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Wie BP das Energiegeschäft digitalisiert

11.12.2018 von Tom Macaulay
Mit ihrem Team untersucht Morag Watson, Chief Digital Innovation Officer bei BP, welche digitalen Technologien sich der Konzern nutzbar machen kann. Cognitive Computing und Quantum Computing begeistern Morag Watson am meisten.

BP Chief Digital Innovation Officer Morag Watson bereitet den 109 Jahre alten Öl- und Gasriesen auf eine digitale Zukunft vor. Sie analysiert nicht nur, welche Technologien dem Konzern neue Marktchancen eröffnen, sondern auch, wie der steigende Energiebedarf der Gesellschaft gedeckt und CO2-Emissionen reduziert werden können.

Morag Watson ist Chief Digital Innovation Officer bei BP. "Meine Hauptaufgabe ist es, BP darin zu unterstützen, Entscheidungen aus einer digitalen Perspektive heraus zu treffen", sagt sie.
Foto: BP America Inc

"Ob es einem gefällt oder nicht, die Welt ändert sich. Wie wir uns auf der Welt verhalten, ist unsere eigene Entscheidung", sagte Watson unserem Schwestermagazin CIO UK während der IP Expo in London. "Meine Hauptaufgabe ist es, BP darin zu unterstützen, Entscheidungen aus einer digitalen Perspektive heraus zu treffen."

Von ihrem Standort in Houston, Texas, aus betreut Watson 25 Mitarbeiter in der Region Asien-Pazifik, Großbritannien und den USA. Ihr multidisziplinäres Team kommt aus den unterschiedlichsten Bereichen. Etwa ein Drittel sind Neueinstellungen bei BP, und zwar vom Physiker bis zum Marketing-Fachmann. Ein weiteres Drittel sind erfahrene Fachkräfte aus der Ölindustrie und der Rest digitale Spezialisten.

"Einige Aufgaben erledigen wir in sehr enger Abstimmung mit dem Business", sagt sie. "Andere Aufgaben sind sehr disruptiv, daher bleiben sie in unserer Abteilung. Das 'Hier und Jetzt' kann die Zukunft manchmal unterdrücken, das gilt insbesondere für Disruptives."

"Es schmeichelt den Leuten, wenn sie denken, dass es ihre Idee war"

Watsons Team untersucht und bewertet zunächst die Möglichkeiten, die eine Technologie dem Konzern bietet. Identifizieren sie Chancen, kontaktieren sie Fachleute aus dem Konzern, die diese Einschätzung bestätigen oder widerlegen. "Wenn solche Technologien live gehen, denkt keiner mehr daran, wer sie initiiert hat", sagt Watson. "Das finden wir auch gut, denn es schmeichelt den Leuten, wenn sie denken, dass es ihre Idee war."

Watsons Abteilung spielt eine Schlüsselrolle im CO2-armen Geschäft von BP, einer wichtigen Säule der Strategie des Öl- und Gasriesen. Öl und Gas machen derzeit sechzig Prozent der Energieemissionen aus, aber dieser Anteil soll mit zunehmender Erschöpfung der Ressourcen sinken. Der Plan von BP für den kohlenstoffarmen Übergang basiert auf der Reduzierung der Emissionen im Betrieb, der Verbesserung von Produkten und der Gründung neuer Unternehmen, die wenig Kohlenstoff verbrauchen.

BP investiert über drei Jahre 200 Millionen Dollar in den Solaranlagenhersteller Lightsource für eine 43-prozentige Beteiligung am Unternehmen.
Foto: BP Europe

Digitale Technologien werden bei diesen Zielen eine wichtige Rolle spielen. Sie können energieeffizientere Betriebsabläufe ermöglichen, die Leistung von Anlagen überwachen, auf Kundenanforderungen reagieren und mechanische Ausfälle vorhersagen. Letzteres ist von entscheidender Bedeutung, weil Ausfälle katastrophale Folgen haben können.

Die Katastrophe Deepwater Horizon

Das Unternehmen war seit dem Eintritt von Watson im Jahr 1989 an einer Reihe bedeutender Umweltvorfälle beteiligt, die in der Ölkatastrophe von 2010 - bekannt geworden als Deepwater Horizon - gipfelten. Diese zog die größte unbeabsichtigte Freisetzung von Öl in Meeresgewässer nach sich. Der Konzern erhielt Geldbußen und Strafen in Höhe von 4,5 Milliarden Dollar, das ist die größte strafrechtliche Konsequenz in der Geschichte der USA.

