Überdurchschnittlich viele psychosomatische Probleme

Wenn der Traumjob krank macht

16.07.2008 von Alexander Galdy
Chronische Müdigkeit, Nervosität, Schlafstörungen und Magenbeschwerden - IT-Kräfte in Software- Entwicklungs- und Beratungsprojekten leiden bis zu viermal so häufig unter psychosomatischen Beschwerden wie der Durchschnitt der Beschäftigten in Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommen mehrere Studien, die das Rhein-Rhur-Institut für Sozialforschung und Politikberatung (RISP) zusammengestellt hat.
Die Zahlen der IT-Branche sind alarmierend. Der Gebrauch von Antidepressiva und Psychopharmaka liegt deutlich über dem Durchschnitt.
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Demnach zeigen zwei Fünftel der Befragten eine Zunahme chronischer Erschöpfung, einem Frühindikator für Burnout. Rund ein Drittel hat Probleme, sich zu erholen. Der Gebrauch von Antidepressiva liegt bei IT-Beschäftigten um 60 Prozent höher als im Durchschnitt. Bei Psychopharmaka liegt die Einnahme um 91 Prozent höher als im Durchschnitt.

Das RISP hat mögliche Gründe für die Zunahme gesundheitlicher Probleme in der IT-Branche zusammengestellt:

Projektarbeit

Ein Problem für die Gesundheit ist offensichtlich die Arbeitsform Projektarbeit. ITler arbeiten meist an mehreren parallel laufenden Projekten. Dabei kommt es zu widersprüchlichen Arbeitsanforderungen, die sie als belastend erleben.

Kleinteilige Arbeit

IT-Arbeit hat sich gewandelt: sie wird immer kleinteiliger. IT-Kräfte haben häufig nur noch mit bestimmten Modulen und nicht mehr wie früher mit übergreifenden Prozessen zu tun. Das Ganze ist in der Regel nicht mehr Aufgabe der Arbeitsprozesse. Standardisierung und Ökonomisierung stehen im Gegensatz zur beruflichen Identität der IT-Experten.

Belastung durch Management-Konzepte

Für IT-Beschäftigte wird es immer schwieriger, Ziele selbstverantwortlich zu erreichen. Den Fachkräften wird Verantwortung zugewiesen, ohne dass sie die nötigen Ressourcen für eine Handlungsfähigkeit bekommen. Die Verlagerung von Verantwortung auf die Mitarbeiter führt zu dem Paradox, dass die Mitarbeiter zwar wissen, dass sie die Ziele nicht erreichen können, sie aber dennoch dafür verantwortlich sind. So entsteht eine hausgemachte Überforderung.

Keine Identifikation

Die Identifikation der Mitarbeiter mit den Arbeitsinhalten trifft nun auf die Notwendigkeit, möglichst effizient und kostengünstig zu produzieren. Vertrauensbeziehungen werden zunehmend unterminiert und das Gefühl der Gemeinschaft geht verloren. Gleichzeitig verabschiedet man sich immer mehr von flachen Hierarchien.

Angst vor Arbeitslosigkeit

Früher galten IT-Arbeitsplätze als sicher. Genau wie in anderen Branchen müssen sich Beschäftigte heute um ihre Arbeitsplätze sorgen. ITler erleben Personalabbau und Verlagerungen. Genau wie Arbeitslosigkeit ist die Angst vor ihr ein belastender Faktor.

Zwang zur Weiterbildung

IT-Fachkräfte unterliegen einem besonderen und permanenten Fortbildungsdruck. Dabei wird Weiterbildung immer nötiger, findet aber immer weniger organisiert statt. Mitarbeiter müssen sich immer öfter in ihrer Freizeit individuell weiterbilden, wenn sie nicht ihre Beschäftigungsfähigkeit aufs Spiel setzen wollen.

Noch härter ist das bei Freelancern. Fast jeder neunte Freiberufler in der IT-Branche sieht sich gezwungen, sich oft oder immer in der Freizeit fortzubilden. Bei den Angestellten variieren die Zahlen zwischen 51 und 31 Prozent.

Ungesunder Lebensstil

Auch wenn der Nerd, der nächtelang mit Cola und Pizza vor dem Bildschirm sitzt, ein Mythos ist, enthält das Bild vom ITler ein Körnchen Wahrheit. Laut einer Umfrage des IT-Herstellers Synstar gaben über vier Fünftel von 700 IT-Verantwortlichen an, schlecht zu schlafen, weil sie sich um ihren Arbeitsplatz sorgen. Jeder Dritte hat Angst, seine Aufgaben nicht bewältigen zu können. Zwei Drittel ernähren sich von Fertigprodukten, um Zeit zu sparen. Jeder Fünfte lässt aus Zeitgründen den Termin im Fitness-Studio regelmäßig ausfallen.

Das RISP hat seine Erkenntnisse im Arbeitspapier "IT-Gesundheit" veröffentlicht.