Das Cover des Buches "The App Effect" zeigt eine Person, die sich an Seilen abgesichert einen Tunnel hinabstürzt. Dass sich an den Wänden dieses Tunnels Abbildungen von zahlreichen Apps aneinanderreihen, beschreibt Analyst Jaap Bloem, einer der vier Buchautoren, als "keine Science-Fiction sondern faktische Realität". Zusammen beherbergen die großen App-Stores von Apple, Google, Microsoft und RIM momentan über eine Million Apps. Bloem zitiert Analysten von Berg Insight, die vorhersagen, dass App-Downloads bis zum Jahr 2015 auf 89 Milliarden jährlich angestiegen sein werden. Ihr Wert wird nach Schätzungen dann 35 Milliarden Euro betragen.
Die Autoren des Buches "The App Effect" vertreten die Meinung, dass die ungeheure Geschwindigkeit, mit der wir eine ganz neue Welt von Multitouch-Geräten und Apps betreten, darauf beruht, dass drei Faktoren auf einander einwirken: die technologische Entwicklung, ein neues Informationsverhalten und die Festigung von Social Media.
Überall hin Schnittstellen projizieren
Bei der Vorstellung des iPads im Jahr 2010 hatte Steve Jobs provozierend die Post-PC-Epoche proklamiert. Als Post-PC-Beispiel - auch wenn er es nicht als ganz gelungen betrachtet - nennt Bloem das Bewegungs-Interface Microsoft Kinect. Die Hardware zur Steuerung der Videospielkonsole Xbox 360 ist, so Bloem, ein "beispielloses NUI-Exempel." Beim Natural User Interface können Spieler die Software allein durch Körperbewegungen bedienen. Microsoft hat große NUI-Pläne - auch in Windows-Umgebungen -, und mit dem Software-Giganten viele andere Unternehmen auch. Bloem nennt als Beispiel OmniTouch, das es ermöglicht, auf Basis eines sogenannten Pico-Projektors überall Schnittstellen zu projizieren und sozusagen gerätelos zu arbeiten.
"Jede Person ist imstande, sich die Apps auszusuchen und herunterzuladen, die zu ihm oder ihr passen", beschreibt Bloem die Vorzüge von Apps. Und neben den positiven Aspekten betont er auch die Nachteile der exzessiven Smartphone-Nutzung. Es gebe zahlreiche Belege für App- und Handy-Sucht. Der Report A nation addicted to smartphones der britischen Telekom-Regulierungsbehörde Ofcom etwa enthüllte im Sommer 2011, dass Smartphones überall hin mitgenommen und benutzt werden: vom Esstisch zum Badezimmer und ins Schlafzimmer. "Unser soziales Verhalten hat sich merklich geändert. Manche sprechen sogar von iPhone-Zombies", so Bloem.
Die - positive - Kehrseite von App-Sucht bezeichnet Bloem als App-Empowerment. "App-Empowerment bedeutet, dass die richtigen Apps dosiert benutzt werden, um unsere Produktivität, unser Vergnügen an Aktivitäten und unsere Partizipation zu erhöhen", erläutert er. SAP plane beispielsweise, in Unternehmen bis zum Jahr 2015 eine Milliarde Menschen mit Apps zu bedienen.
Neuer, digital basierter Gemeinschaftssinn
Schließlich beeinflussen die Verbreitung von Smartphones und Apps auch die Gesellschaft. Das Begriffspaar Kultur-Clash und Digital Commons veranschaulicht Bloem mit einem Beispiel aus Großbritannien: "Die britischen Krawalle im August 2011 sind bekannt als Blackberry-Aufruhr wegen des intensiven Gebrauchs der BB-Messenger-App. RIM, Facebook und Twitter wurden hinterher eingeladen, um sich mit den britischen Behörden zu unterhalten und mögliche Maßnahmen zu diskutieren." Unter "Digital Commons" versteht Bloem einen neuen digital basierten Gemeinschaftssinn, der weit über Web 2.0 hinaus die ganze Ökonomie und Kultur durchziehen werde. Beim Digital Commons Ideal suche sich der neue Mensch die ökonomischen Aktivitäten aus, die zu ihm oder ihr passen. Genau, wie es bei Apps bereits passiert.
Das hat auch Auswirkungen auf die Geschäftswelt. "Unternehmen werden sich in dieser Dynamik zu sogenannten Social-Businesses transformieren, einer technologisch inspirierten Bewegung, die ökonomisch, gesellschaftlich und kulturell an Menschen orientiert ist", sagt Bloem. Diese Bewegung baut für Bloem auf mehreren Formeln auf. Vereinfacht gesagt, gehört zu Technologie viel mehr als nur Technik, hier spielen auch Ökonomie, Kultur und die historische Entwicklung eine wichtige Rolle. Die von ihm beschriebenen Social Businesses, zu denen Unternehmen sich entwickeln, setzen sich zusammen aus einem Mix aus sozialen Aspekten, Medien, Mobile, Cloud und Analytik. "Social ist das neue Kapital" ist Bloem überzeugt.
Das vom IT-Softwaretest-Dienstleister Sogeti herausgegebene Buch "The App Effect" (2012) ist kostenfrei digital erhältlich unter www.TheAppEffect.org. Die Autoren sind: Jaap Bloem, Menno van Doorn, Sander Duivestein und Andreas Sjöstrom, weitere Informationen unter http://theappeffect.org/about-the-authors/. Gesprächspartner Jaap Bloem ist Senior Analyst bei ViNT (The Institute for the Analysis of New Technology), einem vom IT-Unternehmen Sogeti gegründeten Institut, das sich unter anderem mit der Frage beschäftigt, welche Auswirkungen neue Technologien auf Unternehmen haben.