Für seine Digitalisierungsinitiative wurde Ralf Werner von Open Grid Europe zum CIO des Jahres gekürt. Zu Recht, wie sein Vortrag in Hamburg bewies.
Digitale Transformation in der Energiebranche? Das ist nicht leicht und kam beim Gastransporteur OGE (Open Grid Europe) erst mit dem zweiten Anlauf ins Rollen. 2016 hatte man vier Projekte am Start, die allesamt nach der Ideation-Phase scheiterten. "Wir haben damals unser Scheitern akzeptiert, uns 2018 eine neue IT- und Digitalstrategie verpasst und sind ab dann nach dem Motto 'think big, start small' vorgegangen", blickte ein entspannter CIO Ralf Werner auf den Hamburger IT-Strategietage zurück.
Tanker ohne Ladung, Segelboote mit MVPs
Ralf Werner setzte die digitale Transformation seines Unternehmens mit einer Seereise auf dem Ozean der Energiebranche gleich: "Mit einem Tanker aus konservativen Strukturen und einer auf Sicherheit beruhenden Kultur versuchten wir, in See zu stechen." Knapp fünf Jahre später ist der Tanker in See gestochen, erstmal ohne Ladung, denn diese war über kleine leichte Segelboote verteilt, die als Beiboote den Tanker auf dem digitalen Kurs hielten.
Ein Grund, warum die digitale Reise beim zweiten Mal nicht abgebrochen werden musste, war die Besatzung der Segelboote. Zum einen waren sie interdisziplinär, das heißt Softwareentwickler arbeiten mit Designern, Data Analysten, aber auch mit Mitarbeiter aus den Fachbereichen Hand in Hand an Minimum Viable Products (MVPs). Die Mitarbeiter aus den Fachbereichen konnten sich für den Einsatz auf den Segelboten per Video bewerben.
CIO Werner ist noch heute sichtlich stolz, dass er aus jedem der 14 Fachbereiche des Unternehmens eine tolle Bewerbung erhielt. Zusammen mit der RWTH Aachen vermittelte man ihnen über sechs bis acht Wochen lang das nötige digitale Wissen, das diese als "Digital Experts" und Multiplikatoren in ihre Fachbereiche mitnehmen und dort verproben konnten. "So haben wir unsere Digitalisierung in die Fläche bekommen", resümiert Werner.
Daneben war auch der Blick über den Tellerrand für die OGE ein wichtiger Erfolgsfaktor auf der digitalen Reise. Neben der RWTH Aachen arbeitete man mit Studenten, Absolventen, mit Startups und dem Digital Campus Zollverein in Essen zusammen, in dem sich auch große Arbeitgeber der Region wie Thyssenkrupp, RAG oder Haniel engagieren.
Verdichter-Station erst im 3D-Modell
Die Bandbreite der verprobten Technologien ist groß. So hat OGE Blockchain-Anwendungen getestet, aber auch den möglichen Einsatz von Augmented und Virtual Reality. Insbesondere die AR- und VR-Anwendungen sieht Werner als zukunftsträchtig und sehr hilfreich an. So lassen sich die Verdichter-Stationen mit den riesigen Gasturbinen maßstabsgetreu in AR planen, was vielen nutzt: "Die eigenen Planungsleute können durch die 3D-Anlage laufen, bevor sie gebaut wird. Dank des 3D-Modelles können wir mit den Bürgern in die Diskussion kommen und ihnen Ängste nehmen." Schließlich sind die Verdichterstationen in Hallen untergebracht, die bis zu 30 Metern hoch sind. AR und VR spart auch Zeit in der Ausbildung. Mit einem echten Schweißgerät können die Auszubildenden virtuelle Nähte ziehen.
KI zeigt Störungen an Pipeline auf
Auch für Künstliche Intelligenz haben die digitalen Teams beim Gastransporteur Einsatzfelder gesucht und gefunden. Ein Beispiel ist die Steuerung des 12.000 Kilometer langen Gasnetzes. "Das ist wie eine Badewanne mit sehr vielen Zuflüssen", beschrieb Werner. Da die Pipelines mit Sensorik ausgestattet sind, ist die KI-Anwendung in der Lage, echte von künstlichen Störungen herauszufiltern. In der Vergangenheit dauert es mitunter jahrelang, bis auffiel, dass "ein Bagger eine Pipeline angekratzt hat".
Die digitale Reise ist für Ralf Werner noch lange nicht beendet. Das Zukunftsziel, nicht mehr Gas, sondern eines Tages Wasserstoff und Biogas, also grüne Stoffe, durch die Leitungen zu transportieren, könne auch nur mit den passenden Technologien erreicht werden. "Wir versuchen, mit MVPs neue Technologien in unser Gasgeschäft reinzubringen, um sie in Zukunft auch im Bereich Wasserstoff nutzen zu können", so Werner. Eine Wasserstoff-App, die alle Produzenten, Konsumenten und Tankstellen in Deutschland anzeigt, hat sein digitales Team schon als MVP gebaut.
Die wichtigsten CIOs der deutschen Energiebranche
Damian Bunyan Damian Bunyan ist seit Januar 2016 CIO der E.ON-Abspaltung Uniper in Düsseldorf. In dem Unternehmen werden die E.ON-Bereiche konventionelle Stromerzeugung, Energiehandel und Exploration & Produktion gebündelt. Von 2006 bis 2013 war Bunyan Mitglied der Geschäftsführung des E.on Business Services.
