Zum Beginn dieses Jahres wurde wieder eine Fülle von Experten-Prognosen veröffentlicht, die voraussagen, welche neuen Informationstechnologien in den nächsten 12 Monaten auf der Agenda stehen. Die Eingabe "IT-Trends 2014" erzielte Anfang dieses Monats bei Google mehr als 270.000 Treffer.
Wir wollen uns diesem Thema einmal von einer anderen Seite nähern: Wie wird sich im Laufe dieses Jahres die Business-Seite verändern - und welche Folgen hat dies für die IT? Dabei stützen wir uns auf die Digital-IQ-Studie 2014 von PwC, die dieser Tage veröffentlicht wurde. Sie hat weltweit unter 1400 Topmanagern nachgefragt, in welche Technologien sie im laufenden Jahr vorwiegend investieren wollen, um ihre Unternehmen voranzubringen.
Die Top-Themen der CEOs wollen wir etwas genauer unter die Lupe nehmen und überlegen, wie die IT-Bereiche den damit verbundenen Herausforderungen gerecht werden können.
Die Bedenkenträger
In vielen Fällen heißt dies vor allem: Wie kommen sie aus der Rolle des Bremsers heraus, in der sie vielfach noch immer verharren?
"Dafür haben wir momentan kein Budget, keine freien Kapazitäten, keine Zeit."
"Wir müssen zunächst andere Anforderungen bedienen, wir haben andere Prioritäten und Planungen."
"Da bestehen große Sicherheitsbedenken."
"Das passt nicht in unsere Architektur."
Und so weiter. Solche und ähnliche Aussagen hört die Fachseite leider immer wieder, wenn sie neue Wünsche anmeldet.
Wollen die IT-Abteilungen nicht in die Ecke gedrängt werden, müssen sie diese Haltung überwinden. Der CIO sollte Neuerungen nicht nur unterstützen, sondern der Akteur sein, der sie proaktiv vorantreibt - und damit Innovator sowohl der IT als auch des Business werden. Das berührt die Mentalität der IT-Abteilung, ihre Organisation, ihr Aufgaben- und Kompetenzprofil sowie ihre Stellung im Unternehmen.
Die 7 wichtigsten Prioritäten der CEOs
Welche neuen Vorhaben haben nun bei den CEOs für 2014 Priorität?
1. Business Analytics
Die Masse an Daten, die ständig in die Unternehmen einströmt, wächst exponentiell. Die immer weiter verbreiteten mobilen Geräte liefern noch mehr Informationen. In Anlagen, Maschinen, Produkten usw. werden zunehmend Sensoren eingebaut, welche die Datenflut wiederum explodieren lassen (siehe dazu unten das Thema "Sensoric"). Monitoring-Tools erzeugen einen permanenten Datenstrom. Viele andere Quellen kommen hinzu.
Unternehmen wollen diese großen Informationsmengen noch umfassender, genauer und dynamischer auswerten, sie gegebenenfalls auch mit externen Daten kombinieren, um daraus Schlussfolgerungen für ihr Geschäft zu ziehen. Das betrifft Marktstrategien, Produkttrends oder Käuferverhalten.
Hier sind die IT-Abteilungen doppelt gefordert. Zum einen müssen sie moderne Tools für dieses Ziel bereitstellen und insoweit ihre klassische Rolle erfüllen. Darüber hinaus sollten sie die Fachseite beraten und sie befähigen, das Potenzial ihrer Daten-Schätze richtig zu nutzen - also als Coach agieren. Notwendig ist ein ständiger kreativer Dialog.
Permanent neue Fragen überlegen
Im Unterschied zum klassischen Reporting - bei dem eine Frage einmal formuliert und dann kontinuierlich stabil mit Daten bedient wird - kommt es hier darauf an, permanent neue Fragen entwickeln und zu überlegen, wie sie zu beantworten sind. Das ist ein iterativer Prozess: Interne und externe Daten sind zu mischen, zielführend zu analysieren und aus den Ergebnissen wieder neue Fragen abzuleiten.
Die IT-Abteilung muss dem Fachbereich mit ihrem Wissen zur Seite stehen, damit er in diese Denkmuster hineinfinden kann. Sie sollte ihm zugleich den Anstoß geben, über das operative Tagesgeschäft hinaus zu schauen und immer wieder zu prüfen: Was sind interessante Fragestellungen, aus denen sich neue Business-Ziele entwickeln lassen?
2. Social Media / Collaboration
Innovationen entstehen aus dem Zusammenspiel vieler Köpfe - mit gemeinsamer und unterschiedlicher Perspektive. Vor allem HR-Bereiche haben den Wert übergreifender Zusammenarbeit im Blick und sind oft diejenigen, die sie im Unternehmen vorantreiben. Technische Hilfsmittel sind Kollaborationsplattformen, die Sharepoints für eine gemeinsame Dokumentennutzung anbieten, sowie eine neue Kommunikationsplattform schaffen.
