Führen nach dem Ampelprinzip

Wer Chef werden will, muss grün ticken

15.11.2012 von Kristin Schmidt
Grün macht den Weg frei ins Top-Management, rot bremst die Aufstiegschancen: Unilever fördert mit einem Ampelsystem Talente im Unternehmen. Die Bewertung der Leistung wird transparenter, doch Skeptiker sehen Risiken.

Zum dritten Mal hintereinander schaffte es die junge Managerin in den grünen Bereich der Bewertungsmatrix. Als eine Direktorenstelle in ihrer Abteilung bei Unilever frei wurde, war klar, sie bekommt den Job. Die Diskussion zwischen Personalabteilung und ihrem Vorgesetzten verlief kurz und schmerzlos, denn alle Beteiligten wussten dank dem transparenten Ampelsystem, wen sie vor sich hatten.

Unilever bewertet seine Angestellten im Management nach folgenden Kriterien: Erstens müssen sie sich an ihren persönlichen Ziele, die mit dem Vorgesetzten in den Jahresgesprächen abgestimmt werden, messen lassen. Zweitens sollen die Aufgaben aus der Stellenbeschreibung erfüllen. Drittens müssen sie bestimmte Führungskompetenzen mit sich bringen.

Schneidet eine Führungskraft sehr gut ab, kommt sie in den grünen Bereich und wird als so genannter High-Potential gehandelt. Schneidet jemand sehr schlecht ab rutscht er in den roten Bereich. Dazwischen gibt es die Stufen Weiß, für eine durchschnittliche Leistung und Gelb, die als Warnung vor der roten Stufe steht.

Dabei ergibt sich laut Personalchef Ulf Werkmeister meist eine Normalverteilung. "Es ist ganz normal, dass eine gewisse Anzahl der Manager über den Erwartungen liegt und ungefähr die gleiche Anzahl unter den Erwartungen. Trotzdem kann es Teams geben in denen kein Mitarbeiter im roten Bereich liegt", betont er.

10 Tipps für den perfekten Chef
Ein perfekter Chef ist offen für andere Wirklichkeiten
Meistens halten wir unsere Meinung für die Wahrheit, basierend auf der Wirklichkeit, wie wir sie empfinden. Häufig entspricht unsere Wirklichkeit jedoch nicht der Realität. Der "perfekte" Chef setzt sich auf den Stuhl des anderen. Wer durch die Augen anderer sieht, entdeckt eine Fülle von Wirklichkeiten.

Quelle: Perspektive Mittelstand

Ein perfekter Chef ist wirksam
Letztlich geht es um das wesentliche: Der "perfekte" Chef bewirkt, dass Menschen Ziele erreichen. Das Wesen guter Führung ist Wirksamkeit.
Ein perfekter Chef verkörpert Werte
Grundvoraussetzung eines "perfekten" Chefs sind gelebte Werte, die von allen Mitarbeitern als Führungsgrundsätze empfunden werden. Nur so entsteht das viel geforderte Vertrauen.
Ein perfekter Chef ist fachlich selten der Beste
Von dem Gedanken, stets der Beste in allen Bereichen sein zu wollen, müssen sich Führungspersönlichkeiten trennen. Der "perfekte" Chef konzentriert sich auf seine Stärken und seine Hauptaufgaben.
Ein perfekter Chef fordert Menschen
Der "perfekte" Chef fordert Menschen heraus. Er will Leistung erleben und regt Menschen an, sie zu erbringen. Dabei orientiert er sich nur ungern am Durchschnitt, sondern an Spitzenleistungen. Der "perfekte" Chef gibt sich nicht mit dem zweitbesten Ergebnis zufrieden.
Ein perfekter Chef ist Teamplayer
Der "perfekte" Chef sagt und meint "Wir!" und nicht "Ich!" Er ist ein Teamspieler. Im 21. Jahrhundert werden nur Teams gewinnen und nicht Einzelspieler. Die Mondlandung beispielsweise war auch nicht das Werk eines einzelnen Menschen, sondern das mehrerer tausend Ingenieure, auch wenn die visionäre Kraft eines Wernher von Brauns dahinter stand. Aber er hätte es niemals alleine geschafft.
Ein perfekter Chef ist Menschenfreund
Eine wesentliche Eigenschaft von "perfekten" Chefs ist, dass sie Menschen mögen. Viele so genannte Führungskräfte mögen aber nicht einmal sich selbst, geschweige denn andere Menschen. Unter solchen Umständen wird Führung nur schwer möglich sein. Um exzellent zu sein, muss man das, was man tut, lieben. Und um exzellent zu führen, muss man Menschen lieben.
Ein perfekter Chef verbessert sich ständig
Darin liegt die Größe eines wirklich "perfekten" Chefs. Er verwendet die Kenntnis seiner Fehler für die persönliche Weiterentwicklung. Gute Führungspersönlichkeiten meinen nicht, "jemand zu sein", sondern verstehen sich als "jemand, der wird" und zwar jeden Tag ein wenig mehr.
Ein perfekter Chef ist nicht perfekt
Es ist daher verwunderlich, warum immer noch so viele Chefs meinen, dass sie perfekt sind. Eine solch grobe Selbstüberschätzung führt letztlich zu Arroganz und einem Stillstand an Wachstum (sowohl persönlich als auch unternehmerisch).
Ein perfekter Chef macht Fehler
Jeder Mensch macht Fehler, denn Menschen sind nicht perfekt. Durch diese Eigenschaft werden Menschen überhaupt erst liebenswert. Wichtig ist jedoch, dass wir um unsere Fehler wissen und Wege finden, wie diese Fehler behoben werden können. Fehler, richtig verstanden, führen zu einer Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit und des Unternehmens.

