Für eine Stellensuche war es die ungünstigste Zeit", erinnert sich Bodo Deutschmann, heute CIO beim Fahrzeuginterieur-Hersteller Eissmann Automotive. Als er im November 2009 bei Kögel Fahrzeugwerke ausschied, weil dort nach der Insolvenz die IT-Abteilung aufgelöst wurde, herrschte Krise. Viele CIOs waren auf der Suche und drängten sich um wenige freie Stellen. Einmal bewarb sich Deutschmann über einen Headhunter, der die CIO-Position bei einem Mittelständler ausgeschrieben hatte: "Es gab insgesamt 200 Bewerber, ich kam unter die sieben, die zum Gespräch eingeladen wurden."
Mühsame Stellensuche
Auch die anderen gängigen Wege der Stellensuche erwiesen sich als verstopft - oder als leer. "Der Stellenmarkt in Zeitungen und Jobbörsen hat mir nichts gebracht", sagt Deutschmann. CIOs mit breiter Orientierung würden dort kaum gesucht, eher schon IT-Leiter für die harte Technik. Über die Portale Xing und LinkedIn bekam er "null Komma null passende Angebote". Bei mehreren Vermittlern ließ er sich als Interims-Manager registrieren. Auch hier war die Resonanz zunächst mager.
Dass er einen Interims-Auftrag von Eissmann Automotive bekam, bezeichnet Deutschmann heute als "reine Glückssache". Nach ein paar Wochen wurde ihm dann die feste CIO-Position angeboten. In dieser Phase hatte er noch vier weitere Anfragen als Interims-Manager.
Mittlerweile habe sich die Lage für CIOs, die wechseln wollen oder müssen, wesentlich entspannt. Es sei jetzt eher für die Unternehmen schwierig, einen Wunschkandidaten anzulocken: "Besonders gefragt sind momentan CIOs für wachsende Unternehmen, die ihre sonstigen Prozesse mit der IT verbinden wollen."
Auf dem Weg zur Gründung?
Wolfgang Gößwein denkt daran, eine eigene Firma zu gründen: Er prüft "Optionen für eine unternehmerische Tätigkeit außerhalb der reinen CIO-Funktion". Die Suche nach einer festen Stelle hält er nach wie vor für nicht einfach. Viele CIOs, auch erfolgreiche, die er persönlich gut kenne, seien gleichzeitig auf dem Markt, und zwar unter anderem, weil sie das getan hätten, was offiziell von ihnen erwartet werde: "Zahlreiche Unternehmen suchen keine rein technischen IT-Chefs, sondern strategische IT-Leiter mit starkem wirtschaftlichem Fokus. Wenn diese Leute dann aber tatsächlich so wie gewünscht arbeiten, stoßen sie an Grenzen, weil sie gezwungen sind, den Fachbereichsleitern in die Suppe zu spucken."
Über die Stellenanzeige eines Headhunters kam Gößwein im Januar 2007 als Bereichsleiter IT zum Sanitärgroßhändler Richter und Frenzel. Nachdem er auf ein Inserat der MHM Holding geantwortet hatte, begann er dort im September 2009 als Global Head of IT. Persönliche Kontakte führten ihn im November 2010 als Leiter IT zum medizinischen Diagnosedienstleister Amedes, wo er im kommenden April aussteigen wird.
Statistisch muss ein CIO mit einer solchen Phase rechnen: Von 100 CIOs sind 15 seit weniger als einem Jahr in ihrem Job, 24 ein bis zwei Jahre und 18 drei bis vier Jahre. Das hat die Society for Information Management errechnet. Weil andere lange bleiben, beträgt die durchschnittliche Verweildauer laut einer Studie von CIO.com immerhin 5,3 Jahre.
Gößwein ist auch an Interims-Management interessiert, aber nicht mit allen Vermittlern zufrieden: "Teilweise sollte ich für die bloße Listung eine Gebühr bezahlen, wozu ich nie bereit wäre." Wer dauerhaft als Interims-Manager arbeiten wolle, müsse auch eigenes Marketing betreiben.
