"Ich stimme dem zu", sagte US-Präsident Barack Obama im vergangenen Jahr, als es um ein Eingreifen in den Syrien-Konflikt ging: "Wir sollten nicht der Weltpolizist sein." Alleine schon wegen schrumpfender Militärbudgets können die USA diese Rolle kaum noch ausfüllen. Anders sieht es hingegen bei der Justiz aus, vor allem wenn es um wirtschaftliche Belange geht. Hier spielen die USA mittlerweile Weltgericht und verhängen eine Megastrafe nach der nächsten gegen ausländische Konzerne. Es ist ein lukratives Geschäft für die Staatskasse.
Nun hat es die französische Großbank BNP Paribas getroffen. Sie bekannte sich schuldig, US-Dollargeschäfte mit dem Iran, dem Sudan und anderen Ländern getätigt zu haben, die von den USA sanktioniert werden. "Diese Handlungen stellen eine ernsthafte Verletzung der US-Gesetze dar", sagte Justizminister Eric Holder am Montag in Washington. Er sah dadurch die "nationalen Sicherheitsinteressen der USA" gefährdet. Als Strafe muss die Bank nun annähernd 9 Milliarden Dollar zahlen oder umgerechnet 6,6 Milliarden Euro.
Wohlgemerkt hat die Bank nicht gegen europäisches Recht verstoßen. Selbst der französische Staatschef François Hollande hatte sich in den Konflikt eingeschaltet und in einem Brief an seinen Amtskollegen Obama gemahnt, die Strafe dürfte "nicht unfair und unverhältnismäßig" ausfallen. Immerhin konnte BNP Paribas durch das Schuldeingeständnis die wichtige US-Banklizenz behalten und damit den Zugang zum Weltfinanzzentrum New York.
BNP ist nicht der erste ausländische Konzern, der den langem Arm der US-Justiz zu spüren bekommt. Die Strafe stellt allerdings alles bisher dagewesene in den Schatten. Noch nie musste ein Unternehmen wegen eines Verstoßes gegen US-Wirtschaftssanktionen derart heftig büßen. Für Chris Skinner, den Vorsitzenden der Londoner Bankervereinigung Financial Services Club, ist dies "ein klarer Fall" von einem besonders harten Vorgehen der US-Aufseher. Die US-Banken Citigroup und Wells Fargo seien glimpflicher davongekommen nach Vorwürfen, sie hätten bei der Wäsche von mexikanischen Drogengeldern geholfen. "Es gelten andere Regeln für europäische Banken", sagt Skinner im Interview mit dem BBC Radio.
Die USA verfügen über ein mächtiges Druckmittel. Kaum ein Konzern kann es sich leisten, von dem riesigen Markt ausgeschlossen zu werden. Entsprechend selbstbewusst treten die US-Behörden auf. Allerdings räumt Bankenvertreter Skinner ein, dass die Strafen etwa in Großbritannien bislang vergleichsweise milde ausgefallen seien. Die US-Behörden verfügten einfach über mehr Ressourcen, sagt er. "Da kann man härter zuschlagen."
So sehen sich ausländische Firmen in den USA auch immer wieder Ermittlungen wegen Schmiergeldzahlungen ausgesetzt - dabei muss das Vergehen nicht einmal in den Vereinigten Staaten passiert sein. Die USA verfolgen Verfehlungen auch jenseits ihrer Grenzen und zwar unter dem "Foreign Corrupt Practices Act". Dessen Auswirkungen bekamen schon Siemens, Daimler oder die Deutsche Telekom zu spüren. Sie alle mussten tief in die Tasche greifen, um Korruptionsfälle zu den Akten legen zu können. Bei der Telekom hatten sich nicht einmal die eigenen Mitarbeiter falsch verhalten, sondern die einer ungarischen Tochtergesellschaft.
Da tröstet es wenig, dass auch US-Konzerne büßen müssen wie der kalifornische PC-Hersteller Hewlett-Packard nach Korruptionsfällen in Mexiko und Osteuropa. Oder dass die US-Finanzkolosse JPMorgan Chase und Bank of America mit zweistelligen Milliardenbeträgen für krumme Hypotheken-Geschäfte zur Kasse gebeten wurden.
Wie mächtig die US-Justiz ist, bekommen selbst Staaten zu spüren wie aktuell Argentinien. Ein einzelner New Yorker Richter könnte das Land in die Pleite treiben. Es geht um einen komplizierten Fall von alten Staatsschulden, die US-Hedgefonds in voller Höhe eintreiben wollen. Der Kardinalfehler von Argentinien war, sich Geld am Kapitalmarkt nach US-Recht zu leihen, um sich attraktiver für Anleger zu machen. Denn nun müssen diese alten Schulden auch über eine US-Bank beglichen werden und unterliegen damit der US-Gerichtsbarkeit. "Das gefährdet die argentinische Volkswirtschaft", warnte vor wenigen Tagen Wirtschaftsminister Axel Kicillof bei einem Besuch in New York. (dpa/rs)