Die meisten Anlagen, Offshore-Rigs, Verarbeitungsanlagen und Raffinerien von BP sind über Jahrzehnte hinweg aufgebaut worden, so dass jede neue Technologie in den bestehenden Standort integriert werden muss. Wenn eine neue Anlage entwickelt wird, wie beispielsweise kürzlich im Oman, bedeutet das immer auch die große Chance, die Technologie in das Design einzubeziehen. Eine Kombination aus Datenanalyse, Automatisierung, Sensoren, Remote-Fähigkeiten und hyperconnected Einrichtungen ermöglicht es BP, Emissionen zu reduzieren und Anlagen aus der Ferne zu überwachen.

Das Gasförderungsfeld von BP in Khazzan im Oman
Foto: BP Europe

"Wir gestalten das Design unserer Anlagen jetzt von Anfang an grundlegend effizienter", sagt Watson "Als wir die Anlage im Oman entwarfen, nutzten wir das, um gleich eine zentrale Processing Unit zu implementieren, statt jeden Brunnen mit einer eigenen Processing Unit auszustatten. Auf dem Festland kann man Tausende von Brunnen betreiben, und wenn jeder mit seiner eigenen Processing Unit operiert, ist man viel anfälliger für Störungen. Wenn man mit einer eine Processing Unit arbeitet, ist das nicht nur effizienter, sondern auch besser zu steuern."

"Digital ist die Grundlage für erneuerbare Energien"

BP arbeitet viel mit alternativen Energien, die auf digitale Technologien angewiesen sind, um effektiv und effizient zu sein. So betreibt das Unternehmen viele Windkraftanlagen, die ihre Ausbeute mit umfangreichen Analysen maximieren und neue Wirkungsgrade erzielen. "Digitale Technologien sind grundlegend, um in der Lage zu sein, saubere und erneuerbare Energien zu produzieren", sagt Watson. "Digital ist die Grundlage für erneuerbare Energien. Sie können erneuerbare Energien nicht ohne Digitaltechnik nutzen. Digitaltechnologien sind grundlegend für Solarenergie, ebenso für Windenergie."

BP investiert außerdem in Hightech-Startups mit geringem CO2-Ausstoß, die neue Business Modelle eröffnen. 2004 gründete das Unternehmen BP Ventures, um private, wachstumsstarke Technologiefirmen in seinem Kerngeschäft in den Bereichen Upstream, Downstream und alternative Energien sowie in den neuen Bereichen Advanced Mobility, Power and Storage, Carbon Management Bio und Low Carbon Products zu identifizieren und in diese Firmen zu investieren. Das Team von Watson analysiert, welche Technologien BP den wahrscheinlich größten Nutzen bringen.

BP-Serverraum im Zentrum für High-Performance Computing in Housten
Foto: BP Europe

"Wir schaffen einen Business Case für diese kleinen Firmen, um die Entwicklung ihrer Technologien zu beschleunigen. Ohne unsere Investition wäre das nicht möglich. Und wir investieren, weil es uns einen Wettbewerbsvorteil verschafft", sagt sie. Zu den jüngsten Investitionen gehören Fulcrum BioEnergy, ein Pionier in der Entwicklung und Produktion von kohlenstoffarmem Flugturbinenkraftstoff, sowie die Firma Voltaware, die einen Energiemonitor herstellt, der den Energiebedarf bis hinunter zu einzelnen Geräten verfolgen kann, und schließlich Beyond Limits, ein Unternehmen für Künstliche Intelligenz und kognitive Datenverarbeitung, das den Mars Rover bei der Landung auf dem roten Planeten unterstützte.

Auf dem Mars und in der Tiefsee

Es dauert 14 Minuten, bis eine vom Mars gesendete Nachricht auf der Erde ankommt. Die Gesamtzeit vom Start bis zur Landung des Mars Rover beträgt aber nur sieben Minuten, so dass das Raumschiff bereits gelandet ist, wenn die erste Nachricht im Kontrollraum empfangen wird. Mit dem Ausfall der Kommunikation muss der Mars Rover seine Mission selbstständig abschließen. Beyond Limits half der Landesonde, die unbekannte Umgebung zu analysieren und selbstständig zu navigieren, bevor er zu seinem Träger zurückkehrte.

"Es wurde klar, dass die Landesonde ihre Solarmodule wegen der Batterie staubfrei halten musste. Das Gerät sammelte Daten, ohne zu wissen, dass es dies tat", sagt Watson. "Sie sammelte all diese Daten und erstellte ein Wettermodell für den Mars, ohne dass jemand die Anweisung dafür gegeben hätte."

BP kann in zweifacher Hinsicht von dieser Technologie profitieren. Zum einen gleicht die Umgebung im Weltraum der der Tiefsee, so dass BP die Erkenntnisse für Forschungen rund um seine Bohrinseln nutzen kann. Zum anderen gewinnt das Unternehmen Einblicke in die Möglichkeiten autonomer Systeme entlang der kompletten Wertschöpfungskette.

