Herr Rausch, was sind die aktuell dringendsten Aufgaben für die Bank-IT?
Rausch: Die Lösung des scheinbaren Konfliktes Standardisierung versus Flexibilität. Die Erkenntnis, dass Standardisierung gerade in Zeiten knapper Budgets sinnvoll ist, setzt sich erst langsam durch. Dabei vereinfachen Standardplattformen das Geschäft der Banken, wenn man die wachsenden Anforderungen bezüglich Regulierungen, Effizienz oder Mehrwert für die Kunden ansieht.
Was bremst Standardisierung?
Rausch: Banken blicken auf Anwendungslandschaften, die über Jahre gewachsen sind. Sie müssen heute aber in Prozesse und Produkte investieren, mit denen sie sich am Markt differenzieren können, statt das Geld in der Anpassung von Standardprozessen zu verbrauchen. Da ist ein Paradigmen-Wechsel bei den IT-Entscheidern nötig.
Wie beurteilen Sie insgesamt die Zusammenarbeit zwischen IT und Business in der Bank-Branche?
Rausch: (lacht) Wir haben fast zuviel IT-Wissen in den Banken. Da kommen Sachbearbeiter daher und erklären den IT-lern, wie sie was zu programmieren haben. Was wir brauchen, sind Übersetzer zwischen den Welten. Das heißt, wir brauchen Leute, die das relevante Bankfachwissen aus den Mitarbeitern herausholen und es in eine IT-Sprache übersetzen.
In welcher Form kann das geschehen?
Rausch: Am Besten ist es natürlich, wenn die IT-ler diese Fähigkeit von vornherein mitbringen. Aber solche Leute sind selten. Manche Banken haben daher eigene Teams gegründet, die als Schnittstelle zwischen IT und Fachabteilungen geschaltet sind. Das funktioniert oft gut.
Welchen längerfristigen Trend sehen Sie bei der Standardisierung in Deutschland?
Rausch: Zum Beispiel bei der Wertpapierabwicklung. Da gibt es derzeit immer noch mehrere Systeme. Ich halte es für denkbar, dass sich in fünf bis zehn Jahren ein Standard durchgesetzt hat. Dann können Spezialbanken die Wertpapierabwicklung für andere Geldinstitute übernehmen. In der Schweiz beobachten wir, dass die Banken den Eigenanwender-Status zunehmend aufgeben. Die Programmierer klinken sich stärker in Geschäftsprozesse ein.
Gilt das für alle Banken?
Rausch: Jedenfalls für die Kantonalbanken. Als Dienstleister entwickeln wir Standard-Software gemeinsam mit den Banken, so dass die Anforderungen der jeweiligen Kunden einfließen. Das funktioniert in der Schweiz und Liechtenstein sehr gut und ich denke, das ist auch eine gute Perspektive für deutsche Banken.
"Hätten in den USA Regularien gegolten wie in Europa, wäre die Krise weniger schlimm ausgefallen"
In der Finanzkrise ruft die Politik gern nach mehr Regularien bei den Banken. Wie ist Ihre Antwort darauf?
Rausch: Die Abläufe in den Banken sind sehr genau geregelt, sie müssen bereits heute umfangreiche Compliance-Anforderungen beachten. Diese Regularien haben durchaus einen Sinn, sind aber für die Banken und auch für uns mit erheblichem Aufwand verbunden.
Welcher Nutzen steht diesem Aufwand gegenüber?
Rausch: Das ist schwer zu beziffern. Aber ich bin davon überzeugt, dass die jetzige Krise weniger schlimm ausgefallen wäre, wenn in den USA ähnliche Regularien gegolten hätten wie in Europa.
Klaus Rausch war Vorstandsvorsitzender der HypoVereinsbank Information Services und hat zum Jahreswechsel als Chief Technical Officer (CTO) beim Schweizer Unternehmen Avaloq angefangen. Avaloq bietet Kernbankensysteme an und ist nach eigenen Angaben Marktführer in der Schweiz.