Intelligent Process Automation

Wettbewerbsfaktor Intelligente Prozesse

16.05.2024 von Bernd Reder
Die Prozessautomatisierung in den Unternehmen hat eine neue Stufe erreicht – auch wenn der C-Level ihr positiver gegenübersteht als die Fachbereiche.
Prozesse (intelligent) zu automatisieren, ist für die Geschäftstüchtigkeit von Unternehmen von zentraler Bedeutung.
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Den meisten Managern, CIOs und Fachbereichsleitern dürfte längst klar sein, dass ihr Unternehmen in der Lage sein muss, schnell und flexibel auf veränderte Marktentwicklungen und gesetzliche Rahmenbedingungen zu reagieren. Doch derzeit ist diese Anpassungsfähigkeit mehr denn je gefragt. Nicht nur wegen der herausfordernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und dem stärkeren Kostendruck, sondern auch wegen höherer Anforderungen bezüglich Nachhaltigkeit und Compliance - siehe beispielsweise das Lieferkettengesetz.

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Hinzu kommt nach wie vor der Mangel an Fachkräften. Laut dem KfW-ifo-Fachkräftebarometer vom Dezember 2023 gaben rund 39 Prozent der Firmen aus dem verarbeitenden Gewerbe an, dass sie durch diesen Faktor in ihrer Geschäftstätigkeit behindert werden. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Dienstleistungen wie IT-Services (45 Prozent), Telekommunikationsdiensten (49 Prozent) sowie Logistik (64 Prozent).

Abhilfe durch Automatisierung von Prozessen

Vor diesem Hintergrund ist es essenziell, Prozesse einzuführen, die weitgehend automatisiert ablaufen und dadurch Ressourcen schonen. Dies sehen auch die Unternehmen in Deutschland so, wie die Studie "Intelligent Process Automation & Process Orchestration 2024" zeigt, die das Custom Research Team von CIO, CSO und Computerwoche zusammen mit Camunda, Lufthansa Industry Solutions und UiPath realisiert hat.

Für fast 80 Prozent der befragten Unternehmen hat die Automatisierung von Prozessen eine zentrale Bedeutung. Diese Einschätzung teilen Organisationen jeder Größe, solche mit weniger als 500 Beschäftigten ebenso wie mittelständische mit bis zu 1.000 Beschäftigten und große Firmen mit über 1.000 Beschäftigten.

Speziell die intelligente Automatisierung von Aufgaben und Prozessen (Intelligent Process Automation, IPA) gewinnt dabei an Boden. "Intelligent" bedeutet, dass beim Erfassen, Verwalten und Umsetzen von Prozessen, Künstliche Intelligenz, Analytics-Funktionen, Robotic Process Automation (RPA) und Process Mining in Kombination zum Zuge kommen. Hinzu kommen Plattformen für die Orchestrierung.

Startpunkt: IT-Abteilung, Finanzen und Management

Bereits rund drei Viertel der Befragten (73 Prozent) greifen laut der Studie bei Process Automation auf künstliche Intelligenz zurück. Derzeit kommt IPA vor allem in Bereichen zum Einsatz, in denen eine große Zahl von Abläufen vorhanden ist, die sich mit überschaubarem Aufwand automatisieren lassen. Dazu zählen die IT-Abteilung und die Sparte Controlling und Finanzen, außerdem das Management. In jeweils über 40 Prozent der Unternehmen setzen diese Bereiche bereits IPA ein.

Bereits drei Viertel der Unternehmen in Deutschland nutzen künstliche Intelligenz im Zusammenhang mit der Automatisierung von Prozessen.
Foto: Research Services: Patrick Birnbreier

In der IT lassen sich beispielsweise Routineaufgaben wie das Patch-Management und Software-Updates ressourcenschonender durchführen, Stichwort Mangel an IT-Fachkräften. Weitere Einsatzfelder sind der Schutz von IT-Umgebungen, etwa durch KI-basiertes Monitoring des Netzwerkverkehrs, sowie der Schutz vor Cyber-Attacken.

In der Finanzsparte eignet sich IPA für Prozesse wie Source to Pay (S2P), also die Verwaltung von Lieferanten und der entsprechenden Rechnungen und Zahlungen. Für die Automatisierung kommen zudem Prozesse in der Finanzplanung und im Bereich Order-to-Cash (Eingang Kundenbestellung bis Bezahlung) in Frage.

Beispiel: Onboarding von Mitarbeitern

Mit Intelligent Process Automation lassen sich zudem abteilungsübergreifend Abläufe straffen. So nutzt derzeit ein Drittel der HR-Abteilungen intelligente Prozessautomatisierung.

Die Software prüft beispielsweise Bewerbungsunterlagen und vereinbart automatisch Gesprächstermine mit Kandidaten. Außerdem unterstützt sie Personalfachleute beim Onboarding neuer Kollegen, etwa indem diesen automatisch Informationen über ihren Tätigkeitsbereich und das Unternehmen bereitgestellt werden.

