Geht es um eine kurzfristige, möglichst breite Versorgung mit Breitbandanschlüssen, scheint derzeit kaum ein Weg an VDSL-Vectoring vorbeizuführen. Bei überschaubaren Kosten verspricht die Technik schnell für große Teile der Bevölkerung eine Versorgung mit bis zu 50 Mbit/s, ohne dass die Netze teuer aufgerüstet werden müssen oder Tiefbauarbeiten erforderlich sind. Lediglich die Endgeräte beim Kunden sowie die Outdoor-DSLAMs in den Kabelverzweigern benötigen ein Upgrade.
Wunder von der Vectoring-Technik sollte allerdings niemand erwarten. Laut Klaus Pollak, Head of Consulting & Projects bei Keymile in Hannover, erlaubt Vectoring letztlich, dass etwa 95 Prozent der Benutzer in einem Telefonkabelstrang die Leistung erhalten, die sie bei einer einzelnen Leitung hätten - also etwa 30 bis 40 Mbit/s. Ferner erklärt Pollak mit Blick auf die aktuelle Regulierungsdiskussion, man habe bei Messungen festgestellt, dass schon zehn separate VDSL-Schaltungen in einem Telefonkabelbündel ausreichten, um einen messbaren Vectoring-Effekt zunichtezumachen.
Letztlich sehen viele im VDSL-Vectoring nur eine Übergangstechnik, um kurzfristig zu vertretbaren Kosten Breitbandanschlüsse zur Verfügung stellen zu können.
Die Zukunft: Glasfaser
Spielen wirtschaftliche Erwägungen keine Rolle, dann gehört die Zukunft langfristig sicher der Glasfaser. Keine andere Technik offeriert aus heutiger Sicht so viel Bandbreite wie die optische Datenübertragung und ist damit in der Lage, auch hochauflösendes Videos zu übertragen - nach Full-HD mit seiner eher bescheidenen Auflösung von 1920 mal 1080 Pixel stehen wir ja schon an der Schwelle zu Ultra HDTV mit Auflösungen von 4k (3480 mal 2160 Pixel) oder 8k (7680 mal 4320 Pixel). Zur Übertragung von 8k sind nach heutigem Stand Datenraten von bis zu 24 Gbit/s erforderlich. Und hier müssen Techniken wie xDSL sowie Funkverfahren wie LTE und Advanced LTE passen.
Für die Investition in Glasfasernetze spricht noch ein anderer Aspekt: Die hier getätigten Ausgaben sind langfristige Investitionen, denn die entsprechenden Fasern, so Pollak, hätten eine Lebensdauer von etwa 30 Jahren. Hinzu kommt, dass die optische Übertragung im Gegensatz zu LTE, xDSL oder anderen elektrischen Übertragungsverfahren weniger störanfällig gegenüber äußeren Einflüssen wie Starkstromleitungen, Eisenbahnen und Straßenbahnen oder Funkquellen wie Mikrowellenherden ist.
Auch das Argument vieler Glasfasergegner, dass die heute oft ausgerollten passiven Glasfasernetze (GPON) eine Sackgasse seien, gilt nur bedingt, denn "die Netze lassen sich nachträglich aufrüsten", so Pollak. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden mit GPON-Netzen typischerweise Bandbreiten von bis zu 1 Gbit/s beim Kunden realisiert, wenn die Faser bis ins Haus beziehungsweise in die Wohnung verlegt ist. Mit aktiver Technik und Punkt-zu-Punkt-Verbindungen sind dann später Bandbreiten von mehreren Gigabit/s möglich. Vorstellbar ist auch ein hybrider Ausbau, der auf eine Kombination von aktiver und passiver Technik setzt.
Ob die Verantwortlichen - egal ob Bürgermeister, Stadtwerke-Chef oder Telco-Vorstand - wirklich viel Geld sparen, wenn sie zuerst eine GPON-Infrastruktur aufbauen, ist zudem fraglich. Glaubt man Key-mile-Manager Pollak, dann liegt die Preisdifferenz zwischen aktiver und passiver Technik bei einem Glasfaserprojekt gerade mal bei fünf Prozent, "denn das Gros der Kosten machen die Tiefbauarbeiten, also das Vergraben der Glasfasern, aus".
