Was die wirtschaftliche Entwicklung angeht, sind die Gartner-Analysten eher pessimistisch. Zum einen gebe es Bedenken, dass sich der Abschwung aus den Vereinigten Staaten auf andere Regionen ausbreite. Zum anderen verweisen die Marktbeobachter auf die Prognosen für das Wirtschaftswachstum in Deutschland. Einige Institute rechneten zwar noch immer damit, dass das Bruttosozialprodukt dieses Jahr um 1,7 Prozent steige. Allerdings habe der Internationale Währungsfonds unlängst seine Vorhersage für Deutschland von 1,5 auf 1,2 Prozent gesenkt.
Für Gartner ist die Entwicklung ein deutlicher Hinweis darauf, dass Firmen sich zunehmend Gedanken über mögliche Kosteneinsparungen machen werden. Davor würden auch die IT-Abteilungen nicht verschont bleiben. Als nächstliegende Antwort auf Kostendruck gilt dort das Verlagern von Dienstleistungen in Länder mit niedrigeren Löhnen, vor allem nach Indien.
Der Sub-Kontinent gilt bei deutschen Firmen als Lieblingszielland bei der Auslagerung von IT-Dienstleistungen. Laut einer Umfrage beschäftigen die Unternehmen durchschnittlich ein Viertel ihrer IT-Kräfte in Indien. Gezählt wurden dabei sowohl firmeneigene Niederlassungen als auch die Mitarbeiter externer Anbieter, die für ein deutsches Unternehmen tätig werden. Geografisch näher liegende Niedriglohnländer wie Tschechien oder Polen beheimaten hingegen nur ein Prozent der IT-Arbeitskräfte, auf die Organisationen aus der Bundesrepublik zugreifen.
Getrübt werde die Attraktivität des Offshoring-Landes Indien allerdings nicht selten durch kulturelle Unterschiede, Sprachprobleme oder unterschiedliche gesetzliche Bestimmungen. Dazu kommt Gartner zufolge noch eine weitere Herausforderung: die steigenden Löhne in Indien, gepaart mit dem steigenden Wert der Rupie.
Indische IT-Fachleute können derzeit jedes Jahr mit zehn bis 15 Prozent mehr Geld in der Lohntüte rechnen. Auf Dauer müssen sich deutsche Firmen deshalb Gartner zufolge berechtigterweise fragen, ob sich die angestrebten Einsparungen mit einer Auslagerung nach Indien noch erzielen lassen.
Verlagerung in Länder mit noch niedrigeren Löhnen
Einige IT-Dienstleister haben Gartner zufolge bereits Schritte unternommen, um die Auswirkungen der Lohnsteigerungen auf die Kosten ihrer Angebote abzumildern. Manche stecken zum Beispiel Geld in die Neugestaltung von Prozessen oder Mitarbeiterschulungen. Das soll helfen, unvermeidliche Preissteigerungen gegenüber dem Kunden besser zu rechtfertigen. Andere Anbieter verlagern Aufgaben in noch weniger entwickelte Staaten, in denen die Löhne niedriger sind. Eine weitere Methode ist es, anspruchsvollere Dienste ins eigene Portfolio aufzunehmen, für die auch höhere Gebühren verlangt werden können.
Wer IT-Aufgaben nach Indien auslagert, muss sich Gartner zufolge allerdings nicht darauf einstellen, dass die Lohnsteigerungsquote voll auf die Kosten für einen Offshoring-Deal durchschlägt. Vor allem bei größeren Verträgen mit langer Laufzeit, bei denen jährliche Zahlungen fällig sind, gebe es Steigerungen zwischen drei und fünf Prozent. Bei kleineren Projekten müsse allerdings mit höheren Teuerungsraten gerechnet werden.
Verträge nachverhandeln
Unter Umständen könne es ratsam sein, abgeschlossene Verträge nachzuverhandeln oder einzelne Bedingungen zu ändern. Dabei sollte ein Einkäufer aus Sicht der Analysten darauf achten, dass die Kosteneinsparungen möglichst hoch ausfallen und gleichzeitig hohe Service Levels bestehen bleiben. Ratsam sei es dabei, stets offen und fair mit dem Dienstleister zu verhandeln. Auf lange Sicht ist es Gartner zufolge nämlich nicht ratsam, zu sehr an der Kostenschraube zu drehen. Dies gefährde möglicherweise die Qualität der eingekauften Dienstleistungen.
Best Practices in Verträge aufzunehmen, könne ein probates Mittel sein, Kostenvorteile und die Qualität der IT-Leistungen auf einen Nenner zu bringen. Statt sich nur auf Indien zu konzentrieren, sollten sich auslagernde Firmen überlegen, Dienstleistungen aus mehreren Ländern einzukaufen.
Wer Verträge mit mehreren Jahren Laufzeit abschließt, muss jedenfalls darauf gefasst sein, dass der Anbieter Klauseln darin unterbringen will, die jährliche Preissteigerungen zwischen drei und fünf Prozent erlauben. Wirklich ernste Folgen könnte der teurer werdende Einkauf von IT-Services in Indien haben, wenn der wirtschaftliche Abschwung auf Dauer anhält. Die Gartner-Analysten entwerfen für diesen Fall ein Szenario, in dem mit massiven Einschnitten bei den IT-Budgets in Firmen gerechnet werden muss. Projekte, die nicht für unbedingt notwendig gehalten werden, würden in diesem Fall auf unbestimmte Zeit vertagt oder ganz gestrichen. Zudem werde ein aggressiver Sturm auf Offshore-Ziele einsetzen. Allerdings: Für wie wahrscheinlich sie diese Entwicklung halten, schreiben die Beobachter von Gartner nicht.
Der Bericht von Gartner trägt den Titel "German Perspective: In a Potential Economic Downturn, 'Offshoring' IT Services Can Cut Costs". Die Prognosen bauen auf aktuellen Marktdaten und anderen Gartner-Untersuchungen auf.