"Wollen Sie ihn eher stark und mit wenig Wasser?", fragt Bernd Laudahn, während er mit einer Wischbewegung auf dem iPad das Menü öffnet. "Mild bitte, mit wenig Wasser." Laudahn zieht zwei virtuelle Regler, drückt auf O.K., und der Vollautomat am Ende des Raums beginnt, den Kaffee zu mahlen. Laudahn, bei Philips für den Bereich Consumer Lifestyle in Deutschland, Österreich und der Schweiz zuständig, strahlt: "Das hat was, oder?"
Mag sein - aber ob man das wirklich braucht, auch die Frage stellt sich. Laudahn hat sie erwartet. "Klar, es sieht auf den ersten Blick aus wie eine Spielerei. Aber ich bin mir sicher, dass wir damit den Geschmack vieler Kunden treffen", sagt er und fügt hinzu: "Kochen ist in. Und eine gut ausgestattete Küche ist heute ein Statussymbol wie einst das Auto."
Sowieso ist die über Bluetooth mit dem iPad vernetzte Kaffeemaschine, die Philips kürzlich erst auf der Ifa in Berlin vorgestellt hat, weitaus mehr als nur ein pfiffiges Produkt. Sie symbolisiert das neue Philips. Der niederländische Elektronikkonzern mit seinem immer noch deutsch klingenden Namen ist dabei, sich neu zu erfinden.
Frans van Houten, seit 2011 an der Spitze des Unternehmens, will die Traditionsmarke radikal umbauen. Dabei verfolgt er eine andere Strategie als die Rivalen General Electric und Siemens, die sich weitgehend aus dem Konsumentengeschäft verabschiedet haben. "Wir glauben, dass es möglich ist, Alltagsprodukte durch intelligente Technologien sexy zu machen", sagt Laudahn. Vernetzung spielt dabei eine große Rolle. "Wir arbeiten am Internet der Dinge, wie andere auch. Aber wir beginnen da, wo der Nutzer sofort einen Mehrwert erkennt", sagt Laudahn. Ein Haushaltsgerät einfach nur ins Internet hängen, weil es möglich ist - das ist nicht das Ding von Philips.
Experten wie Jürgen Morath, Technologieexperte des Beratungs- und Dienstleistungsunternehmens Accenture, bekräftigen diesen Ansatz: "Smart Home bedeutet nicht, dass der Kühlschrank mit der Kaffeemaschine kommunizieren muss. Chancen gibt es nur dort, wo der Kunde einen wirklichen Mehrwert erkennt", sagt er. "Das kann eine Ersparnis in puncto Zeit oder Geld sein oder ein Komfortgewinn."
Wie zum Beispiel bei der neuen Kaffeemaschine. Das Gerät selbst, das von der Philips-Tochter Saeco kommt, hat mehr als 6.000 Einstellungsmöglichkeiten. Die alle über die Knöpfe am recht kleinen Automaten zu steuern ist mühsam. Das iPad und die passende App sorgen hier für den nötigen Komfort - und sie bieten durchaus sinnvolle Features.
Eine Zahnbürste die Speichelproben analysiert?
So kann man nach einem Essen mit Freunden das iPad herumreichen, und jeder tippt seinen Kaffeeewunsch in den Rechner. Die Maschine arbeitet die Liste dann ab. Und die Produktentwickler von Philips basteln schon an weiteren Ideen. So will das Unternehmen von den Tchibo-Barista eine Liste erstellen lassen, welche Bohnen mit welchen Einstellungen gut zur Maschine passen. Diese Tipps kann man sich über die App holen. "Wir schaffen damit eine Community und steigern die Markentreue", ist Laudahn überzeugt. Irgendwann soll die Maschine wirklich ins Internet gehen, um etwa den Wartungsservice zu bestellen.
Es sind die Konsumenten, die das Philips-Management um van Houten bei seiner Strategie in den Mittelpunkt stellt. Das gilt selbst dort, wo der Umsatz bislang fast ausschließlich mit Geschäftskunden erzielt wird, wie etwa im Gesundheitsbereich. Hier beliefert Philips vorrangig Kliniken und Ärzte mit seinen Produkten. Doch das soll sich Stück für Stück ändern. "Schwerpunkte in der Konsumsparte sind ganz klar die Themen Health und Licht", beschreibt Laudahn das Vorgehen.
So kursieren zum Beispiel Spekulationen, dass Philips an einer Zahnbürste arbeitet, die nicht nur putzt, sondern gleichzeitig auch die Körpertemperatur misst und Speichelproben analysiert. "Wir kommentieren solche Gerüchte nicht", sagt Laudahn mit einem Grinsen im Gesicht.
Passen würde ein solches Produkt freilich perfekt zur Neuausrichtung. Schon heute bietet der Konzern zum Beispiel eine spezielle Lampe mit blauen LEDs für die Bestrahlung bei Schmerz an. Anders als Rotlicht, das nur bis auf die Haut kommt, schaffen es die Lichtwellen der blauen LEDs auch durch die Haut bis zum eigentlichen Schmerzherd.
Die Babyphones der Tochter Avent wiederum, die es seit einiger Zeit mit einer Kamera zur Übertragung aus dem Kinderzimmer auf das Smartphone gibt, könnten zusätzlich optisch die Atmung des Kindes überwachen. Kommt es zu Störungen, wird Alarm gegeben. Technisch ist das heute schon machbar, wie die Philips-App Vital Signs Camera belegt. Dort hält man die Kamera des Smartphones vor sein Gesicht und den oberen Teil der Brust. Die Software analysiert dann aus dem Heben und Senken des Brustkorbs den Herzschlag und die Atemfrequenz - überraschend genau, wie Nutzer berichten.
Viel stärker als bisher sollen sich künftig die drei Sparten Consumer Lifestyle, Gesundheit und Licht gegenseitig befruchten. "Wir sind der Marktführer bei Ultraschallgeräten. Wer, wenn nicht wir, könnte daraus ganz neue Services für werdende Eltern entwickeln?", nennt Laudahn ein weiteres Beispiel.
Für den Philips-Manager jedenfalls steht fest: Commodity, also leicht zu ersetzende Massenware, wird Philips künftig auf keinen Fall mehr entwickeln. "Wer bei mir von Commodity spricht, der darf das Haus gleich wieder verlassen." (Handelsblatt)