Die IT-Abteilung wiederum kann das Einrichten von E-Mail-Accounts und Netzwerkzugängen für die Neuankömmlinge automatisieren. Gleiches gilt für die Ausstattung des Arbeitsplatzes im Firmenbüro oder Homeoffice. Je nach Jobbeschreibung erhalten neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter automatisch das passende Notebook mit den für sie relevanten Software-Lizenzen, inklusive Online-Einführungen in die Bedienung von Anwendungen und Systemen.

Intelligente Automatisierung zahlt sich aus

Damit IPA den vollen Nutzen bringt, ist es jedoch erforderlich, Prozesse durchgängig (End-to-End) zu automatisieren. Dies haben bereits 56 Prozent der Unternehmen in "hohem" bis "sehr hohem" Maß getan - ein respektabler Wert, aber auch ein Indikator dafür, dass noch Optimierungspotenzial vorhanden ist.

Die Erfolgsquote einer durchgängigen (End-to-End) Automatisierung von Prozessen ist beeindruckend. So gut wie alle Nutzer gaben an, dass die angestrebten Ziele vollständig erreicht wurden.
Foto: Research Services: Patrick Birnbreier

Die Unternehmen, die mithilfe von IPA eine End-to-End-Automatisierung umgesetzt haben, sind mit den Ergebnissen zufrieden. So gut wie alle für die Studie Befragten haben die angestrebten Ziele erreicht. Dies sind insbesondere eine höhere Qualität und niedrigere Kosten.

Positive Effekte sind außerdem bei der Effizienz zu beobachten. So gaben beispielsweise 14 Prozent der Großunternehmen und 16 Prozent der kleineren Firmen an, dass sie dank einer durchgängigen Prozessautomatisierung pro Jahr mehrere Monate an Arbeitszeit einsparen können.

Dabei ist allerdings zu beachten, dass Anwender solche Werte vor allem dann erreichen können, wenn sie Plattformen für die Automatisierung beziehungsweise Orchestrierung von Prozessen verwenden. Je komplexer eine Prozesslandschaft ist, desto wichtiger ist es, den Einsatz solcher Plattformen zu prüfen.

Herausforderung: Technik

Automatisierungs- und Orchestrierungsplattformen können jedoch nicht alle Hindernisse beseitigen, die mit der Einführung von Prozessautomatisierung und IPA verbunden sind. Bereits auf der Ebene von Basistechnologien wie Process Mining und Task Mining sind Herausforderungen zu meistern. So haben 47 Prozent der Unternehmen Schwierigkeiten, beide Ansätze in vorhandene Prozesse zu integrieren. Doch dies ist erforderlich, um ein möglichst umfassendes Bild der Prozesslandschaft zu erarbeiten.

Wie auch in anderen Sparten der Digitalisierung ist zudem die unzureichende Datenqualität (43 Prozent) ein Faktor, der die Qualität von Process und Task Mining einschränken kann. Das bedeutet, vor dem Start eines Automatisierungsprojekts steht eine Reihe von Vorbereitungsmaßnahmen an, etwa eine Konsolidierung der Datenbestände und die Einführung von Data- und Analytics-Lösungen. Das hat bereits rund die Hälfte der Befragten getan.

Es fehlt an Fachwissen

Doch wer eine intelligente Prozessautomatisierung einführen möchte, darf nicht nur die Technik im Auge behalten. Es gilt auch den "Faktor Mensch" zu berücksichtigen. Ein Aspekt dabei: das unzureichende Fachwissen bezüglich IPA in den Unternehmen. Vor allem kleinere (51 Prozent) und mittelständische Unternehmen (56 Prozent) haben damit zu kämpfen.

Dies ist auch der Grund, dass für zwei Drittel der befragten Firmen eine Beratung durch externe Fachleute zum Thema Prozessautomatisierung essenziell ist. Etwa die Hälfte der größeren und mittelständischen Unternehmen greift dabei auf die Unterstützung durch Consultants zurück. Doch auch rund 40 Prozent der kleineren Firmen nutzen das Know-how solcher Experten. Die Ausgaben für solche Beratungsleistungen dürften in den meisten Fällen gut angelegt sein, wie die hohe Erfolgsbilanz von End-to-End-Automatisierungsprojekten belegt.

Fachbereiche "mitnehmen"

Schwieriger ist es dagegen, die Fachbereiche vom Nutzen von intelligenter Prozessautomatisierung zu überzeugen. Das zeigt die Studie in mehreren Bereichen auf. So bewerten nur 59 Prozent der Fachbereiche den Einsatz von KI bei der Process Automation positiv, aber 71 Prozent der Manager und 78 Prozent der IT-Verantwortlichen. Ein weiteres Beispiel: Für 89 Prozent der Manager und 85 Prozent der IT-Fachleute hat IPA eine "große" oder "sehr große" Bedeutung, aber nur für rund 60 Prozent der Fachabteilungen.

