboarderin mit Prothesen an den amputierten Unterschenkeln. Er ist der Kuka Roboter KR Quantec. Ihr gemeinsamer Tanz eröffnete die Paralympics in Rio 2016 - eine gigantische Publicity für das Augsburger Unternehmen.
Nicht ganz mithalten mit dieser Show konnte die Verleihung des Digital Leader Award vom Computerwoche-Magazin Ende Juni 2016 in Berlin. Aber auch hier stand Kuka im Rampenlicht. Das Unternehmen gewann den ersten Preis in der Kategorie "Empower People". Der Maschinenbauer hatte sich mit dem Projekt Xpert@work 3.0 - die mobile Wissensdatenbank" beworben.
Wie das Kürzel vermuten lässt, handelt es sich bei dem Projekt um die dritte Auflage. Schon 2011 hatte Kuka eine Wissensdatenbank entwickelt, die neue Version ist nun seit Januar 2016 am Start. "Hauptanforderung für die dritte Version waren die Verbesserung der Suchfunktion und der Bedienbarkeit", sagt Miklos Lörinczi-Karn, Head of Information Services bei Kuka. Von September 2014 bis Anfang 2016 feilte ein interdisziplinäres Team aus Kollegen von Kuka und Vertretern vom Dienstleister T3 aus Erlangen an der Wissensdatenbank. Außerdem kümmerte sich der Münchener Anbieter Ergosign um die Gestaltung der User Interface.
Die Idee zu diesem Projekt entstand aus der Praxis. Die Techniker beiKuka fingen an, sich abteilungsübergreifend über Probleme auszutauschen. Sie sprachen über ihre Arbeit, verglichen Erfahrungen und versuchten, Dinge einfacher zu machen. Weniger einfach gestaltete sich allerdings das Resultat dieses Austausches: eine Menge an Listen, Dokumenten und Notepad-Dateien sammelte sich an. Verfügbar war dieses Wissen nur lokal und für bestimmte Mitarbeiter.
"Der Ansporn war von Anfang an riesig"
Also entwickelte das Unternehmen 2011 Xpert@work. "Der Ansporn war von Anfang an riesig", erinnert sich Lörinczi-Karn. Mit viel Engagement fanden die Mitarbeiter "neue Tipps und Tricks". Sie formulierten Einträge für die Datenbank, "damit Kollegen in der ganzen Welt davon profitierten". Schnell gewann das Tool "immer mehr an Beliebtheit", wie der Manager sagt.
Als sich das Team an Xpert@work 3.0 setzte, hatte es mit einer Produktpalette zu tun, die mehr als 6.000 Artikel umfasst. Über all diese Teile existiert bei Kuka "ein großes, komplexes Beziehungswissen, das abgebildet werden musste", erklärt Lörinczi-Karn. Dabei unterscheiden sich die Arten der Information stark: ein Software-Programm kann als Download bereitstehen, für einen Roboter braucht der Techniker aber eine Ersatzteilansicht. Diese sollte interaktiv dargestellt und mit relevanten Arbeitsanweisungen verknüpft werden. Geprägt war die Arbeit des Projektteams immer von dem Leitgedanken, dass sich jeder Nutzer intuitiv zurechtfinden soll.
Auf technologischer Seite sollte es keine Beschränkungen geben, das heißt, die Wissensdatenbank sollte auf dem Smartphone ebenso gut funktionieren wie am stationären Rechner oder auf jedem anderen Endgerät. Die Anwender brauchen den Content je nach Bedarf als Text, Bild, Video, E-Learning oder Tutorial.
Das Team fragte die Anwender selbst
Was die Anwender überhaupt brauchen, ließ sich das Team von diesen selbst erklären. Internationale Umfragen innerhalb des Konzerns ermittelten Wünsche und Bedürfnisse. Außerdem führte das Team Usability-Tests mit Key Usern durch. Ein Kick-Off Meeting versammelte alle Abteilungsleiter aus den Stakeholderbereichen. Lörinczi-Karn spricht von "ständigen Feedback-Gebern" etwa aus den Bereichen Feldservice, Hotline und Second Level Support.
Um zu testen, wie gut das "Look and Feel" der dritten Version der Datenbank ankommt, schickte das Projekt-Team zwei Prototypen ins Rennen. "Das ausgearbeitete Interaktionskonzept kann künftig als Einleitung für einen weiterführenden Entwicklungsprozess für Xpert@work dienen", sagt Lörinczi-Karn.
Das Fazit aus bisheriger Sicht: Die Zahl der Datenbanknutzer hat sich nach den Worten von Lörinczi-Karn mehr als verdoppelt. Wie bisher arbeiten hauptsächlich Customer Support-User damit, zunehmend aber auch Kollegen aus den Abteilungen R&D, Vertrieb und Product Management. Neue Mitarbeiter können sich schneller einlernen, weil sie relevante Daten besser finden. Nicht alle Effekte von Xpert@work lassen sich in Zahlen darstellen, erklärt Lörinczi-Karn, doch er geht davon aus: "Das Projekt wird sich sehr schnell amortisieren."