Die Idee war geboren, doch das Geld hat gefehlt. Zehntausende Euro brauchten die Geschwister Natascha und Aleksandar Stojanovic für ein Geschäftsmodell, das fast nur aus Luft bestehen sollte: Die jungen Gründer aus Stuttgart wollten ein Möbel aus Kunstschaumstoff bauen, das ultraleicht und wahlweise als Regal, Hocker oder Tisch einsetzbar ist. Die Finanzierung holten sich die Jungunternehmer am Ende nicht bei der Bank, sondern per Schwarmfinanzierung - neudeutsch Crowdfunding - im Internet.
"Crowdfunding hat enorme Wachstumsraten", sagt René Klein vom Frankfurter Beratungsunternehmen Für-Gründer.de. Mehr als fünf Millionen Euro wurden 2013 auf deutschen Plattformen eingesammelt. Und der Boom geht weiter: Im ersten Quartal 2014 hat der Schwarm in Deutschland 199 Projekte mit insgesamt 1,2 Millionen Euro finanziert - ein Anstieg um 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Immer mehr junge Gründer nutzen diese Möglichkeit - und auch die Geschwister Stojanovic profitierten davon: Privatleute aus dem Netz schossen ihnen nach einem Aufruf auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo die nötige Summe vor, indem sie die superleichten Möbel ihres Unternehmens Movisi vorbestellten. So konnten die Jungunternehmer die Produktion finanzieren. 5000 Exemplare haben sie seitdem in die Welt verschickt. "Das ist erst der Anfang. Es kommen immer mehr Abnehmer dazu", sagt die 37-jährige Firmenchefin.
Das Netzphänomen Crowdfunding macht die Finanzierung von Projekten und Firmen unabhängig von Banken oder Fonds. Der digitale Klingelbeutel wird auf Internetseiten wie kickstarter.com oder startnext.de herumgereicht. Seit 2011 - als sich die Schwarmfinanzierung im Netz verbreitete - kamen in Deutschland Klein zufolge bisher rund zehn Millionen Euro zusammen.
"Selbständige haben in ihrer Gründungsphase häufig Schwierigkeiten, einen klassischen Kredit zu bekommen", sagt Thomas Dapp von der Deutschen Bank. Aufgrund ihrer oftmals geringen nachgefragten Kreditvolumina, meist unter 30 000 Euro, unzureichenden Sicherheiten und ungewissen künftigen Mittelzuflüssen, seien sie vor allem für risikoaverse Geldgeber nicht attraktiv.
Für die Finanzierung der Geschäftsidee stehen Start-ups zwar eine immer größere Anzahl an Quellen der Finanzierung zur Auswahl. Neben der Eigenkapitalfinanzierung böten spezielle Förderkredite vielen Start-ups attraktive Konditionen, sagt Experte Klein. Doch habe 2013 in Deutschland gerade mal jeder fünfte Gründer eine solche externe Finanzierung in Anspruch genommen. Viele Gründer unterschätzen ihren Kapitalbedarf, so Klein. Stattdessen benutzen sie eigene Mittel, Rücklagen und Gespartes.
Das Finanzierungsvolumen von Venture Capital hat laut Bundesverband Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) in den vergangenen Jahren kontinuierlich abgenommen: Es sank von rund 1,3 Milliarden Euro im Jahr 2005 auf 674 Millionen im Jahr 2013. Diese Entwicklung liefere dem Crowdfunding eine Nischenberechtigung, sagt Dapp.
"Aus Sicht potenzieller Gründer ist die unzureichende Versorgung mit Finanzierungsmitteln gerade in der frühen Phase der Unternehmung ein zentrales volkswirtschaftliches Problem", heißt es in einer Studie der Deutschen Bank. Crowdfunding könne diese Finanzierungslücke schließen und werde sich bei höheren Volumina im Markt etablieren.
Doch nicht immer sei Crowdfunding eine geeignete Alternative. Suche ein Start-up neben Kapital auch operative Unterstützung - beispielsweise für eine Expansion ins Ausland - so sei es bei einem Venture-Capital-Unternehmen besser aufgehoben, meint Experte Klein. So wird die Investition bezeichnet, die unter Verlustrisiko zur Finanzierung einer Firma eingesetzt wird.
Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert das renditeorientierte Crowdinvesting. Dabei handele es sich um ein "Wagniskapital" - mit dem Unterschied, dass das Geld nicht von einigen spezialisierten Investoren kommt, sondern von einer großen Zahl an Kleinanlegern, erklärt Klein. Anders als bei der klassischen Variante bekommen sie ihr Geld aber nicht mehr zurück, falls die benötigte Summe nicht erreicht wird. "Nicht jeder gründet das neue Facebook", warnt Klein. Und nicht jede Idee wird im Netz zum Selbstläufer. (dpa/rs)