Für alles offen
Ulrich Kistner hält Interims-Management für strategisch wertvoll und hofft, dass es in Deutschland irgendwann so systematisch betrieben wird wie in einigen anderen europäischen Ländern: "Wenn es zum Beispiel heißt: Wir haben 100 Leute in der IT, andere kommen mit 50 aus, dann wird ein Interims-Manager geholt, um alle Prozesse knallhart auf den Prüfstand zu stellen. Ein fest angestellter CIO würde sich dabei überall die Finger verbrennen. Wenn aber nach dem Interims-Manager und seinen unpopulären Entscheidungen der neue feste CIO kommt, sagen alle: Gott sei Dank, dass Sie da sind." Mit Fragen wie "Was halten Sie von unserem IT-Chef, sollen wir ihn ersetzen?", müsse ein Interims-Manager rechnen, deshalb eigneten sich nur sehr erfahrene und gestandene IT-Verantwortliche für diese Rolle.
Kistner hat lange als Interims-Manager und selbständiger Berater gearbeitet, aber auch angestellt als Geschäftsführer IT und als CIO, Letzteres bis Ende 2011 beim Dübelhersteller Fischer. Solche Wechsel gehören für ihn zum Berufsbild: Auftraggeber werden immer wieder versuchen, einen erfolgreichen Interims-Manager fest ins Unternehmen zu holen. Dass der Umworbene, wenn er sich hat breitschlagen lassen, auch fest im Sattel sitzt, ist aber alles andere als sicher.
Auf besonders attraktive Positionen wird ein CIO laut Kistner selten von anderen CIOs empfohlen, die Kollegen bewerben sich dort lieber selber. Entlassene CIOs kommen jedoch häufig bei Kunden und Lieferanten unter, zu denen sie fair gewesen sind: "Man sieht sich oft zweimal im Leben."
Was aber, wenn im Bewerbungsgespräch nach einem dunklen Punkt gefragt wird? Ulrich Kistner empfiehlt, dann eine nicht nur plausible, sondern auch wahre Antwort parat zu haben: "Ehrlichkeit, Ehrlichkeit. Es kommt sowieso raus."
"Der Druck war in den letzten Jahren immer hoch"
Ist das Berufsbild Führungskraft überhaupt attraktiv? Wir fragten die Münchner Karriereberaterin Madeleine Leitner.
Lohnt es sich für Führungskräfte, Stellenanzeigen zu lesen?
Madeleine Leitner: Gelegentlich werden auch Toppositionen ausgeschrieben. Oft besetzen Unternehmen solche Stellen aber anders, zum Beispiel über Personalberater. Sie gehen davon aus, dass erfolgreiche Führungskräfte in der Regel keine Zeit haben, sich intensiv mit dem Stellenmarkt zu beschäftigen und dann noch Bewerbungen zu schreiben.
Ist Chef sein überhaupt attraktiv?
Leitner: Der Druck, unter dem Führungskräfte stehen, war in den letzten Jahren immer hoch, die Erwartungen, unter denen sie berufen werden, sind oft unrealistisch. Außerdem wurden nach und nach alle Reservepuffer eingespart. Dazu kam die Positiv-Denk-Psychologie nach dem Motto: Höher, schöner, weiter - man muss nur anders denken, dann geht noch mehr. Ein Ergebnis ist eine Welle bekennender Burnout-Opfer.
Ist dieser Verschleiß nicht zu teuer?
Leitner: Firmen fragen jetzt öfter, wie sie ihre Mitarbeiter gesund halten können, und die junge Generation lässt sich nicht mehr so verheizen. Ein Sinneswandel ist also nicht ausgeschlossen.
Trotz des Jugendwahns?
