„SAP ist kein Problem“, erklärt Rainer Schucker, Projektleiter Archivierung bei dem Handelskonzern. Für Daten, die durch das Walldorfer System laufen, gibt es eine eigene GdPDU-Anwendung, die Prüfer können hier per Zugriffsberechtigung direkt im System arbeiten.
Anders verhält es sich mit den zahlreichen anderen Systemen aus denen täglich Daten anfallen, und die ebenfalls von den Finanzbehörden geprüft werden. Seit Januar 2002 gelten im deutschen Steuerrecht die "Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen“ (GDPdU). Für die Firmen bedeutet das, sämtliche relevanten Daten in maschinell auswertbarer Form zur Verfügung zu stellen.
"Dabei geht es allerdings nicht um Belege oder andere Geschäftsdokumente, sondern um die reinen Rohdaten“, erläutert Schucker. Bei dem Mühlheimer Unternehmen betrifft das unter anderem Informationen aus den Lagern, aus den Filialen von Kaiser’s, Tengelmann und Plus sowie aus den Geschäftsbeziehungen mit Lieferanten. Wichtig sind hier die sogenannten Kassendaten, nicht die in der Buchhaltung gesammelten Belege - "das wäre ein Fall für ein Dokumenten-Managementsystem“.
Sämtliche benötigten Daten werden bei der Tengelmann Handelsgesellschaft, genauer, bei den Filialen der einzelnen Sparten, mit einer Vielzahl von Anwendungen auf allen nur denkbaren Hardware-Plattformen erzeugt. Dazu gehört ein Siemens-Großrechner ebenso wie verschiedene Unix- und Linux-Systeme oder Windows-Server. Auch das Spektrum der Datenbanken, die die Informationen speichern, ist bunt.
Software-Hersteller vergessen herkömmliche Formate
Die Verantwortlichen suchten daher nach einer Lösung, mit der Daten so aufbereitet und zusammengeführt werden können, dass sie bei der Betriebsprüfung schnell in elektronischer Form zur Verfügung stehen. Gerade die Unterstützung verschiedener Datenformate für den nötigen Import stellte sich bei der Suche nach dem passenden System als Hemmschuh heraus. Schucker ist überrascht: "EDI beispielsweise ist ein weit verbreitetes Format, trotzdem berücksichtigen es viele Hersteller nicht.“ Entweder es gab schlechte oder gar keine EDI-Converter, so ein Ergebnis die Suche. Schucker entschied sich schließlich für die Anwendung "Opti.List" des GDPDU-Spezialisten hsp. Die Anwendung basiert auf der Technologie des Herstellers Progress Software.
An der Umsetzung waren vier interne und zwei externe Entwickler beteiligt. Der Projektaufwand belief sich auf eineinhalb Mannjahre. Opt.List selbst war innerhalb kurzer Zeit betriebsbereit installiert. Die Applikation läuft heute im Batchbetrieb auf einem Server (Intel-Xeon-Single-CPU, vier GB Hauptspeicher) unter Windows 2003 Server. Die eigentliche Datenerhaltung erfolgt in einem Storage Area Network. Dieses ist vom Platz her auf zunächst zehn Jahre ausgelegt. Bis 2012 kommt Tengelmann daher mit den vorhandenen Speicherkapazitäten aus. Aktuell beträgt das archivierte Datenvolumen pro Jahr zirka 110 GByte, wobei die Daten um den Faktor 0,25 komprimiert werden. Als sich die Storagesysteme nach und nach gefüllt hatten, wurde die Applikation auch noch einmal von der internen Revision geprüft und damit offiziell "abgesegnet.“
Rückwirkend bis zum Jahr 2002, denn ab diesem Jahr müssen die Informationen für eine GDPdU-Steuerprüfung vorliegen, konsolidiert die Tengelmann Warenhandelsgesellschaft die Daten in einem auswertbaren Archiv. Für die jetzt eingesetzte Anwendung spielt es keine Rolle, ob die steuerrelevanten Daten aus Drucklisten (Textdateien oder PDFs), Datenbanken oder Dateien importiert werden müssen. Die zur Archivierung anstehenden Daten werden von den entsprechenden Ausgangsystemen auf den GDPdU-Server transferiert.
Mit der neuen Lösung erfüllt der Handelskonzern seine Archivierungspflicht so wie das Finanzamt es vorsieht: Alle Kasseneinzelbuchungen aus den Filialen werden dem geforderten Beschreibungsstandard entsprechend abgelegt. Dabei handelt es sich um eine Empfehlung des Bundesfinanzministeriums. Anlässlich der Betriebsprüfung kann der Finanzbeamte die Daten, die ihm das Unternehmen per CD-ROM oder DVD zur Verfügung stellt, dann problemlos in seine IDEA-Prüfsoftware einlesen. IDEA (Interaktive Daten-Extraktion und -Analyse) von Audicon ist die offizielle Prüfsoftware zur PC-gestützten Datenprüfung und -analyse. Das Tool arbeitet auf der Grundlage eines XML-Beschreibungsformats, das von Unternehmen eingesetzt werden kann, um die Auswertbarkeit des Datenarchivs durch IDEA sicherzustellen. So kann die Prüfung so effizient wie möglich durchgeführt werden.
"Wir haben mit der Applikation eine gute Wahl getroffen“, ist sich Schucker sicher. Von bösen Überraschungen blieben die Projektverantwortlichen verschont. Weder der geplante Zeitrahmen platzte noch tauchten irgendwelche Kapazitäts- oder Performance-Probleme auf. Die Applikation als solche läuft an sechs Tagen in der Woche völlig selbständig im Batchbetrieb. Ein FTP-Server nimmt die Datenströme am späten Abend entgegen und leitet sie an die GDPdU-Applikation weiter. Die eigentliche Archivierung erfolgt dann in den frühen Morgenstunden des darauf folgenden Tages. Abhängig vom jeweiligen Datenvolumen beansprucht dieser Prozess zwischen drei und vier Stunden.