Für Smartphones im Unternehmen gibt es aktuell zwei Szenarien: Entweder erhalten die Nutzer ein Firmen-Gerät, das der Administrator komplett unter seiner Kontrolle hat. Oder sie greifen mit privaten Gerätenauf Unternehmensdaten zu. Besonders bei letzterem Szenario haben IT-Verantwortliche oft ein mulmiges Gefühl. Was passiert etwa, wenn das Gerät gestohlen wird oder anderweitig in den falschen Händen landet? Kümmern sich die Hersteller wirklich um die Sicherheit der Systeme oder stehen andere Komponenten im Vordergrund?
Der kanadische Blackberry-Hersteller RIM will diesem Problem mit einem neuen Lösungsansatz begegnen. Dieser nennt sich Blackberry Balance. Dabei wird der auf dem Smartphone zur Verfügung stehende Platz im Endeffekt in zwei Bereiche aufgeteilt, einen persönlichen und einen Unternehmensbereich.
Der persönliche Speicherplatz steht komplett unter der Kontrolle des Nutzers. Hier lassen sich private Apps, etwa für Facebook, Twitter oder Spiele installieren. Zudem erkennt der Blackberry, wenn man private E-Mail-Konten hinzufügt - etwa um E-Mails über Googlemail, Yahoo oder ähnliche Dienste abzurufen. Die Kontakte, die von diesen Konten auf das Gerät überspielt werden, gelten ebenfalls als privat und werden entsprechend behandelt.
Auf der anderen Seite steht der Unternehmensspeicher. An diesen sind alle Informationen gekoppelt, die über den Blackberry Enterprise Server (BES) oder BES Express Verwaltungsserver auf die Smartphones gelangen. Dazu gehören beispielsweise Unternehmenskontakte, Business-Mails, Dokumente, Apps, die ein Admin auf dem Gerät installiert hat oder Organizer-Informationen. Trickreicher wird es, wenn es um Dateien geht, die auf der Speicherkarte gespeichert werden. Laut diesem Eintrag der RIM Knowledge Base Eintrag erkennt Blackberry Balance, wenn eine Datei mit einer App erstellt oder gespeichert wurde, die über die API Zugriff auf die Arbeitsdaten hat.
Blackberry Balance im Alltag
Was bringt Balance nun in der Praxis? Unternehmen können Nutzern damit erlauben, dass sie ihre eigenen, privaten Blackberrys in die Businessumgebung einhängen. Mit Hilfe von Balance müssen die Admins nur einen minimalen Eingriff vornehmen - der Nutzer merkt davon höchstens, dass ein bisschen weniger Speicherplatz für private Daten zur Verfügung steht.
Gleichzeitig hat das Unternehmen aber über die eigenen Daten die gleiche Oberhand, als würde es sich um ein selbst ausgegebenes Smartphone handeln. Nicht nur kann es so verwalten, welche Anwendungen auf dem Gerät installiert sein müssen (und diese per Over-the-Air-Update auf dem neuesten Stand halten); es kann beispielsweise auch Dinge wie die Verschlüsselung festlegen.
Zwischen Privat- und Business-Speicher gibt es eine Einbahnstraße: Daten können vom privaten in den Unternehmensbereich fließen, aber nicht umgekehrt. Das gilt auch für die E-Mails: Beginnt man neue Nachricht in einem privaten Konto, so kann man während des Schreibens auf einen Business-Account umstellen - schreibt man den Entwurf dagegen unter einem Firmenkonto, kann man nicht auf ein privates Konto als Absender wechseln.
Administratoren können zudem zwischen zwei verschiedenen Löschverfahren wählen: Wie bisher lassen sich alle Daten auf dem Smartphone löschen - etwa wenn es gestohlen wurde und der Nutzer seine privaten Informationen ebenfalls entfernen möchte. Alternativ lässt sich auch nur die Business-Sektion löschen. Das macht beispielsweise dann Sinn, wenn der Mitarbeiter das Unternehmen verlässt und das Smartphone wieder mitnimmt. Seine privaten Daten bleiben erhalten, sensible Firmeninformationen werden gelöscht. Damit wird zugleich ein rechtliches Problem der IT Consumerization elegant umgangen: Normalerweise ist es rechtlich zumindest problematisch, wenn ein Admin Daten auf dem privaten Gerät eines Angestellten löscht - erst recht, wenn es gegen seinen Willen geschieht. Mit Balance leiht sich das Unternehmen de facto einen Teil des Gerätespeichers, als Ausgleich, dass der Angestellte sein Smartphone behalten darf.
Voraussetzungen und Einrichtung
Blackberry Balance wird fester Bestandteil aller Geräte sein, die mit dem BlackBerry OS 7 ausgeliefert werden, wie etwa dem neuen Bold 9900. Zudem wird die Funktion auch für Geräte mit Version 6, ab Unterversion 1478 des RIM-Betriebssystems zur Verfügung stehen. Das Update erfordert aber die Freigabe der Mobilfunkprovider - und diese kann sich hinziehen.
Zusätzlich benötigt man auf der Server-Seite den BES oder BES Express mindestens in Version 5.0.3. Beide Server sind bereits in dieser Version verfügbar, Admins müssen also "nur" ein Update vornehmen.
Balance ist keine zusätzliche App, die man über die AppWorld oder einen anderen Mechanismus auf den Smartphones installieren kann - vielmehr wird sie ein integraler Bestandteil aller kommenden Produkte von RIM sein. Das gilt beispielsweise auch für das Tablet Playbook, das aktuell die Blackberry Bridge als abgespeckte Variante von Balance nutzt.
Fazit zu Blackberry Balance
Blackberry Balance ist für Firmen ein durchaus interessantes Konzept - zumindest solange zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Nicht nur müssen die Firmen über eine komplette Infrastruktur für Blackberrys verfügen - auch die Angestellten müssen sich aktiv für ein RIM-Smartphone als privates Gerät entscheiden.
Vor allem letzteres ist aktuell eher selten. RIM-Produkte sind zwar in den Emerging Markets durchaus gefragt, in Deutschland besitzen aber nur 4,8 Prozent der Smartphone-Nutzer ein Gerät von RIM - zumindest laut einer Studie von comScore vom November 2010. Neue Produkte, allen voran das Tablet Playbook könnten das zwar ändern - um eine Popularität wie Android oder iOS zu erreichen, müsste RIM aber ein außergewöhnlicher Coup gelingen.
Sind die beiden Voraussetzungen aber erfüllt, ist Balance ein Konzept, das kein Mitbewerber von RIM aktuell vorweisen kann - und das wohl aufgrund seiner Komplexität auch so schnell nicht in den Fokus von Apple und Google geraten wird.