Die Hotelkette Accor ist für die Consultants von Bain & Company ein gelungenes Beispiel einer digitalen Transformation. In dem Papier "Leading a 360-Degree Digital Transition" leitet Bain daraus Handlungsempfehlungen ab.
225 Millionen Euro für die Digitalisierung
Im Herbst 2014 kündigte Accor an, über einen Zeitraum von fünf Jahren rund 225 Millionen Euro für die Digitalisierung bereitstellen zu wollen. Einer der Ansatzpunkte: die bei Hotelkunden gefürchtete Warteschlange an der Rezeption. Heute bietet Accor auf seiner Website einen Online-Check-In an, der bereits zwei Tage vor der Anreise möglich ist. Der Schlüssel liege bereit, wenn der Gast komme. Bei der Abreise könne man seinen Schlüssel einfach abgeben und erhalte die Rechnung per E-Mail.
Im Frühjahr 2015 erklärte Accor-Chef Sébastien Bazin gegenüber dem Magazin Wirtschaftswoche, es bringe nichts, Portale wie HRS oder Booking.com zum Feindbild zu erklären. Er kontere mit Kundenbindung. Bazins Ziel ist eine nahtlose digitale Kundenreise vom Zeitpunkt der Reiseplanung, Information, Buchung, dem Aufenthalt im Hotel - auch Besuche in Spa und Restaurant können per App reserviert werden - und dem nachträglichen Erfahrungsaustausch mit anderen Kunden über Social Media.
3500 Hotels dienen als Test-and-Learn-Labs
Bain lobt Accors Mut. Die Hotelkette hat 25 ihrer mehr als 3500 Häuser zu Test-and-Learn-Labs bestimmt. Was dort gut läuft, wird ausgerollt. In seiner Transformation folgt Accor dem von Bain geforderten 360-Grad-Blick.
8 wichtige Punkte für den 360-Grad-Blick
Dieser beinhaltet folgende Aspekte:
Der CEO muss die Entwicklung einer Plattform für die Digitalisierung mindestens als zweitwichtigsten Punkt auf seiner Agenda betrachten
Die Verantwortlichen müssen ihr Unternehmen beziehungsweise den Kauf von Gütern und Dienstleistungen konsequent aus Kundensicht sehen und sämtliche möglichen "Pain Points" identifizieren
Die IT muss "raus aus der Box"
Die Verantwortlichen für Customer Experience müssen sich mit dem Back Office zusammensetzen und neue, kundenfreundliche Prozesse entwerfen
Die IT muss die gewünschten Apps entwickeln
Das Unternehmen muss Prototypen entwickeln und testen
Alle Mitarbeiter im Kundenkontakt müssen im Umgang mit der neuen Technologie geschult werden
Die Verbesserungen für den Kunden müssen bekannt gemacht und beworben werden
Egal, in welcher Branche - die Firmenleitung muss jemanden aus ihrer Mitte bestimmen, der sich um den Change kümmert. Auf technologischer Seite geht es zunächst um das Aufbrechen von Silos und die intelligente Nutzung von Data Analytics. Organisatorisch geht es um das cross-funktionale Zusammenarbeiten ehemals getrennt agierender Abteilungen.
Folgen fürs Management
Bain spricht hier von einer "Demokratisierung der Daten" und ihrer Auswirkung auf Führung. In einem digitalisierten Unternehmen müssen C-Level-Manager lernen, Hoheit nach unten abzugeben, und zwar nicht nur Hoheit über Wissen und Daten, sondern auch über Entscheidungen. Sie sind gefordert, regionale und lokale Entscheider vor Ort "machen zu lassen".
Stichwort Prototypen: Diese hängen von der Branche ab. In der Produktion beispielsweise baut das Unternehmen idealerweise eine digitale Fabrik auf und experimentiert damit.
Bain vergleicht die Digitalisierung eines Unternehmens nicht mit einer Reise von A nach B. Vielmehr werde sich das Ziel immer wieder verschieben. Ohne flexible Systeme und flexible Prozesse sei Transformation nicht möglich.