Die IT-Fachleute müssen die geeigneten technischen Plattformen auswählen, implementieren und die Nutzer darin schulen. Dabei sollten sie sich nicht auf die technische Unterweisung beschränken, sondern der Business-Seite das Potenzial von Kollaboration deutlich machen. Sie sollten das erforderliche das Wissen liefern und gemeinsam mit den Fachabteilungen überlegen, wie Geschäftsprozesse aussehen, die die neuen Möglichkeiten solcher Plattformen wirklich ausschöpfen.
Der Bürobote lebt noch in den Prozessen
Für viele Unternehmensabläufe ist die passende Metapher nach wie vor der Bürobote, der mit seinem Dokumentenwagen von Abteilung zu Abteilung wandert, Unterlagen abliefert und mitnimmt. In sequentieller Arbeitsweise greift jede Station die Ergebnisse der vorherigen auf, reichert sie mit ihrer spezifischen Kompetenz an und gibt das Resultat weiter.
Natürlich existiert der Bote kaum noch; er wurde schon lange durch IT-Prozesse ersetzt. Virtuell aber scheint er noch durch die elektronischen Abläufe zu geistern: Die einzelnen Arbeitsschritte werden sequentiell erledigt, Wissen und Lerneffekte bauen sich im Laufe des Prozesses auf.
Unternehmen, die erkannt haben, dass Entwicklung - wie auch das Denken - selten linear, sondern in der Regel rekursiv verläuft, speisen das Endergebnis des Prozesses wieder in die Annahmen des Beginns ein und optimieren ihn iterativ so lange, bis sich das Resultat einem gewünschten Zustand angenähert hat.
Iterationsschleifen drastisch verkürzen
Kollaborative Plattformen verkürzen nun diese Iterationsschleifen enorm. Wenn alle Mitarbeiter eines Projekts gemeinsam auf alle Dokumenten zuzugreifen können, haben sie stets einen konsistenten Wissensstand. Prozesse können deshalb dynamischer werden.
Durch die kürzeren Iterationsschleifen wird der Lernprozess beschleunigt: Der Fortschritt jeder Station ist sofort für alle anderen Beteiligte sichtbar - diese können ihn unmittelbar in ihre eigene Arbeit einfließen lassen, deren Ergebnisse allen anderen involvierten Mitarbeitern zu-gänglich machen, die wiederum schnell reagieren können usw.
Damit stehen die Produkte eines Arbeitsablaufs - wie zum Beispiel Angebote - nicht nur früher, sondern auch in besserer Qualität zur Verfügung. Begreift sich der CIO als Organisator dieses prozessualen Quantensprungs, wächst er in die Rolle des Business-Innovators.
3. Mobile Devices
Dass mit Hilfe mobiler Geräte immer mehr Lebensbereiche organisiert werden, kann jeder bei einem Blick in Zugabteile, Wartesäle, Cafés oder Straßen feststellen. Nicht nur Bankgeschäfte, Einkäufe, der Abruf von Börsenkursen oder Sportergebnissen und andere private Aktivitäten werden so abgewickelt. Die mobile Welle schwappt unaufhaltsam tiefer in die Unternehmen hinein. Sie verändert viele firmeninterne Abläufe, vorangetrieben durch die verbreitete "Bring-your-own-Device" Politik.
Das zeigt sich etwa im Umgang mit Mails, der Entgegennahme und Weiterleitung von Reports und anderen Dokumenten oder neuen Vertriebsaktivitäten wie dem Versicherungsvertreter, der beim Kunden die Police abschließend bearbeitet.
Auch die externen Prozesse werden tangiert, denn ein Unternehmen kann mit Hilfe der neuen Kommunikationskanäle seine Kunden ganz anders einbinden. Nehmen wir nur die Automobilindustrie, die mit dem Connected Car neue Optionen wie beispielsweise automatische Notrufmeldungen erlaubt.
Beispiel Wearable Computing
Zu diesem Komplex gehört auch die "tragbare Datenverarbeitung", die hier wörtlich zu nehmen ist: Wearable computing - etwa Fitnessbänder mit Schrittzählern für sportliche Aktivitäten, Gesundheits-Checks oder Wellness-Programme von Krankenversicherungen - ist ein weiterer Technologietrend, den CEOs in diesem Jahr fördern wollen.
Die IT muss die mobilen Komponenten in die Unternehmensabläufe und das Produktangebot integrieren. Auch diesen Prozess sollte sie initiativ mitgestalten, damit sie firmenintern die Kontrolle behält.