Mit dieser Normalverteilung vor Augen fällt das Urteil der Vorgesetzten meist anders aus. Denn: "Viele Vorgesetzte bewerten zu positiv, so dass auf einmal 60 Prozent der Angestellten im überdurchschnittlichen Bereich liegen", sagt Walter Jochmann, Mitglied der Geschäftsführung bei der Beratung Kienbaum. "Um dem entgegenzuwirken sind Quoten sinnvoll, so lange sie nicht zu starr sind", sagt er.

Selbst der Betriebsrat von Unilever kann dem Ampelsystem, das ab Januar 2013 auch für die Tarifbeschäftigten in der Produktion eingeführt wird, etwas abgewinnen. Zum Beispiel wenn ein Arbeiter mehrmals im roten Bereich gelandet ist: "Wir sehen früher, welcher Mitarbeiter Probleme hat. Wir können dann versuchen ihm zu helfen, bevor er möglicher Weise ernste Probleme bekommt", sagt Betriebsratschef Herrmann Soggeberg. Außerdem sei das Ampelsystem sehr transparent und auch jemand ohne Studium könne sich fürs Management empfehlen.

Ein offenes System, bei dem jeder weiß wo er steht

Trotz dieser generellen Vorteile kommt es bei der Umsetzung auf die Details an. Der Betriebsrat hat für die Mitarbeiter in der Produktion ein modifiziertes Ampelsystem durchgesetzt, denn manche Mechanismen der Managementebene seien in den Werken nicht praktikabel. So können in größeren Einheiten schon mal 60 Mitarbeiter auf einen Vorgesetzen kommen. Eine detaillierte Bewertung ist dann nicht zu leisten. Das Ampelsystem findet hier keine Anwendung.

Auch von der Normalverteilung will Soggeberg nichts hören. "Ich halte nichts davon, von vorneherein zu sagen, ein bestimmter Teil der Mitarbeiter bleibt hinter den Erwartungen zurück und rutscht damit in den roten Bereich", sagt der Betriebsrat. Seine Führungskräfte sollen sich von diesem Bild befreien, denn es könne erhebliche Folgen haben. "Wir sehen im Management-Bereich, dass dieses System enormen Druck aufbauen kann, wenn der Betroffene permanent im roten Bereich liegt. Meiner Meinung nach sind darauf einzelne Burnout-Fälle in unserem Haus zurückzuführen".

Um solche Fälle zu verhindern, schult Unilever seine Führungskräfte für den Umgang mit den Bewerteten. Auch Jochmann von Kienbaum weiß, dass Kritik nur richtig verpackt fruchtet. "Es bringt nichts seinen Mitarbeitern zusagen, du bist zum zweiten Mal im roten Bereich, du kannst nichts."

Dazu sei das Ampelsystem auch nicht da, betont Personalchef Werkmeister. Die Bewertungsmatrix sei ein transparentes System, in dem jeder genau wisse, wo er steht. "Viele Vorgesetzte taten sich früher mit einem so offenen Feedback schwer", sagt er. Doch gerade im Managementbereich führt daran oftmals kein Weg vorbei. Vor allem Manager müssten die volle Leistung abrufen, weil sie einen sehr verantwortungsvollen und oft gut bezahlten Job hätten, meint Jochmann von Kienbaum. "Sie sollten Kritik auch in dieser sehr transparenten Form annehmen."

Über die Kritikfunktion hinaus hilft die Ampel Vorgesetzten und der Personalabteilung einzuschätzen, wer auf welchem Level gefördert werden muss. Vom High-Potential bis zum Schlusslicht, denn in Unilevers-Farbenlehre heißt Rot nicht automatisch raus.

Reinhard Sprengers beste Führungstipps

Trennen Sie sich von Egoisten
Gute Unternehmen sind Solidargemeinschaften, nicht nur eine Addition von Einzelleistern. Wer nicht zur Zusammenarbeit fähig ist, fliegt raus. Mehr Füreinander statt nur Miteinander heißt die Devise. Für Fußballfans: mehr Barcelona, weniger Real Madrid.

Schaffen Sie Dienstpläne ab
Lassen Sie Jahresplanung und Budgetverhandlung mal für ein Jahr wegfallen. Verzichten Sie auf Dienstpläne, vertrauen Sie der Selbstorganisation Ihrer Mitarbeiter.

Verabschieden Sie sich von Werten
Unternehmen sind keine Kirchen, müssen nicht Werte wie Monstranzen vor sich hertragen, für die Kunden nicht zahlen.

Denken Sie wie Sherlock Holmes
Gehen Sie den Weg des kleinsten Übels, akzeptieren Sie schmutzige Lösungen. Der Blick aufs Ideal erzeugt nur Leiden.

Loben Sie nicht - halten Sie Kontakt
Sie arbeiten nicht mit Kindern, sondern mit Erwachsenen. Die brauchen kein permanentes Lob, steten Kontakt aber schon. Das vermittelt Wertschätzung.

(Quelle: Wirtschaftswoche)