Auf dem Markt sieht es düster aus: Auf 100 offene IT-Stellen kommen nur 56 arbeitslose Informatiker. Besser werden die Aussichten gerade für kleinere und mittlere Unternehmen sicherlich vorerst nicht. Lösen könnte man das Problem damit, mehr Frauen einzustellen: Denn die Informatik ist eine der letzten Männerdomänen. Im mittleren IT-Management ist nicht einmal ein Drittel der Manager weiblich, in Top-Positionen sitzen nur zu sieben Prozent Frauen auf den Chefsesseln.
Doch noch immer scheuen sich etliche Firmen, Frauen in einem gewissen Alter einzustellen. Sie fürchten, dass eine Frau mit Festanstellung nach Ende der Probezeit sofort den Mutterpass vorlegt. Dass eine Karriere als Mutter nicht nur möglich, sondern auch sehr erfolgreich sein kann, beweist die Firmengründerin Miriam Wohlfarth. Sie hat das Unternehmen Ratepay gegründet, das sich auf Payment-Lösungen für Online-Händler spezialisiert hat. Wohlfarth scheut sich nicht davor, Mütter einzustellen. Sie arbeiten anders - wenn man ihnen flexible Arbeitszeitmodelle anbietet.
"Wann kriegst du endlich dein Kind?"
Dass sie einmal in der IT-Branche landen würde, hat Wohlfahrt, 43, nicht gedacht. Ihre Karriere begann, als sie für eine holländische Firma in Deutschland für online-Bezahlsysteme für Reiseportale arbeitete. "Das war im Jahr 2000 und da war das eine komplett neue Branche", erzählt Wohlfarth. "Mein Chef ließ mir viel Freiraum, wir haben uns sehr gut verstanden." Wohlfahrt liebte ihren Job und arbeitete viel. "Irgendwann fragte mich mein Chef, wann ich denn nun endlich mal ein Kind kriegen würde", erzählt sie. Wohlfarth war überrascht und erst mal besorgt. "Ich wollte aber nicht aufhören zu arbeiten. Mein Chef hat mich sehr ermutigt und mir ein sehr flexibles Arbeitsmodell ermöglicht", sagt Wohlfarth. Zusammen mit einer Tagesmutter und einer Kita war beides möglich, Kind und Karriere.
Wenn Entscheider Frauen wirklich fördern wollen, müssen sie sich vor allem auf flexiblere Arbeitsmodelle einlassen. Dass Mütter schlechtere Arbeitnehmer sind, stimmt nicht. Zwar kommt mit Kindern einiges Unverhofftes dazwischen, wie etwa Erkältungen, Elternabende und Anrufe aus Kindergarten oder Grundschule. Die Arbeit bleibt deswegen nicht liegen. "Mütter können wichtige Arbeiten ja abends erledigen, wenn das Kind im Bett ist“, sagt Wohlfarth. Zudem hätten Frauen mit Kindern mehr Organisationstalent als Männer. "Mütter sind besser organisiert. Auch ihre Prioritäten setzen sie zum Teil besser", sagt Wohlfarth. Die Mütter sind in der Regel sehr gut durch getaktet. "Klar, Frauen sind nicht besser als Männer - aber sie arbeiten einfach anders."
Frauen sind in der Regel konsensfähiger als Männer und achten mehr auf die Bedürfnisse anderer. Das macht sie nicht unbedingt zu besseren Managern. Erst eine Mischung aus verschiedenen Herangehensweisen bringen Unternehmen etwas. Für die IT können mehr Frauen nur positiv sein, denn gemischte Teams bescheren dem Unternehmen viele Vorteile. Angesichts des geringen Frauenanteils unter Informatik-Studenten bleibt das aber noch eine Herausforderung: Derzeit ist nur jeder fünfte Student der Informatik eine Frau.