Leitner: Die IT gilt als schnell brennende Szene, in der man relativ früh zum alten Eisen zählt. Trotzdem kenne ich dort sehr erfahrene Führungskräfte, die auf der Suche sind und mir glaubhaft versichern, sie seien gefragt.
Wem empfehlen Sie, sich selbständig zu machen?
Leitner: In Deutschland haben viele Menschen Angst vor der Selbständigkeit. Sie hat aber auch viele Vorteile, vor allem für Leute, die in Organisationen anecken oder die nicht gerne politisch agieren. Nicht jeder Selbständige muss sich zum Rockefeller entwickeln, sondern er kann auch in Projekten tätig sein oder als freier Mitarbeiter. Grundsätzlich empfehle ich jedem Stellensuchenden seit vielen Jahren, eine selbständige Variante im Hinterkopf zu behalten, da man heute nie weiß, wie es weitergeht.
Diskrete Kontakte
"Bisher habe ich noch keinen erlebt, der ernsthaft gesagt hat: Ich will mich verändern, und es dann nicht binnen eines Jahres geschafft hätte", sagt Henning Stams. Der CIO des Frankfurter Aluminiumkonzerns Almatis bezieht sich auf die Liste von wechselwilligen CIOs und IT-Leitern, die er für den CIO-Circle pflegt. Mitglieder des Zirkels, die sich beruflich verändern wollen, können Stams das mitteilen. Er leitet ihnen dann per E-Mail die Anfragen von Personalberatern weiter, mit denen der CIO-Circle in dieser Sache zusammenarbeitet. Diskretion wird dabei großgeschrieben: Nur Stams kennt die Liste, die in keinem Netz gespeichert ist und auf keinem Server liegt. Die Mails verschickt er als Blindkopie, so dass kein Adressat die Namen der anderen Empfänger sieht. Wer an einer Stelle interessiert ist, nimmt selbst Kontakt mit dem Personalberater auf.
Durchschnittlich 50 bis 70 von den ungefähr 1000 Mitgliedern des CIO-Circle sind bei Stams registriert. Zehn bis 15 von ihnen reagieren auf das Angebot eines Personalers, zwei bis drei stellt der dann seinem Kunden vor. "Klasse statt Masse" nennt Stams das. "Mit ziemlicher Sicherheit" wird er seinen Service auch für den neuen Interessenverband Voice weiterführen, zu dem sich CIO-Circle, CIOcolloquium und CIOforum zusammengeschlossen haben. Interessenten können sich unter henning.stams@cio-circle.org melden.
Coaching vom Amt
Eigentlich bringt die Management-Vermittlung der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) Führungskräfte in feste Stellen. Für Interessenten, die lieber ein eigenes Unternehmen wollen, hat die ZAV aber das Programm "Phoenix" eingerichtet. Es besteht aus zwei Seminarwochen. In der ersten geht es um alles, was Gründer, Unternehmenskäufer oder Franchise-Nehmer wissen sollten. Einen Monat später im zweiten Seminar sollen die Teilnehmer ihre Ideen, Konzepte oder auch fertige Business-Pläne vorstellen. Daran wird dann in kleinen Gruppen gearbeitet, die je zwei Trainer betreuen.
Wer an Phoenix teilnehmen will, muss arbeitslos oder arbeitsuchend gemeldet sein. Weitere Bedingungen sind mindestens dreijährige Führungserfahrung und bundesweite Mobilität. Den Einstiegstest für Phoenix besteht etwa jeder zweite Teilnehmer. Er gibt aber nicht allein den Ausschlag. Über die Aufnahme in das Programm entscheidet auch ein Gespräch mit einem Gründungsberater.
Ansprechpartner sind die Berater der ZAV und die lokalen Agenturen für Arbeit. Wer sich nach der Teilnahme an Phoenix selbständig macht, kann einen Gründungszuschuss bekommen, wenn er die Voraussetzungen erfüllt. Der Zuschuss ist seit der Neuregelung vom 28. Dezember 2011 aber nur eine Ermessensleistung. (Computerwoche)