"Je mehr Sie das automatisieren und sicher sein können, dass gute Entscheidungen getroffen werden, desto mehr Arbeitskräfte können Sie herausnehmen, desto effizienter und sicherer arbeitet Ihr Betrieb", sagt Watson. "Selbst wenn nur zehn Prozent dessen, was Beyond Limits für uns tut, funktionieren, könnte es einen radikalen Wandel in unserem Betrieb nach sich ziehen."

Neue Möglichkeiten der Verschlüsselung

BP nutzt jetzt Robotik, um Pipelines und Bohrinselplattformen zu überprüfen. Das Unternehmen prüft außerdem den Einsatz der Blockchain, um Strom wieder in das Netz einzuspeisen und zu teilen. Doch die Technologien, die Watson am meisten begeistern, sind kognitive Computing und Quantencomputer.

Es wird noch etwas dauern, bis Quantum Computing Ergebnisse zeigt, aber Watson setzt auf die exponentielle Beschleunigung des Tempos, die die Technologie ermöglicht. Quantenschlüsselverteilung und Quantensensoren könnten auch eine wichtige Rolle bei der Sicherung kritischer Infrastrukturen spielen. Das ist ein wachsendes Problem, weil Regierungen und nichtstaatliche Akteure zunehmend diese Infrastrukturen mit Cyberangriffen attackieren.

"Unsere aktuelle Verschlüsselung basiert ganz auf einem sogenannten Prime Factoring", sagt Watson. "Du nimmst eine riesige große Zahl und zerlegst sie in ihre Hauptfaktoren. Ich habe letzte Woche mit meiner Tochter Mathe geübt. Sobald man über die 300 kommt und versucht, alles in Primfaktoren zu zerlegen, wird es schwierig. Aber Computer können das."

Zukünftige Aufgaben, von denen wir jetzt noch gar nichts wissen

"Im Allgemeinen ist eine riesige Zahl sehr schwer zu erreichen. Quantencomputer sind in der Lage, diese Art von Verschlüsselung zu knacken. QKG-Quantenverschlüsselung (Quantum Key Generation) ist die Lösung, an die ich glaube. Sie bietet einem keine neue Form der Verschlüsselung, aber sie erkennt Manipulationen. Damit kann man bestimmte Informationen entsorgen und neue anfordern."

Cognitive Computing hat bereits einen großen Einfluss erreicht und wird weiterwachsen. Es eröffnet neue Einsichten in den Prozess der Ölförderung, in Risikomanagementstrategien und allgemeine Geschäftsaktivitäten. Damit verbessert es Entscheidungen.

"Lieber als von Künstlicher Intelligenz spreche ich von Augmented Intelligence", sagt Watson. "Es geht wirklich darum, etwas ganz Neues zu entwickeln, so dass sich unsere Experten und Mitarbeiter noch mehr auf anspruchsvolle Aufgaben konzentrieren können. Jeder scheint zu denken, dass die Menge anspruchsvoller Aufgaben begrenzt ist, aber ich glaube nicht, dass man das so sagen kann. Ich denke, es könnte eine ganz neue Klasse von Jobs geben, und es gibt eine ganze Reihe von Dingen, die in Zukunft zu tun sind und von denen wir noch gar nicht wissen, dass sie existieren."

