Vorschlag zu Minderungsrecht

Weniger zahlen bei schlechtem Handynetz?

13.06.2024
In Handytarifen wird ein maximaler Übertragungsspeed versprochen, der von der Alltagserfahrung von Verbrauchern aber häufig stark abweicht. Ein Rechtsanspruch soll Abhilfe schaffen.
Top-Vertrag, aber schlechter Empfang? Die Bundesnetzagentur macht einen Vorschlag zum Minderungsrecht.
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Deutschlands Handynutzer sollen künftig weniger Geld zahlen müssen, wenn ihre Datenverbindung viel schlechter ist als vertraglich vorgesehen. Die Bundesnetzagentur veröffentlichte am Mittwoch einen Vorschlag zum sogenannten Minderungsrecht. Das ist zwar schon seit 2021 gesetzlich verankert, bisher aber nicht nutzbar. Erst jetzt legt der Regulierer eine Definition auf den Tisch, wann genau der Rechtsanspruch wegen der schlechten Leistung greift. Nun können Marktteilnehmer Stellung beziehen, danach werden die Vorgaben festgelegt.

"Wir wollen das Mobilfunk-Minderungsrecht bis Ende des Jahres über die Bühne gebracht haben - das ist das Ziel", sagte Bundesnetzagentur Klaus Müller der dpa. "Mit dem geplanten Messtool werden Verbraucherinnen und Verbraucher prüfen und nachweisen können, ob die Qualität im Mobilfunk dem entspricht, was im Vertrag vereinbart worden ist."

Künftiger Anspruch auf Minderung

Telekommunikationsanbieter müssen in ihren Mobilfunktarifen einen geschätzten Maximalwert für die Datenübertragung angeben. Wenn ein Handynutzer auf dem Land immer wieder weniger als zehn Prozent davon bekommt, soll er künftig Anspruch auf Minderung haben - wie hoch die genau ist, muss er mit seinem Provider klären und notfalls vor Gericht ziehen. In Gebieten mit mittlerer Bevölkerungsdichte liegt die Schwelle bei 15 Prozent und in Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte bei 25 Prozent. Die Prozentwerte wirken niedrig, manchem Verbraucher könnten sie dennoch helfen: Enthält sein Tarif etwa einen geschätzten Download-Maximalwert von 300 Megabit pro Sekunde, so müssten auf dem Land immerhin 30 Mbit erreicht werden - was für die meisten Anwendungen ausreicht.

Allerdings muss der Handynutzer Zeit investieren, um den Rechtsanspruch schwarz auf weiß bescheinigt zu bekommen: Er muss insgesamt 30 Messungen an fünf verschiedenen Tagen durchführen. An drei Tagen muss mindestens einmal diese Schwelle erreicht werden - tut sie das nicht, dann hat der Verbraucher Anspruch auf Preisminderung oder auf außerordentliche Kündigung, dann gibt es aus Sicht der Behörde die "erheblichen, kontinuierlichen oder regelmäßig wiederkehrenden Abweichungen bei der Geschwindigkeit zwischen der tatsächlichen Leistung der Internetzugangsdienste und der vom Anbieter angegebenen Leistung", die den Anspruch im Telekommunikationsrecht begründen.

Kritik aus Telekommunikationsbranche

Die Telekommunikationsanbieter reagierten verschnupft auf die Pläne der Behörde. An einigen Punkten seien Nachbesserungen dringend erforderlich, erklärte der Geschäftsführer des Branchenverbandes VATM, Frederic Ufer. "Wir halten die Anzahl der insgesamt 30 Messungen für zu niedrig, da die schwankenden Auslastungen in Mobilfunknetzen ebenso erfasst werden müssen wie Wettereinflüsse und weitere örtliche Gegebenheiten."

Die Messungen sollen laut Bundesnetzagentur im Freien stattfinden - hierauf soll der Nutzer in der App hingewiesen werden. Schummeln ist hierbei möglich, ohne dass die App das präzise erkennt - ein Verbraucher könnte also in den Keller gehen, wo der Empfang besonders schlecht ist. "Die Erfassung des Standortes während der Messung ist immer noch viel zu ungenau", moniert Branchenvertreter Ufer. "Eine genaue Positionierung des mobilen Endgerätes zum Zeitpunkt der Messung und die Prüfung, ob die Messung im Freien stattfindet, sind technisch kein Problem und sollte daher auch im Messtool darstellbar sein." Ein "rechtssicheres Messverfahren" sei für Mobilfunkanbieter und Kunden gleichermaßen wichtig, sagte Ufer und bat die Bundesnetzagentur um eine "ausgewogene Lösung".

Ein zahnloser Tiger?

Während Branchenvertreter mit dem Kopf schüttelten, war das Unbehagen unter Verbraucherschützern mindestens ebenso groß - das allerdings aus gänzlich anderen Beweggründen: Sie hielten die Vorgaben für viel zu lasch. "Dass nur jede zehnte Messung oberhalb der ohnehin geringen Schwelle liegen muss, ist viel zu wenig", sagte Felix Flosbach von der Verbraucherzentrale NRW. Alles in allem sei das "ein zahnloser Tiger".

Nach seiner Auffassung werden vor allem preisbewusste Verbraucher im Regen stehen gelassen: Recht günstige Tarife enthielten häufig Maximalgeschwindigkeiten von 25 bis 50 Megabit pro Sekunde. "Wenn die Anbieter, wie geplant, davon teilweise nur noch zehn Prozent liefern müssen, kommt beim Endkunden fast nichts mehr an und darüber hinaus gibt es keine rechtlichen Möglichkeiten."

Minderungsrecht im Festnetz

Im Festnetz ist das Minderungsrecht über breitbandmessung.de bereits aktiviert, es wird bislang aber nur wenig genutzt. Warum die Zahlen abgeschlossener Messungen in diesem Bereich niedrig sind, ist unklar. Verbraucherschützer sehen auch im Festnetz eine Diskrepanz zwischen vertraglich zugesicherter Leistung und der Wirklichkeit, halten die Messvorgaben aber für restriktiv für Nutzer. So muss bei den 30 Festnetz-Tests ein Lan-Kabel verwendet werden, was für viele Menschen, die daheim mit Laptop oder Tablet im WLAN sind, etwas umständlich ist. Die Anbieter wiederum führen die niedrigen Zahlen darauf zurück, dass die Internetqualität gut ist und es daher kaum Anlass gibt für die Nutzung des Messtools.

Auf die Frage, ob das Mobilfunk-Messtool ähnlich schwach genutzt werden könnte wie sein Festnetz-Pendant, sagte Bundesnetzagentur-Chef Müller, Tests mit einer Smartphone-App seien einfacher als Tests am Laptop mit Lan-Kabel. "Die meisten Menschen greifen ohnehin häufig am Tag zu ihrem Smartphone - es wäre für sie also unkompliziert, die nötigen App-Tests für das Mobilfunk-Minderungsrecht durchzuführen." (dpa/rs)