T-Systems, IBM, CSC & Co.

Wie 2012 für die IT-Dienstleister lief

20.12.2012 von Christoph Lixenfeld
Zwei widersprüchliche Trends prägten das Jahr: steigender Preisdruck und wachsende Umsätze. T-Systems, IBM, Accenture, CSC und Capgemini im Kurzcheck.
Dietmar Fink, Professor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg: "Ich weiß von einem Projekt, da haben IT-Berater eines großen Anbieters für 250 Euro am Tag gearbeitet."
Foto: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg

Käme die Zahl nicht aus berufenem Mund, man könnte sie kaum glauben. "Ich weiß von einem Projekt, da haben IT-Berater eines großen Anbieters für 250 Euro pro Tag gearbeitet", sagt Dietmar Fink, Professor für Unternehmensberatung an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Dennoch wächst der Branchenumsatz kräftig. Laut Lünendonk GmbH steigerte er sich von 2010 auf 2011 um 11,3 Prozent. In diesem Jahr dürfte der Zuwachs nicht ganz so hoch ausfallen, Prognosen aus dem Frühjahr sind nach unten korrigiert worden. Einen Stopp von Projekten gibt es jedoch nicht.

Ein Widerspruch sind Preisdruck und Wachstum nicht wirklich. Für den Druck gibt es drei Gründe. Erstens ist der Markt sehr reif, viele Anbieter können vieles sehr gut, für die Kunden gibt es immer weniger Anlass, eine Cloud-Lösung zum Beispiel unbedingt bei einem ganz bestimmten Anbieter zu kaufen statt irgendwo zum möglichst niedrigen Preis. Zweitens haben große Kunden in der Regel alle IT-Lösungen, die sie brauchen. Wenn sie heute investieren, dann, um zu verschlanken. Und "die Kunden haben begriffen, dass sie sich nicht in allen Prozessen vom Wettbewerb unterscheiden müssen, um im Markt erfolgreich zu sein", sagt Julia Reichhart, Principal Analyst bei PAC.

Außerdem fördern die IT-Dienstleister diesen Trend selbst, zum Beispiel beim Thema SAP: "Einzelne Anbieter entwickeln für einen Kunden eine spezielle SAP-Lösung für ein Branchensegment oder für ein horizontales Thema, die dann replizierbar gemacht und weiteren Kunden zur Verfügung gestellt wird", so PAC in einer Untersuchung über den SAP-Anbietermarkt.

Und noch ein Argument für niedrige Preise: Die Angebote mancher IT-Dienstleister sind bewusst niedrig, wohlwissend, dass das Geld mit nachträglichen Change Requests verdient wird. Besonders einer der großen Anbieter steht in dem Ruf, den Nachschlag intern schon zu Beginn mit hineinzurechnen - in der Hoffnung, dass ein Einkäufer entscheidet und nicht der CIO.

Dietmar Wendt bis 2013 noch Vertriebschef von T-Systems: "Um Kosteneinsparungen von 20 Prozent zu erzielen, müssen wir an die Strukturen ran."
Foto: T-Systems International GmbH

Das Geld stecken Unternehmen mit Vorliebe in Webbasierte Mobility-Anwendungen, in Cloud Computing oder in Big Data. Stark rückläufig ist dagegen die Zahl der neuen Outsourcing-Deals in Deutschland, die Entwicklung hierzulande steht damit im deutlichen Gegensatz zu den Trends in der restlichen Welt. Gemessen am Umsatz verzeichnet allerdings auch der heimische Outsourcing-Markt ein Plus - jedenfalls wenn man die Effekte des 2011er-Fusions- und Outsourcing-Megadeals zwischen Atos und Siemens aus dem Zahlenwerk herausrechnet. Im Folgenden sind die Top-5 der Branche nach Umsatz aufgelistet. Zugrunde liegt die Lünendonk-Liste der "TOP 25 IT-Beratungs- und Systemintegrations-Unternehmen in Deutschland". Deren Autoren bekennen freimütig, dass Umsätze aus Beratung, Systemintegration oder Software kaum voneinander zu trennen sind. Namhafte Dienstleister wie HP hat Lünendonk nicht gelistet.