Die wichtigsten CIOs der deutschen Energiebranche
Gülnaz Önes
Gülnaz Önes ist seit November 2024 Group CIO bei RWE. Sie kommt von der Mercedes-Benz Mobility AG.
Damian Bunyan
Damian Bunyan ist seit Januar 2016 CIO der E.ON-Abspaltung Uniper in Düsseldorf. In dem Unternehmen werden die E.ON-Bereiche konventionelle Stromerzeugung, Energiehandel und Exploration & Produktion gebündelt. Von 2006 bis 2013 war Bunyan Mitglied der Geschäftsführung des E.on Business Services.
Sebastian Weber
Seit 1. Juli verantwortet Sebastian Weber als CTO bei Eon den IT-Betrieb. Er soll auch die digitalen Plattformen des Konzerns ausbauen. Zudem hat er gemeinsam mit Christopher d'Arcy in einer Doppelspitze die Geschäftsführung der IT-Tochter Eon Digital Technology GmbH übernommen. Beide berichten direkt an Digitalvorständin Victoria Ossadnik.
Martin Hölz
Ab 1. April 2020 wird Martin Hölz CIO der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) mit Sitz in Karlsruhe. Er löst Frank Krickel ab, der seit Juni 2017 die Position des Leiter der Funktionaleinheit Informationstechnologie (C-TI) innehatte und das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlässt.
Philip Lübcke
Philip Lübcke ist seit September 2019 Geschäftsbereichsleiter IT der TEAG Thüringer Energie. Er berichtet an den Vorstand Personal und IT Wolfgang Rampf. Zuvor war Lübcke sechseinhalb Jahre lang CIO der Frankfurter Mainova AG. Insgesamt brint er 15 Jahre Erfahrung aus der Energiebranche mit.
Jan-Wilm Buschkamp
Jan-Wilm Buschkamp ist seit August 2019 Bereichsleiter IT der Mainova AG. Seitdem hat das Team um den CIO mit „hybrIT2023“ ein IT-Transformationsprogramm erarbeitet, um den Frankfurter Energieversorger zukunftsfähig zu machen. Ziel des Programms ist es unter anderem, mehr Wert zu generieren, das Unternehmen lean und agil aufzustellen sowie Prozesse end-to-end zu gestalten.
Oliver Herzog
Zum 1. September 2023 übernimmt Oliver Herzog den CIO-Posten bei der Thüga. Seine Vorgängerin Annette Suckert scheidet altersbedingt aus dem Unternehmen aus.
Thorsten Steiling
Thorsten Steiling ist seit Februar 2019 CIO Oerlikon Group & Managing Director Oerlikon IT Solutions AG. Er berichtet an Boris von Bieberstein, Head of Group Business Services. Zuvor war Steiling von September 2017 bis Januar 2019 CIO/Head of Corporate IT beim Automobilzulieferer Veritas AG in Gelnhausen.
Marcus Schaper
Marcus Schaper ist CIO bei der neuen RWE-Tochter Innogy. Er kommt von der Mutter RWE. Er war zuvor Head of IT bei der RWE Supply & Trading. Schaper hat an der WWU Münster Wirtschaftsinformatik studiert und war seit dem Jahr 2000 bei McKinsey. Zu RWE kam er im April 2010. Bis zum Börsengang der neuen RWE-Tochter fungierte Schaper als CIO für beide Konzernteile, seitdem ist er CIO der neuen Tochtergesellschaft. Übergreifende IT-Aufgaben in der RWE AG werden derzeit von Winfried Bröring wahrgenommen.
Beate Edlefsen
Beate Edlefsen ist seit Juni 2024 Leiterin Konzern-IT/ CIO der Stadtwerke Düsseldorf. Sie beschreibt sich selbst als strukturgebende und verbindliche Möglich-Macherin, die Transformation treibt und dabei als Managerin die Menschen und das Business fest im Blick hat.
Jan Leitermann
Seit Juni 2017 ist Jan Leitermann Group CIO beim österreichischen Öl- und Erdgaskonzern OMV in Wien. Leitermann war zuvor Managing Director und Board Member beim Beratungsunternehmen Accenture AG Schweiz.
Jürgen Skirde
Jürgen Skirde ist CIO der RAG. Gleichzeitig hat er die operativ ausgerichtete Funktion des IT-Leiters inne. Im Konzern arbeitet der Diplom-Ingenieur schon seit 1985 - zunächst zehn Jahre auf Bergwerken, seither im IT-Management. Unter anderem leitete er SAP-Einführungsprojekte, von 2004 bis 2011 war er für die Infrastruktur verantwortlich.
Jan-Hendrik Semkat
Seit November 2017 ist Jan-Hendrik Semkat neuer Bereichsleiter Innovations- & IT-Management bei Natgas. Der gebürtige Oldenburger war mehrere Jahre in den Bereichen Softwareentwicklung, Projektmanagement und Beratung in der Energiewirtschaft tätig. Zuletzt war er Geschäftsführer der SIV Utility Services.
Jörg Ochs
Jörg Ochs (51) hat am 2. September die Leitung der Informationstechnologie der Stadtwerke München (SWM) übernommen. Er berichtet an den technischen Geschäftsführer der SWM Helge-Uve Braun. Ochs ist bereits seit 2017 Geschäftsführer der SWM Infrastruktur GmbH, der SWM Infrastruktur Region GmbH und der RegioNetzMünchen GmbH. Insgesamt ist er bei der SWM seit 2003 beschäftigt, unter anderem als Senior-Manager IT-Security, Leiter IT-Security und Datacenter/Infrastruktur und als Leiter Telekommunikation bei der SWM Services GmbH.
Michael Seiferth
Im Oktober 2021 hat Michael Seiferth die Geschäftsführung der N-Ergie IT übernommen. Vorgänger Klaus Vogl hat das Unternehmen verlassen.
Sebastian Träger
Seit April 2024 leitet Sebastian Träger die IT des Energieversorgers Enercity. Er soll unter anderem das ERP-System modernisieren.