Das Projekt gilt als eines der komplexesten in einem Industriekonzern. Seit Anfang 2007 führt die Essener Evonik Industries AG alle Reporting- und Konsolidierungssysteme auf einer Plattform zusammen. Die Basis im Projekt CS2 (Common System) bildet die SAP Lösung Strategic Enterprise Management (SEM). "Der Aufbau eines einheitlichen, qualitativ hochwertigen und zeitgerechten internen und externen Reportings ist eine Kernaktivität, um im nächsten Jahr an den Kapitalmarkt zu gehen", sagt CIO Jochen Gintzel.
Bislang arbeitete jeder Teilkonzern der früheren RAG mit eigenen Systemen. Doch seit der Umbenennung in Evonik im September dieses Jahres gibt es keine Teilkonzerne mehr. Alle Kohleaktivitäten wurden abgespalten und firmieren weiterhin unter RAG.
Auch Teilkonzernvorstände gibt es nicht mehr. Damit hat Evonik die alte teilkonzernorientierte Organisation des RAG-Konzerns verlassen und steuert nun mit einem Corporate Center das Unternehmen. Ginzel bekam die Aufgabe, die IT-Organisation zu überdenken. Eines war ihm dabei klar: "Man darf nie eine IT-Governance aufbauen, die sich der Unternehmens-Governance entgegenstellt." Weil das Corporate Center den Konzern zentral lenkt, führt auch er mit der CIO-Organisation die IT nun zentral. Alle Teilkonzern-CIOs sowie CIOs in den 14 Business Units sind abgeschafft.
Strategie vom Tagesgeschäft getrennt
Außerdem hat Evonik alle IT-Führungsaufgaben wie Strategie, Service und Governance vom operativen Geschäft getrennt: Während die CIO-Organisation die Strategie im Corporate Center festlegt, setzen die Business Units diese Vorgaben um. Übergreifende Services wie auch die IT-Aufgaben bündelt der Konzern zudem in der eigenständigen Evonik Services GmbH. Diese Einheit fungiert unter anderem als IT Shared Service Center für den Konzern.
Innerhalb der CIO-Organisation hat Gintzel vier Bereiche geschaffen, von denen sich die ersten drei um klassische Aufgaben kümmern:
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IT-Contolling, Planung und strategisches Sourcing,
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Technologie und IT-Architektur, -
IT-Compliance und Qualitätsmanagement, sowie -
Business Integration.
Der vierte Bereich ist für Gintzel das Kernelement der neuen Organisation: Die Einheit mit den neu geschaffenen Positionen der Information Officer hat ausschließlich Koordinationsaufgaben. "Die handverlesenen Information Officer sollen die Balance zwischen geschäftsübergreifender Harmonisierung und geschäftsspezifischen Besonderheiten sicherstellen", sagt Gintzel. "Sie sind ein entscheidender Erfolgsfaktor für die direkte Steuerung der Business Units und des Service Centers durch die Corporate-IT."
Eine wesentliche Frage der vergangenen 18 Monate bestand für Gintzel darin, mit welchen Perspektiven die IT auf den Konzern schaut. Am Ende der Diskussion kristallisierten sich vier IT-Dimensionen heraus, die jeder Information Officer verantwortet:
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Geschäftsbereiche betreuen und koordinieren,
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weltweite SAP-Cluster-Systeme koordinieren,
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Geschäftsprozesse aus IT-Sicht koordinieren,
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IT in den Regionen koordinieren.
Nur eine Ausnahme gibt es: Ein Information Officer verantwortet ausschließlich die Perspektive "Region" für den Wachstumsmarkt Asien.
In den 14 Geschäftsbereichen sprechen die Information Officer jeweils mit einem sogenannten IT-Partner. Wie die Information Officer haben auch die IT-Partner keine operativen Aufgaben. Diese werden - ebenso wie weitere bündelbare Services - zentral als Shared Service durch die Evonik Services GmbH erbracht. Während sich die Officer in der CIO-Organisation für die beste Lösung aus Konzernsicht einsetzen, vertreten die IT-Partner die Perspektive des Geschäftsbereichs.
CIO-Organisation und IT-Partner stellen somit die strategische IT-Führung von Evonik dar. Die schlanke Struktur mit nur sechs Information Officern und nur einem IT-Partner als Brückenkopf in die Business Units stellte für Gintzel einen weiteren Erfolgsfaktor dar, um integrativ agieren zu können: "Eine vergleichbare Organisation mit IT-Partnern und Information Officern samt ihren vier Aufgabendimensionen habe ich in anderen Unternehmen noch nicht gesehen."
Das erste nach zentralen und verbindlichen Vorgaben aus dem Corporate Center durchgeführte Projekt war die weltweite Standardisierung der PC-Installationen. "So banal sich das anhört, aber es hängt sehr viel daran, Standards auf der Arbeitsebene zu bekommen", sagt Gintzel.
Denn wenn sich anfangs Mitarbeiter im Corporate Center und im Shared Service Center trafen, brachten alle Rechner mit speziellen Anwendungen und einer eigenen Installation mit. Vor anderthalb Jahren startete Gintzel das Projekt "Standard Client" bewusst in diesen beiden Centern, weil sich bei ihnen die Konzernintegration besonders stark ausgewirkt hatte. Inzwischen hat die IT alle PCs und Notebooks in Deutschland mit gleicher Hard- und Software ausgestattet.
Im nächsten Schritt hat Evonik die Clients in den USA standardisiert und das Projekt mit einem Outsourcing abgeschlossen. Seit November 2007 betreibt Siemens IT Solutions and Services (SIS) in den USA sämtliche standortbezogenen IT-Dienste: Server, zwei Rechenzentren, Telefonanlagen sowie den Helpdesk - und eben die PCs. Mit dem vier Jahre laufenden Vertrag mit einem Volumen von 30 Millionen Euro wechselten auch die Mitarbeiter zu SIS. Dabei betont Gintzel: "Alle externen Dienstleister wie SIS oder SBI Ruhr sowie alle lokalen internen Dienstleister der Evonik-Geschäftseinheiten arbeiten weltweit standardisiert nach den Service-Level-Vorgaben der CIO-Organisation."
Die Kür der Konzernintegration
Künftig soll die IT-Organisation verstärkt Geschäftsprozesse harmonisieren und optimieren, Gintzel nennt das die Kür der Konzern-Integration. Dabei bietet ihm die neue Unternehmensorganisation die Gelegenheit, die Bedeutung der IT für den Konzern enorm zu steigern. "Weil die Geschäftsprozessverantwortung für Kernprozesse der Business Units auf 14 Geschäftsbereiche verteilt ist, hat die IT als Business Process Agency die Chance, mit ihrem vernetzten Wissen zu harmonisieren und Business-Potenziale zu heben", erklärt Gintzel. Möglich wird das durch den direkten Zugriff der Corporate IT auf die Business Units. In der Praxis läuft bereits eine "Kür" mit dem Roll-out der SAP-Plattform in China.