T-Systems

Das deutsche Dickschiff der Branche hat 2012 das Tempo verlangsamt. Ein Grund ist, dass das Unternehmen "mit der Umsetzung einiger Big Deals aus den Vorjahren beschäftigt war und immer noch ist und große IT-Transformationsprojekte Ressourcen binden", so Mario Zillmann, Leiter Professional Services bei der Lünendonk GmbH. Der größte dieser Deals war die Übernahme der gesamten IT (inklusive einiger hundert Mitarbeiter) des britischen Telekommunikations-Riesen EE (Everything Everywhere), einem Joint Venture von Orange und T-Mobile. Zudem hatte die Spanische Post T-Systems mit dem Betrieb ihrer SAP-Lösungen in der Cloud beauftragt und ein Pharma-Riese aus den USA - ebenfalls Ende 2011 - mit dem Management seiner Applikationslandschaft inklusive Nearshoring in Mexiko.

Megaverträge wie den in England mit EE schloss T-Systems in diesem Jahr zwar nicht ab, aber einige spannende Projekte gab es dennoch (siehe unten).

Im Zusammenhang mit dem Preisdruck im Markt sagt Vertriebschef Dietmar Wendt, T-Systems wolle "profitable Verträge, deshalb holen wir Deals nicht um jeden Preis". Harte Überzeugungsarbeit sieht Wendt etwa bei "Mess for less"-Deals vor sich: "Bei solchen Aufträgen soll die gesamte IT inklusive der Mitarbeiter an den Dienstleister gehen, zu günstigeren Preisen und ohne dass sich die Strukturen ändern." Hier fängt laut Wendt für den Vertrieb die eigentliche Aufgabe an: "Bei solchen Deals heißt es: beraten und mit guten Argumenten den Kunden gewinnen. Um Kosteneinsparungen von 20 Prozent zu erzielen, müssen wir an die Strukturen ran."

Deals 2012

  1. Outsourcing-Vertrag mit dem Versicherer Old Mutual in Südafrika. Laufzeit: sieben Jahre. Auftragswert: 250 Millionen Euro.

  2. Cloud-Deal mit dem Tabakkonzern BAT: Ab 2016 werden 130 BAT-Landesgesellschaften und 45 Fabriken SAP aus der Cloud beziehen. Laufzeit: sieben Jahre. Auftragswert: 160 Millionen Euro.

  3. SAP-, Desktop-, und Groupware-Dienste für den Schweizer Spezialchemiekonzern Clariant, außerdem Support- und Wartungsleistungen. Laufzeit: fünf Jahre. Auftragswert: k. A.

  4. Cloud-Services aus dem T-Systems-Rechenzentrum in München für die Georg Fischer AG, einen Industriekonzern aus dem Schweizerischem Schaffhausen. Laufzeit: fünfeinhalb Jahre. Auftragswert: 90 Millionen Euro.

  5. BP: Migration von Lotus Notes auf MS Exchange in der Cloud. 83 000 Mitarbeiter können dadurch überall auf der Welt miteinander kommunizieren. Laufzeit: fünf Jahre. Auftragswert: k. A.

IBM

Uwe Gross, Partner bei IBM Global Business Services: "Cloud-Lösungen bieten eine überragende Skalierbarkeit und eine sehr kurze Time-to-Market."
Foto: IBM Global Business Services

Das Unternehmen hat in diesem Jahr den Weg vom Auch-Hardware- zum Fast-nur-noch-Dienstleistungs-Konzern konsequent fortgesetzt: Im April verkaufte IBM seine Abteilung Kassensysteme für 850 Millionen Euro an Toshiba. Für deutlich mehr Aufregung hatte aber im Februar die Meldung gesorgt, IBM plane, 40 Prozent seiner deutschen Belegschaft abzubauen - das wären 8000 Stellen. Allerdings blieb die Sache bis heute ein viel diskutiertes Gerücht, Beobachter mutmaßten, man habe damit den Aktienkurs streicheln wollen.

Klar ist: Die IT-Dienstleistungssparte von IBM hat in diesem Jahr ein solides Wachstum hingelegt und ist wie bisher auf so ziemlich allen technischen Feldern unterwegs. Big Data ist ein wichtiges Thema, IBM spricht hier von Smarter Analytics (siehe BMW-Projekt unten): Das Unternehmen kaufte das britische Startup Butterfly Software Ltd. Auch auf der Agenda: die Konvergenz von Vertriebskanälen. Uwe Gross, Partner bei IBM Global Business Services: "Die Front-Office-Digitalisierung nimmt zu, verbunden mit der Möglichkeit, verschiedene Kanäle miteinander zu verbinden und Backendseitig miteinander zu integrieren. Kunden wollen zum Beispiel online Gekauftes im Laden zurückgeben oder umtauschen. Dies erfordert sowohl organisatorisch als auch technisch eine Umstellung der Prozesse."

