Im 360-Grad-Blick

Wie Accor Hotels die Customer Journey begleitet

13.03.2017 von Christiane Pütter
Die Hotelkette will eine nahtlose digitale Kundenreise von der Reiseplanung über Information, Buchung, Hotel-Aufenthalt bis hin zum nachträglichen Erfahrungsaustausch mit anderen Kunden per Social Media schaffen. Die Berater von Bain berichten.
  • Bain nennt acht Aspekte eines Rundum-Blicks auf Digitalisierung
  • Die "Demokratisierung der Daten" baut Hierarchien ab, regionale und lokale Entscheider werden gestärkt

Die Hotelkette Accor ist für die Consultants von Bain & Company ein gelungenes Beispiel einer digitalen Transformation. In dem Papier "Leading a 360-Degree Digital Transition" leitet Bain daraus Handlungsempfehlungen ab.

225 Millionen Euro für die Digitalisierung

Im Herbst 2014 kündigte Accor an, über einen Zeitraum von fünf Jahren rund 225 Millionen Euro für die Digitalisierung bereitstellen zu wollen. Einer der Ansatzpunkte: die bei Hotelkunden gefürchtete Warteschlange an der Rezeption. Heute bietet Accor auf seiner Website einen Online-Check-In an, der bereits zwei Tage vor der Anreise möglich ist. Der Schlüssel liege bereit, wenn der Gast komme. Bei der Abreise könne man seinen Schlüssel einfach abgeben und erhalte die Rechnung per E-Mail.

Accor bietet Hotelgästen einen Online Check-In an.
Foto: Accorhotels.com

Im Frühjahr 2015 erklärte Accor-Chef Sébastien Bazin gegenüber dem Magazin Wirtschaftswoche, es bringe nichts, Portale wie HRS oder Booking.com zum Feindbild zu erklären. Er kontere mit Kundenbindung. Bazins Ziel ist eine nahtlose digitale Kundenreise vom Zeitpunkt der Reiseplanung, Information, Buchung, dem Aufenthalt im Hotel - auch Besuche in Spa und Restaurant können per App reserviert werden - und dem nachträglichen Erfahrungsaustausch mit anderen Kunden über Social Media.

3500 Hotels dienen als Test-and-Learn-Labs

Bain lobt Accors Mut. Die Hotelkette hat 25 ihrer mehr als 3500 Häuser zu Test-and-Learn-Labs bestimmt. Was dort gut läuft, wird ausgerollt. In seiner Transformation folgt Accor dem von Bain geforderten 360-Grad-Blick.

Bain fordert einen 360-Grad-Blick auf die Digitalisierung eines Unternehmens.
Foto: Bain & Company

8 wichtige Punkte für den 360-Grad-Blick

Dieser beinhaltet folgende Aspekte:

Egal, in welcher Branche - die Firmenleitung muss jemanden aus ihrer Mitte bestimmen, der sich um den Change kümmert. Auf technologischer Seite geht es zunächst um das Aufbrechen von Silos und die intelligente Nutzung von Data Analytics. Organisatorisch geht es um das cross-funktionale Zusammenarbeiten ehemals getrennt agierender Abteilungen.

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1. Prozesse neu denken
Alle Prozesse, die für den Kunden relevant sind, sollten von außen nach innen gedacht werden, also das optimale Kundenerlebnis zum Ausgangspunkt nehmen. Das erfordert ein Umdenken, das zum einen den Kunden in seiner Onlinewelt schon bei der Produkt- und Servicegestaltung in den Mittelpunkt stellt und sich zum anderen auf Datendurchgängigkeit und einheitliche CRM-Systeme fokussiert.
2. Einheitlichkeit schaffen
Im Rahmen des Umdenkens gilt es auch, die Kundenkontaktpunkte zu vereinheitlichen - und zwar alle, online wie offline, über Texte, Grafiken, Tonalität, Kontaktpersonen und Services hinweg. Diese Einheitlichkeit sollte jeden Prozessschritt für den Kunden einfach und verständlich machen. Dazu gehört auch, eine durchgehend persönliche Ansprache mit einem Berater als Absender oder zumindest einer gleichbleibenden Servicestelle.
3. Kontinuierlich optimieren
Wer den Kunden besser verstehen will, muss die bestehenden Prozess aus seiner Perspektive analysieren. Dazu gehören sowohl Stärken als auch Schwächen. Anschließend sind messbare Verbesserungen zu definieren, die dann kontinuierlich korrigiert werden sollten. Eine große Rolle spielt hier die Einbindung der relevanten Abteilungen, zum Beispiel Produktmanagement, Call Center, Sales und Marketing.
4. einen Verantwortlichen bestimmen
Um alle an einen Tisch zu bringen, braucht es eine zentrale Verantwortlichkeit für den Kundenprozess. So kann an einer zentralen Stelle auch objektiv gemessen werden, wie und wodurch der Kundenprozess verbessert wurde. Dieser Person obliegt die Planung und Durchführung der Maßnahmen zum Online-Erlebnis als ein Aktionsstrang der gesamten Digitalisierungs-Roadmap.
5. Durchgängigkeit gewährleisten
Prozessbrüche und Prozesswechsel sind zu vermeiden. Zum Beispiel der Bruch zwischen Online-Formular und anschließendem Filialbesuch. Es lohnt sich, aus Kundensicht zu prüfen, ob tatsächlich die Notwendigkeit traditioneller Kommunikationskanäle wie Briefsendungen besteht. Hier hilft die Frage: Wie können interne Hindernisse zugunsten einer durchgängigen Online-Customer-Experience verringert oder beseitigt werden?

Folgen fürs Management

Bain spricht hier von einer "Demokratisierung der Daten" und ihrer Auswirkung auf Führung. In einem digitalisierten Unternehmen müssen C-Level-Manager lernen, Hoheit nach unten abzugeben, und zwar nicht nur Hoheit über Wissen und Daten, sondern auch über Entscheidungen. Sie sind gefordert, regionale und lokale Entscheider vor Ort "machen zu lassen".

Für Bain funktioniert Digitalisierung mit Prototypen, im Falle von Industrie-Unternehmen etwa mit einer digitalen Fabrik.
Foto: Bain & Company

Stichwort Prototypen: Diese hängen von der Branche ab. In der Produktion beispielsweise baut das Unternehmen idealerweise eine digitale Fabrik auf und experimentiert damit.

Bain vergleicht die Digitalisierung eines Unternehmens nicht mit einer Reise von A nach B. Vielmehr werde sich das Ziel immer wieder verschieben. Ohne flexible Systeme und flexible Prozesse sei Transformation nicht möglich.