Sebastian Weber Seit 1. Juli verantwortet Sebastian Weber als CTO bei Eon den IT-Betrieb. Er soll auch die digitalen Plattformen des Konzerns ausbauen. Zudem hat er gemeinsam mit Christopher d'Arcy in einer Doppelspitze die Geschäftsführung der IT-Tochter Eon Digital Technology GmbH übernommen. Beide berichten direkt an Digitalvorständin Victoria Ossadnik.
Martin Hölz Ab 1. April 2020 wird Martin Hölz CIO der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) mit Sitz in Karlsruhe. Er löst Frank Krickel ab, der seit Juni 2017 die Position des Leiter der Funktionaleinheit Informationstechnologie (C-TI) innehatte und das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlässt.
Philip Lübcke Philip Lübcke ist seit September 2019 Geschäftsbereichsleiter IT der TEAG Thüringer Energie. Er berichtet an den Vorstand Personal und IT Wolfgang Rampf. Zuvor war Lübcke sechseinhalb Jahre lang CIO der Frankfurter Mainova AG. Insgesamt brint er 15 Jahre Erfahrung aus der Energiebranche mit.
Jan-Wilm Buschkamp Jan-Wilm Buschkamp ist seit August 2019 Bereichsleiter IT der Mainova AG. Seitdem hat das Team um den CIO mit „hybrIT2023“ ein IT-Transformationsprogramm erarbeitet, um den Frankfurter Energieversorger zukunftsfähig zu machen. Ziel des Programms ist es unter anderem, mehr Wert zu generieren, das Unternehmen lean und agil aufzustellen sowie Prozesse end-to-end zu gestalten.
Oliver Herzog Zum 1. September 2023 übernimmt Oliver Herzog den CIO-Posten bei der Thüga. Seine Vorgängerin Annette Suckert scheidet altersbedingt aus dem Unternehmen aus.
Thorsten Steiling Thorsten Steiling ist seit Februar 2019 CIO Oerlikon Group & Managing Director Oerlikon IT Solutions AG. Er berichtet an Boris von Bieberstein, Head of Group Business Services. Zuvor war Steiling von September 2017 bis Januar 2019 CIO/Head of Corporate IT beim Automobilzulieferer Veritas AG in Gelnhausen.
Marcus Schaper Marcus Schaper ist CIO bei der neuen RWE-Tochter Innogy. Er kommt von der Mutter RWE. Er war zuvor Head of IT bei der RWE Supply & Trading. Schaper hat an der WWU Münster Wirtschaftsinformatik studiert und war seit dem Jahr 2000 bei McKinsey. Zu RWE kam er im April 2010. Bis zum Börsengang der neuen RWE-Tochter fungierte Schaper als CIO für beide Konzernteile, seitdem ist er CIO der neuen Tochtergesellschaft. Übergreifende IT-Aufgaben in der RWE AG werden derzeit von Winfried Bröring wahrgenommen.
Jan Leitermann Seit Juni 2017 ist Jan Leitermann Group CIO beim österreichischen Öl- und Erdgaskonzern OMV in Wien. Leitermann war zuvor Managing Director und Board Member beim Beratungsunternehmen Accenture AG Schweiz.
Jürgen Skirde Jürgen Skirde ist CIO der RAG. Gleichzeitig hat er die operativ ausgerichtete Funktion des IT-Leiters inne. Im Konzern arbeitet der Diplom-Ingenieur schon seit 1985 - zunächst zehn Jahre auf Bergwerken, seither im IT-Management. Unter anderem leitete er SAP-Einführungsprojekte, von 2004 bis 2011 war er für die Infrastruktur verantwortlich.
Jan-Hendrik Semkat Seit November 2017 ist Jan-Hendrik Semkat neuer Bereichsleiter Innovations- & IT-Management bei Natgas. Der gebürtige Oldenburger war mehrere Jahre in den Bereichen Softwareentwicklung, Projektmanagement und Beratung in der Energiewirtschaft tätig. Zuletzt war er Geschäftsführer der SIV Utility Services.
Jörg Ochs Jörg Ochs (51) hat am 2. September die Leitung der Informationstechnologie der Stadtwerke München (SWM) übernommen. Er berichtet an den technischen Geschäftsführer der SWM Helge-Uve Braun. Ochs ist bereits seit 2017 Geschäftsführer der SWM Infrastruktur GmbH, der SWM Infrastruktur Region GmbH und der RegioNetzMünchen GmbH. Insgesamt ist er bei der SWM seit 2003 beschäftigt, unter anderem als Senior-Manager IT-Security, Leiter IT-Security und Datacenter/Infrastruktur und als Leiter Telekommunikation bei der SWM Services GmbH.
Michael Seiferth Im Oktober 2021 hat Michael Seiferth die Geschäftsführung der N-Ergie IT übernommen. Vorgänger Klaus Vogl hat das Unternehmen verlassen.
Sebastian Träger Seit April 2024 leitet Sebastian Träger die IT des Energieversorgers Enercity. Er soll unter anderem das ERP-System modernisieren.