Das unterschätzte Kabel-TV
Genau dies ist die Chance der Kabelnetzbetreiber, die bundesweit auf eine durchschnittliche Anschlussdichte von rund 65 Prozent kommen: Sie können die Haushalte meist ohne teure Grabungsarbeiten mit Breitband versorgen, womit sich das einst ungeliebte Kabelfernsehnetz, das zwischen 2000 und 2003 nur schwer zu verkaufen war, als späte Breitband-Goldader entpuppt.
Dabei betonen die Kabelnetzbetreiber gerne, dass sie im Gegensatz zu den DSL-Anbietern bereits heute in der Lage seien, 100 Mbit/s anzubieten. Und ohne viel Aufwand per Kanalbündelung könnten sie auf bis zu 400 Mbit/s gehen, wenn die Nachfrage dies verlangt. Werden dazu noch besondere Angebote für Geschäftskunden geschnürt - wie etwa bei Kabel Deutschland -, dann ist das TV-Netz im Business-Umfeld durchaus eine überlegenswerte Alternative. Für diese Klientel offeriert Kabel Deutschland etwa 24 Stunden Support und Entstörung. Ferner erhalten die Business-Kunden einen erhöhten Upload von 6 Mbit/s.
Allerdings ist auch bei den Kabelbetreibern nicht alles Gold, was glänzt. Genau betrachtet sind ihre Netze in der Fläche zur Zeit auf Breitbandzugänge von bis zu 32 Mbit/s ausgebaut, 100 Mbit/s sind nur in ausgesuchten Lokationen erhältlich.
Aber dies soll sich etwa bei Kabel Deutschland in den nächsten zwei Jahren ändern. Nachdem das Unternehmen nicht wie geplant Tele Columbus übernehmen durfte, will es nun bis 2015 rund 300 Millionen Euro in den Netzausbau investieren. Ein Ziel dieses Investitionspakets ist es, bis März 2015 eine 95-prozentige Versorgung der Kunden mit 100-Mbit/s-Breitband sicherzustellen. Dabei haben die TV-Netzbetreiber einen Vorteil: Zur Aufrüstung müssen sie nicht unbedingt graben. Alleine eine Erweiterung der Frequenzen auf 862 Megahertz (derzeit bei 30 bis 40 Prozent der Anschlüsse eingesetzt) bringt einen Gewinn von 1,5 Gbit/s.
Die Joker von Kabel Deutschland
Argumente wie dass es sich beim Fernsehnetz um ein "Shared Medium" handele und sich daher alle Teilnehmer die Bandbreite teilen müssen, lassen die TV-Netz-Protagonisten nicht gelten. Sie halten dagegen, dass sie dann das Netz einfach in kleinere Segmente unterteilen könnten, um jedem Teilnehmer die entsprechende Bandbreite zukommen zu lassen. Dabei setzen sie auf einen Hybridaufbau, bei dem die letzten Meter zum Kunden über das klassische TV-Koaxialkabel realisiert werden, während die zuführenden Netze mit Glasfaser aufgerüstet werden. Zudem hat beispielsweise Kabelnetzbetreiber Kabel Deutschland noch zwei weitere Asse im Ärmel, um die Attraktivität des eigenen Breitbandangebots zu steigern: Video on Demand und den Aufbau öffentlicher WLAN-Hotspots.
Im Gegensatz zu xDSL oder anderen IP-basierten Netzen frisst beim TV-Netz das HD-Streaming oder Video on Demand keine Bandbreite, die dann für andere Anwendungen fehlt. Die Videosignale können einfach wie ein weiterer Fernsehkanal ins Netz eingespeist werden.
Und nach dem erfolgreichen WLAN-Pilotprojekt in Berlin denkt man bei Kabel Deutschland über eine weitere Geschäfts-idee nach: Die Ausstattung der eigenen Verteilerkästen mit einer Art "WLAN-Haube", um öffentliche WLAN-Hotspots aufzubauen. Vorstellbar ist etwa, dass die eigene Kundschaft in den Hotspots kostenlos surfen kann, während andere Nutzer Stunden- oder Tagespässe erwerben müssen.
Dank der eigenen Technik und Partnerschaften mit den Mobilfunkern wären die Kabelnetzbetreiber so in der Lage, Angebote zu schnüren, bei denen der Kunde alles aus einer Hand bekommt. Über den Erfolg entscheidet dann die Nachfrage der Anwender - denn zumindest aus technischer Sicht scheint das Rennen zwischen xDSL, Glasfaser und TV-Kabel im Frühjahr 2013 wieder offen zu sein. (Computerwoche)