Wären Unternehmen familienfreundlicher, könnte dies mehr Frauen dazu anregen, Informatik zu studieren. Allerdings liegt ein Teil des Problems auch bei den Damen selbst: "Ich glaube, viele Frauen haben damit Berührungsängste", sagt Wohlfarth. "Ich bin in einem Technik-lastigen Haushalt aufgewachsen. Vielleicht hatte ich deshalb keine Angst vor Technik." Eine ihrer Mitarbeiterinnen bestätigt, dass sie sich als Frau in der Informatik stärker durchsetzen, mehr kämpfen musste. Dass Frauen seltener in Führungsebenen zu finden sind, muss nicht notwendigerweise mit der Familie zu tun haben. "Frauen haben oft Angst und trauen sich zu wenig. Männer versprechen oft mehr, als sie halten können. Das macht aber mehr Eindruck", meint Wohlfarth.
Die Hälfte der Manager sind Frauen
Deshalb stellt Wohlfahrt selbst gern Frauen ein. In ihrem Startup RatePay, das sie vor dreieinhalb Jahren gründete, ist jeder dritte Mitarbeiter weiblich und die Hälfte der Führungsebene weiblich. Viele der Frauen haben Kinder und einige arbeiten in Teilzeit. Man stelle sich vor, das Unternehmen ist erfolgreich und nicht nach einigen Tagen in Babybrei untergegangen.
Damit das Modell Managermama klappt, rät Wohlfahrt dazu, schon in der Schwangerschaft mit dem Chef über flexible Arbeitszeitmodelle zu sprechen. "Es wäre schön, wenn sich der Vorgesetzte mit einem über das Kind freuen kann und es nicht zu einem Tabu wird", sagt Wohlfarth. Auch das ist ein Hinweis für den Chef, der künftig mehr Frauen an das Unternehmen binden will: Firmen, die sich familienfreundlich präsentieren, sprechen das Thema offen an und unterstützen Familien. Den Ausschlag gibt dabei das Verhalten des Chefs.
Aber auch im Kollegenkreis ist Rücksichtnahme das Gebot der Stunde. Hat die Kita nur bis halb fünf offen, sollte die Telefonkonferenz eben nicht um vier angesetzt sein. Es sollte niemanden mehr überraschen, dass Mitarbeiter auch von zuhause aus arbeiten können. "Ich zum Beispiel arbeite im Home Office viel mehr - manche glauben ja, man sei zuhause faul", sagt Wohlfarth. Nur Jobs, die mit viel Reisen verbunden sind, sind für Eltern oft schwierig machbar.
Deutsche Chefs reagieren häufig immer noch anders als Wohlfahrts holländischer Chef. "Viele Frauen Anfang 30 bekommen nicht den Job, den sie wollen, weil die Chefs Angst haben", sagt Wohlfarth. "Viele meiner Freundinnen werden abgestellt, sobald sie Kinder haben, auf langweiligere Projekte gesetzt und als Mensch zweiter Klasse angesehen", sagt Wohlfarth. In Deutschland gelten Kinder immer noch als Hindernis für die Karriere. Das gilt inzwischen auch für Männer, die sich mehr um ihre Kinder kümmern wollen. Auch darauf können sich Unternehmen einstellen: "Wir haben auch einige junge Väter in Elternzeit", sagt Wohlfarth.
Keine Rücksicht auf Mütter
Kein Wunder, dass die Geburtenrate gerade unter Akademikern so niedrig ist - wer will von seinen Peers schon als Mangelware angesehen werden oder einfach nicht gemäß der fachlichen Qualifikation besetzt werden. Das weiß auch Wohlfarths Kollegin Mandy Stahn. Sie wechselte von einer großen Firma weg, die sie trotz Kleinkinds zuhause viele Überstunden machen ließen: "Dass ich eine kleine Tochter hatte, darauf würde in der Führungsebene keine Rücksicht genommen."
Mit einer familienfeindlichen Kultur lassen sich die Firmen aber einige Talente entgehen, wie zum Beispiel Stahn. Sie hat in der neuen Firma das Controlling aufgebaut - mit Tochter, die sie manchmal mit ins Büro nimmt. Für die Chefin Wohlfarth kein Problem: "Man kann auch mit einem Kleinkind eine ganze Menge wuppen."