Die Frauen an der Bar schäumen literweise Milch für Kaffeegetränke auf, die gepolsterten Sitzmöbel sind nach Gusto verschiebbar. Und überhaupt gilt hier in der Lounge "Homebase" - wenige Schritte vom Potsdamer Platz in Berlin entfernt - das "Gesetz der zwei Beine". Die Gruppen mischen sich ständig, alles scheint im Fluss. Die mit Anzug und Krawatte seien die Entscheider, die anderen die "Digital Natives", heißt es.
Willms Buhse hat als Veranstalter noch eine goldene Regel parat: "Immer da hingehen, wo die meiste Energie ist", rät der Executive Director der Core Media AG. Und tatsächlich reden sich getreu dieser Losung auf diesem eintägigen Generationengipfel die Manager und die "jungen Wilden" die Köpfe heiß - die Blogger und Chatter in Jeans und Kapuzenpullis naturgemäß leidenschaftlicher als die Chefs in den Zweireihern.
Was übrig bleibt von dem "DNAdigital Open Space", bringt am Ende Paul Schwefer auf den Punkt. "Die Herausforderung ist, das methodische Wissen der Jungen und das inhaltliche Wissen der Älteren zusammenzubringen", sagt der Group CIO der Continental AG.
Rebellisch, fordernd und elitär
Die Digital Natives treten so rebellisch, fordernd und elitär auf, wie man es von Jugendbewegungen kennt. Anders als die 1968er wollen sie aber nicht den Kapitalismus stürzen, sondern das Unternehmen von morgen mitgestalten. Das soll kreativer, flexibler, durchlässiger und weniger hierarchisch ticken als die heutigen. Kommuniziert wird in Wikis, Blogs und Social Networks, die Zukunft heißt Enterprise 2.0.
Digital Natives sind in der Regel Anfang bis Mitte 20 und aufgewachsen mit Computer, Internet und Handy. Das Copyright auf den Begriff beansprucht der Berater und Spieleentwickler Marc Prensky und liefert gleich noch eine Parole mit: Ihr Wissen habe sich die neue Generation nicht in der Schule angeeignet, sondern beim Zocken am Computer.
Die Alten, die in der digitalen Welt fremdeln, sind die "Digital Immigrants". Oder auch nicht. "Ich bin gegen solche Schubladen", sagt ein 26-jähriger Informatiker draußen beim Rauchen. Und dann rattert er eine Reihe von Sätzen herunter, die alle mit "Ich will nicht" oder "Ich will" beginnen. Er will Freiräume, kreative Teamarbeit und Bezahlung nach Ideen. Er will keine starren Arbeitszeiten, Stechuhren und Chefs, die sich auf Lorbeeren von anno dazumal ausruhen.
Für die Natives ist der Dialog mit den Entscheidern eine willkommene Chance, für ihre Überzeugungen und Ideen zu werben. Und viele Manager scheinen sehr offen für die Botschaften der jungen Wilden. Gegen Mittag schaut Uwe Scariot, Senior Vice President der Materna GmbH, nachdenklich auf die Pinnwand mit den Ideen der Teilnehmer. Auf den Kärtchen stehen Satzfetzen wie "24h Workflow möglich" oder "Wissen ist Macht vs. Information Sharing". Einer hat geschrieben "Soziale Prozesse wichtiger als Tools". Und so in etwa lautet auch der Kern dessen, was Scariot von der Gruppenarbeit mit den Natives mitnimmt. "Ihnen geht es vor allem um eine Philosophie und nicht um Tools", sagt er. Scariot hört den Anregungen der Jungen auch deshalb zu, weil das Treffen ein bisschen Rekrutierungsbörse ist: "Wir wollen solche Mitarbeiter, wir brauchen Kreativität." Auch er grüble darüber, wie Kollegen verschiedener Altersgruppen mit digitalen Mitteln besser miteinander kommunizieren könnten.
Vertrauen in unverbrauchte Köpfe
Unternehmensphilosophisches Überthema der Digital Natives ist die Frage von Vertrauen oder Kontrolle. Nicht zufällig widmet sich gleich der erste von insgesamt 14 Workshops diesem Thema. Nach Ansicht der Jungspunde sollten die Firmen mehr Vertrauen in unverbrauchte Köpfe haben und die Angst vor Kontrollverlust über Bord werfen. In überschaubaren Firmen klappt es mit flachen Hierarchien, digitalen Tools und selbst gesteuerten Arbeitsprozessen gewiss gut. Aber es sind auch Entscheider aus internationalen Großkonzernen anwesend, die aus guten Gründen nicht auf jede mit Verve vorgetragene Idee der Digital Natives begeistert anspringen.
Achim Berg, der Deutschland-Chef von Microsoft, hört geduldig den Gedanken der Arbeitsgruppe zur Produktverbesserung zu. Die jungen Leute haben sich intensiv damit beschäftigt, wie auch große Unternehmen mittels Internet und intelligenter Software das Feedback der Kunden nutzbringend in Entscheidungen integrieren könnten. Offener und für Kritik empfänglicher Dialog mit der Internet-Community - und schon wären Service und Produkte blitzschnell optimiert.
Doch Berg schüttelt plötzlich den Kopf. Erfahrungsgemäß ist nur ein Bruchteil der Endkunden-Ideen aus unternehmensstrategischer Sicht nützlich. Dennoch gewinnt er den Gesprächen mit den klugen Köpfen der jungen Generation etwas ab. Solche direkten Zusammentreffen seien durch nichts zu ersetzen, meint er.
Es zeigt sich eine ausgeprägte Neugier auf beiden Seiten. Sie ist gleich beim Kennenlerngespräch zwischen je einem Manager und einem Digital Native zu spüren. Da erzählt der Personalmanager eines Konzerns dem jungen "Web 2.0 Evangelist" lebhaft von Fortschritten und Widerständen in seinem Hause. Das Mentorenprogramm, das ein junger Mann vom IT-Start-up anregt, gebe es bereits: Frisch von der Uni kommende Mitarbeiter führten Spitzenmanager in die Welt der Wikis und Blogs ein. Er würde das gerne auf eine breitere Basis stellen, sagt der Schlipsträger. Sein CIO sei da auch bei ihm, aber bei anderen Herren im Vorstand dauere die Überzeugungsarbeit leider etwas länger.
Manager in der Welt der Wikis
Das Gegenüber in Sweatshirt und Jeans reagiert mit unerwarteten Gegenfragen. Was der Entscheider denn von einem Index halte, der die digitalen Aktivitäten von Unternehmen bewerte und vergleiche? Und ob sein Unternehmen denn gewillt sei, die Mitgliedschaft in Internet-Communities zu bezahlen? Über diese Fragen muss der Ältere noch ein wenig nachdenken. Aber die Idee, junge Mitarbeiter als Mentoren für digitales Wissen einzusetzen, scheint ihm vielversprechend.
Profitieren können die Unternehmen gewiss vom Elan und von den Fertigkeiten der Digital Natives, die so schnell zu reden und zu denken scheinen, wie im Computerspiel geschossen wird. Mit ihren Ideen stellen sie so manche Verkrustungen mit Recht in Frage.
Die ab und an noch durchscheinende Naivität der abschließenden Referate ist immerhin ein tröstlicher Beleg für Schwefers These: Ohne die inhaltliche Kompetenz geht es doch nicht so leicht.