IBM setzt außerdem - wie alle in der Branche - auf Cloud Computing. Groß: "Cloud-Lösungen bieten eine überragende Skalierbarkeit und eine sehr kurze Time-to-Market. Auch die Kostenseite überzeugt, echte Nachteile gibt es dagegen nicht."

Deals 2012

  1. Einführung des SAP Bank Analyzer 8.0 bei der KfW- Bankengruppe. Neben der SAP-Welt entsteht eine Datenintegrationsschicht, Ziel ist unter anderem eine Abstimmung zwischen IT und Fachbereichen. Laufzeit: circa fünf Jahre. Auftragswert: k. A.

  2. BMW nutzt IBMs Big-Data-Technologie "Watson", um Daten aus vernetzten Fahrzeugen auszuwerten. Laufzeit und Budget: k. A.

  3. Neue E-Commerce-Plattform für C & A auf Basis der IBM-Software WebSphere Commerce und Sterling-Order-Management. Ziel ist eine bessere Verzahnung von stationären Kaufhäusern und Webshop. Laufzeit: fünf Jahre. Auftragswert: k. A.

  4. Entwicklung des Prototypen einer IT-Infrastrukur für das EU-Elektromobilitätsprojekt Green eMotion. Ziel ist die Schaffung einer europaweiten Infrastrukur für die Nutzer von Elektrofahrzeugen bis 2015.

  5. IBM verwaltet und betreibt die Cloud-Infrastruktur des Rechenzentrums von Healthcare IT Solutions, der IT-Tochter der Universitätsklinikums Aachen. Die Lösung dient dem Austausch von Gesundheitsinformationen auf Basis medizinischer Fallakten.

Accenture

Frank Riemensperger, Geschäftsführer von Accenture Deutschland: "Komplexität ist nicht geschäftsfördernd, gerade ERP-Systeme sollten so einfach wie möglich sein."
Foto: Accenture

Auch der Outsourcing- und SAP-Riese hatte 2012 ein gutes Jahr, der standardisierte Betrieb von Anwendungen in großen Servicezentren stand erneut im Mittelpunkt. "Komplexität ist nicht geschäftsfördernd, gerade ERP-Systeme sollten so einfach wie möglich sein. Die Unternehmen müssen bei Standardprozessen Kosten senken, um Geld für jene Dinge zu haben, die die nächsten Jahre bestimmen werden: Cloud Computing, Big Data, Mobility, Social Media", sagt Frank Riemensperger, Chef von Accenture Deutschland.

Riemensperger geht davon aus, dass sich die Branche angesichts wirtschaftlicher Unsicherheiten auf größere Volatilität im Projektgeschäft einstellen muss. "Wir sehen einen Trend zum Sourcing von Business-Services, das heißt den Trend, Infrastruktur als integralen Bestandteil mit einzukaufen. Nur wer als IT-Dienstleister künftig auf das Servicegeschäft setzt, hat gute Karten."

Deals 2012

  1. 1. Konzeption und Realisierung eines IT-Verfahrens zur Erhebung der Kfz-Steuer durch die Bundesfinanzverwaltung. Laufzeit: zweieinhalb Jahre (bis Mitte 2014). Auftragswert: hoher zweistelliger Millionenbetrag.

  2. Entwicklung einer Gesundheitsplattform für Lombardia Informatica (LI), Tochter der italienischen Region Lombardei. Ziel ist die Vernetzung von regionalen Gesundheitsdienstleistern mit der öffentlichen Verwaltung. Laufzeit: 30 Monate. Auftragswert: k. A.

  3. Betrieb der gesamten SAP-Landschaft inklusive Buchhaltung bei großem Konsumgüterhersteller. Auftragswert: kleinerer zweistelliger Millionenbetrag.

  4. Implementierung mehrerer Bankenlösungen für die Chilenische Tochter der spanischen Bank BBVA. Laufzeit: vier Jahre. Auftragswert: k. A.

  5. Aufbau eines elektronischen Health-Record-Systems für die norwegische Gesundheitsbehörde. Es geht um die Erfassung und Auswertung personenbezogener Gesundheitsinformationen. Laufzeit: fünf Jahre. Auftragswert: k. A.

CSC

Gerhard Fercho, CEO von CSC Deutschland: "Wir haben in jüngster Zeit vor allem Branchenfachleute für Banking, Healthcare, Produktion und die öffentliche Hand eingestellt."
Foto: CSC Deutschland

Nach einem mehr als schwierigen Jahr kam der Dienstleister 2012 wieder in etwas ruhigeres Fahrwasser. Im dritten Quartal 2011 hatte CSC weltweit einen Umsatzrückgang um 5,8 Prozent und einen Verlust von 1,4 Milliarden Dollar hinnehmen müssen. Grund waren Probleme in England und in Dänemark.

