Steigende Nachfrage nach Mikrokrediten

Wenn Gründern das Geld fehlt

10.07.2014
Jungunternehmer brauchen nicht nur eine gute Idee, sondern Startkapital. Daran mangelt es oft - und manche Bank tut sich schwer mit Kleinkrediten. Förderinstitute springen in die Bresche.

"Home Staging" - das hört sich erstmal nicht nach einer lukrativen Geschäftsidee an. Die Wahl-Frankfurterin Rieke Rauert musste denn auch kräftig für ihre Geschäftsidee werben, zum Verkauf stehende Wohnungen und Häuser aufzupeppen. Die Sachbearbeiter der WIBank, Hessens Förderinstitut, ließen sich überzeugen und gewährten der Jungunternehmerin einen Kleinkredit über 7000 Euro.

7000 Euro - viel Geld für eine Existenzgründerin wie Rauert, Peanuts für eine klassische Bank. Viele Anbieter vergeben so kleine Kredite erst gar nicht, weil es sich für sie nicht rechnet. Zudem müssen Banken schärfere Auflagen erfüllen und achten mehr auf Kreditrisiken - "das spüren Unternehmen mit unsicherem Markterfolg und mithin höherem Kreditrisiko", wie der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in seinem "Gründerreport 2014" feststellt.

"Finanzierungsfragen sind für die meisten Gründer ein Riesenthema", sagt Ulrich Spengler, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Kassel-Marburg. Der DIHK-Report schließt aus Befragungen, "dass viele gute Ideen aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten nicht umgesetzt werden."

Die Lücke füllen oft Förderinstitute mit Sonderprogrammen für Kleinstkredite. Seit November 2013 vergibt die hessische WIBank Mikrokredite: Kleinunternehmer können ohne Hausbank bis zu 15 000 Euro erhalten. Bislang wurden nach Angaben einer Sprecherin 77 Anträge mit einem Volumen von rund 975 000 Euro gestellt. Bewilligt wurden davon 33 Anträge mit einem Gesamtvolumen von 375 000 Euro.

"Ich hätte die 7000 Euro auch als Eigenkapital gehabt, aber dann wären meine Sicherheiten aufgebraucht gewesen", schildert Home-Stagerin Rauert. "Der Mikrokredit der WIBank gibt mir mehr Sicherheit und Flexibilität - gerade bei größeren Aufträgen." Sofas und Betten, Vasen und Lampen - bis zu fünf Wohnungen gleichzeitig kann die 30-Jährige inzwischen nach eigenen Angaben ausstatten.

Förderbanken in anderen Bundesländern haben vergleichbare Angebote für Existenzgründer. Die Bundesregierung legte Ende 2009 einen Mikrokreditfonds mit 100 Millionen Euro Volumen auf. Nach Angaben der Bochumer Öko-Bank GLS, die diesen Fonds verwaltet, wurden seit Programmstart bis Ende des ersten Quartals 2014 insgesamt 17 522 Mikrokredite über durchschnittlich 6000 Euro vergeben - vor allem in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.

"Insgesamt sind mehr Mikrokredite in Anspruch genommen worden als zunächst erwartet", erklärte GLS-Sprecher Christof Lützel. "Ein Weg, ein selbsttragendes System zu entwickeln, das ohne öffentliche Mittel auskommt, konnte allerdings bisher nicht gefunden werden." Hinzu kämen schärfere Regeln für Banken. "Aus diesen Gründen wird die GLS Bank ihr Mikrofinanzangebot nach dem Auslaufen der finanziellen Unterstützung des Bundes im Dezember 2014 einstellen."

IHK-Experte Spengler meint: "Diese Förderprogramme sind von der Idee her sehr positiv, gerade bei kleineren Krediten gab es eine gewisse Lücke." Allerdings bergen Mikrokreditangebote aus seiner Sicht auch Probleme: "Gerade bei ganz kleinen Gründern ist die Idee oft nicht ganz ausgereift, der Businessplan noch nicht zu Ende gedacht. Wer größere Summen investiert, plant das in der Regel genauer."

Nach IHK-Schätzungen ist etwa jeder dritter Gründer drei Jahre nach Geschäftsstart nicht mehr am Markt - wegen wackliger Finanzierung, unrealistischen Umsatzerwartungen oder unklarer Zielgruppe.

Eine Agentur für Triathlon-Events, ein junger Stage- und Tourmanager für Musikgruppen, eine Frau, die einen Trend wie "Home Staging" aus den USA und Skandinavien in Frankfurt etablieren will - die meisten Hausbanken würden solche Ideen wohl nicht mit Krediten unterstützen. Die hessische WIBank hat es getan. Rieke Rauert hat vor knapp einem Jahr den ersten Schritt in die Selbstständigkeit gewagt, mittlerweile werfe ihre Agentur Room N° 1 genug zum Leben ab, sagt sie. (dpa/rs)