Möglicherweise spiegelt sich in dieser Diskrepanz die Befürchtung der Beschäftigten in den Fachbereichen wider, mittelfristig durch KI-Algorithmen und Bots ersetzt zu werden. Dass diese Angst angesichts der Überlastung vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und des Mangels an Fachkräften in vielen Bereichen unberechtigt ist, müssen Unternehmen den betreffenden Beschäftigten verdeutlichen - sicherlich keine einfache, aber eine notwendige Aufgabe.

Die Fachbereiche auf dem Weg zur intelligenten Prozessautomatisierung "mitzunehmen", ist aus einem weiteren Grund wichtig: Rund 57 Prozent der befragten Unternehmen sprechen sich dafür aus, den Fachbereichen die Oberhoheit bei IPA-Projekten zu übertragen. Natürlich werden parallel dazu CIOs und Chief Technology Officer (CTO) zusammen mit der IT-Abteilung bei solchen Vorhaben eine zentrale Rolle spielen. Ohne die speziellen Kenntnisse der Fachbereichsbeschäftigten über Abläufe und Fachverfahren ist es jedoch kaum machbar, eine Automatisierung umzusetzen.

Trend: Generative KI gewinnt auch bei IPA an Bedeutung

Zum Abschluss noch ein Blick auf die Trends im Bereich Prozessautomatisierung und IPA. Zu den Faktoren, die auch in diesem Bereich eine wichtige Rolle spielen werden, zählt generative KI (GenAI). Die befragten Unternehmen setzen hohe Erwartungen in diese KI-Technologie, etwa eine höhere Produktivität (67 Prozent) und tiefere Einblicke in Geschäftsprozesse (57 Prozent). Die Hälfte verspricht sich zudem von GenAI geringere Kosten und weniger Fehler.

Durch den Einsatz von generativer KI bei der Prozessautomatisierung erhoffen sich Unternehmen vor allem eine höhere Effizienz und bessere Erkenntnisse über Geschäftsprozesse. Besonders hoch ist die Erwartungshaltung bei kleineren Unternehmen (bis 500 Beschäftigte).
Foto: Research Services: Patrick Birnbreier

Vor allem in kleineren Unternehmen ist eine Erwartungshaltung anzutreffen, die teilweise um mehr als zehn Prozentpunkte über derjenigen von Mittelständlern und Großfirmen liegt. Das ist vermutlich auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Dazu zählt der "Hype", der um generative KI entstanden ist. Hinzu kommt, dass etwa 30 Prozent der kleineren Firmen bereits generative KI einsetzen - deutlich weniger als Großunternehmen und der Mittelstand (je rund 50 Prozent). Dadurch ist die Quote der kleinen Unternehmen geringer, die das reale Potenzial der Technologie anhand von Praxiserfahrungen einschätzen können.

Fazit: Intelligent Process Automation als Wettbewerbsfaktor

Die Ergebnisse der Studie "Intelligent Process Automation & Process Orchestration 2024" belegen klar, dass Unternehmen in Deutschland den Stellenwert von Prozessautomatisierung und deren nächster Stufe Intelligent Process Automation erkannt haben. Die Vorteile beider Ansätze, etwa eine höhere Effizienz, geringere Reibungsverluste und niedrigere Kosten, sind für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit essenziell.

Schade ist allerdings, dass nur ein Teil der Unternehmen die strategische Rolle von IPA erkannt hat. Nur 29 Prozent sehen in einer End-to-End-Automatisierung ein Mittel, um agiler zu werden. Nur 22 Prozent wollen mithilfe dieses Ansatzes ihre Innovationskraft stärken. Die Erkenntnis, dass intelligente Prozessautomatisierung mehr Potenzial hat, als nur die Kosten zu senken, muss sich offenkundig erst bei Managern, CIOs und Fachbereichsleitungen durchsetzen.

Die neue Studie "Intelligent Process Automation 2024" von CIO Research Services
Foto: Research Services / shutterstock.com - Timplaru Eugenia

Studiensteckbrief

Herausgeber: CIO, CSO und COMPUTERWOCHE

Studienpartner: Camunda Services GmbH, Lufthansa Industry Solutions GmbH & Co. KG, UiPath GmbH

Grundgesamtheit: Oberste (IT-)Verantwortliche in Unternehmen der DACH-Region: Beteiligte an strategischen (IT-)Entscheidungsprozessen im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs); Entscheidungsbefugte sowie Experten und Expertinnen aus dem IT-Bereich

Teilnehmergenerierung: Persönliche E-Mail-Einladung über die Entscheiderdatenbank von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE sowie - zur Erfüllung von Quotenvorgaben - über externe Online-Access-Panels

Gesamtstichprobe: 360 abgeschlossene und qualifizierte Interviews

Untersuchungszeitraum: 12. bis 19. März 2024

Methode: Online-Umfrage (CAWI) Fragebogenentwicklung & Durchführung: Custom Research Team von CIO, CSO und Computerwoche in Abstimmung mit den Studienpartnern