Aktuell mache man sich intensiv Gedanken darüber, "wie wir vom Kunden und im Markt wahrgenommen werden wollen", sagt CSC-Deutschland-Chef Gerhard Fercho. Dabei positioniert sich das Unternehmen als Spezialist für die strategischen Themen Cloud, Cybersecurity und Big Data. Fercho: "Wir haben in jüngster Zeit vor allem Branchenfachleute für Banking, Healthcare, Produktion und die öffentliche Hand eingestellt."

Dennoch bleibe der Infrastrukturbetrieb das Brot- und-Butter-Geschäft von CSC, jedoch glaubt Fercho, dass "die Zeit der ganz großen Outsourcing-Deals in Deutschland vorbei ist. Die Kunden werden immer erfahrener, suchen sich für das Auslagern einzelner Bereiche Spezialanbieter."

Deals 2012

  1. Managed Services für die IT-Infrastrukur des französischen Energieanlagen- und Schienenverkehrstechnikkonzerns Alstom. Laufzeit: fünf Jahre.

  2. Global Application Services für die Zurich Insurance Group. Der Vertrag erneuert die Vereinbarung von 2004 und betrifft Applikationswartung und Entwicklungsdienste in der Schweiz, Kanada, Deutschland, Italien, Großbritannien und den USA. Laufzeit: sieben Jahre. Auftragswert: zweistelliger Millionenbetrag.

  3. Client-Security-Projekt bei großem deutschem Rückversicherer. Laufzeit: drei Jahre.

  4. Entwicklung und Betrieb einer neuen Kernbankenplattform für großes deutsches Kreditinstitut. Auftragswert: einstelliger Millionenbetrag.

Capgemini

Michael Schult, Geschäftsführer von Capgemini Deutschland: "Die Krise des Euros muss nicht unbedingt schlecht sein für die IT-Industrie."
Foto: Capgemini

In der Region DACH plus Osteuropa war das Unternehmen nach eigenen Angaben im ersten Halbjahr 2012 um 6,2 Prozent gewachsen. Wichtigster Markt ist Deutschland, Brasilien und USA nähren Hoffnungen für die Zukunft. Outsourcing spielt eine überragende Rolle für Capgemini, das allein in Indien 35 000 Mitarbeiter beschäftigt. Aber auch Nearshoring gewinnt an Bedeutung, vor allem in Polen.

Eine Spezialität von Capgemini sind Testverfahren für IT-Projekte und Applikationslandschaften, mithilfe von Tools lassen sich die Effektivität von Abläufen und die Qualität der Integration neuer Applikationen in die Gesamtlandschaft testen. Vorteil der Testverfahren ist, dass sie sich stark standardisieren lassen.

Zu den Erwartungen für die Zukunft sagt Michael Schulte, Deutschland-Geschäftsführer von Capgemini: "Die Krise des Euros muss nicht unbedingt schlecht sein für die IT-Industrie, weil Unternehmen dadurch auch weiter rationalisieren wollen und müssen. Das geht nicht ohne IT-Lösungen."

Deals 2012

  1. 1. Application-Lifecycle-Services für das Business-Information-Management und die Unternehmensressourcenplanung mit SAP für den Energieversorger E.ON. Laufzeit: fünf Jahre. Auftragswert: circa 50 Millionen Euro.

  2. Entwicklung einer Strategie für den Einsatz mobiler Geräte im Unternehmen für die Deutsche Rentenversicherung.

  3. Betrieb der Rechenzentren inklusive zentraler IT-Infrastrukturdienstleistungen für Media-Saturn und seine Organisationen in 16 europäischen sowie asiatischen Ländern mit insgesamt mehr als 900 Fachmärkten.

  4. Übernahme des IT-Centers von Bayer Business Services in Mumbai mit 550 Mitarbeitern inklusive eines Vertrags über die Lieferung von IT-Dienstleistungen aus Indien wie Entwicklung und Service für Applikationen und IT-Infrastruktur-Dienstleistungen. Laufzeit: fünf Jahre.

  5. IT-Outsourcing-Vertrag inklusive Infrastrukturdienstleistungen im Bereich Collaboration (Messaging, Sharepoint, Citrix) und Plattformbetrieb für diese Services mit der SMA Solar Technology AG, einem deutschen Hersteller von Wechselrichtern für Solarenergieanlagen. Laufzeit: fünf Jahre.