4. Cybersecurity
Ein großes Anliegen der Topmanagern im Jahr 2014 ist das Thema Sicherheit, das mittlerweile über Firewalls und Virenscanner hinausreicht. Es wird aus dem engen Rahmen der IT herausgelöst und stärker im Kontext des Gesamtunternehmens betrachtet. Trotzdem kann die IT ihre Leitfunktion auch in diesem Segment ausbauen, wenn sie ihren Ansatz erweitert und sich proaktiv in die Maßnahmen zur Informationssicherheit einbringt.
Dazu gehört auch das Management des Zugriffs auf Informationen überhaupt. Die größte Gefahr sind nun mal "Lecks" im Unternehmen - und sie wächst mit dem Grad der Vernetzung, denn jede Partnerschnittstelle ist auch eine potenzielle Schwachstelle für die Datensicherheit. Mobile Geräte schaffen ebenfalls viele neue Schnittstellen.
Die Punkte bei der Schwachstellenanalyse
Die IT kann hier viele Kompetenzen anbieten, insbesondere bei der Schwachstellenanalyse interner und externer Prozesse mit Mitarbeitern, Partnern und Kunden:
Welche Daten liegen wo?
Welchen Schutzbedarf haben diese Daten?
Wer hat Zugriff auf welche Informationen?
Wer benötigt ihn tatsächlich?
Welche Vorsorgemaßnahmen können getroffen werden?
In welcher Form dürfen Daten entnommen werden?
Ist es zum Beispiel möglich, sie einfach zu extrahieren, etwa in Excel, oder sind automatisierte Abzüge auf elektronische Datenträger grundsätzlich nicht erlaubt?
Nicht nur bei der Vorsorge, auch beim Umgang mit tatsächlichen Schadensfällen kann die IT ihre Erfahrungen einbringen. Dazu gehört etwa die schnelle Information der Betroffenen, damit nach dem technischen nicht noch ein Kommunikations-Desaster eintritt. Auch kulturelle Aspekte sind zu beachten. So sollten Wachsamkeit und Problembewusstsein für Datensicherheit gefördert werden, ohne dass dabei eine generelle Misstrauenskultur entsteht. Das ist manchmal ein schmaler Grat.
5. Cloud / On-Demand Services
Cloud Services sind weiter auf dem Vormarsch. Auch wenn viele IT-Abteilungen hier traditionell skeptisch sind - nicht zuletzt weil in größeren Unternehmen die damit verbundenen Herausforderungen für Architektur und Sicherheit oftmals alles andere als trivial sind - darf sie sich nicht in eine Verhinderer-Rolle zurückziehen: "Das entspricht nicht unseren Vorgaben".
Sie sollte so schnell wie möglich in die Management-Rolle kommen, sich solche Delivery-Modelle zu eigen machen, sie selbst aktiv nutzen und in ihre Architektur einbinden, so dass sie sauber integriert werden. Dazu gehören auch Business-Pläne, um Aufwand und Nutzen - der wiederum bis zu neuen Geschäftsmodellen reichen kann - abzuwägen.
Dropbox, Doodle & Co. lassen sich nicht verhindern
Selbst bei berechtigten Vorbehalten wird die IT-Abteilung eine Nutzung von Cloud- und anderen On-Demand Services im Unternehmen niemals vollständig verhindern können. Viele Nutzer haben privat den Komfort kennen und schätzen gelernt, den ihnen zum Beispiel Tools wie Dropbox, Doodle, iTunes usw. bieten, um Termine, Kontakte und Dokumente auf verschiedenen Geräten aktuell und konsistent zu halten.
Sie werden ihn nicht ausgerechnet in ihrem professionellen Umfeld missen wollen, in dem Zeit und Effizienz noch wichtiger sind. Wenn die IT-Abteilung diese Technologien nicht sauber integriert, werden sie unter der Hand genutzt, und das Chaos wird noch größer.
6. Sensoric
In die Produkte selbst werden immer mehr Sensoren eingebaut, die ganz neue Informationsquellen bilden. Bei-spielsweise hat ein moderner PKW bis zu 100 Sensoren; dabei werden pro Woche schnell Datenmengen im Giga-byte-Bereich produziert.
Die IT-Abteilung muss die schiere Datenflut technisch bewältigen. Doch auch hier sollte sie sich nicht auf ihre herkömmliche Funktion beschränken, sondern zusammen mit der Business-Seite innovative Geschäftsmodelle und -prozesse voranbringen, um diese neuen Informationen gewinnbringend zu verwerten.
Beispiel Bremsenverschleißanzeige
Bleiben wir bei der Automobilindustrie: Sie kann sich etwa bei der Bremsenverschleißanzeige darauf beschränken, einen kritischen Zustand im Auto-Display auszuweisen und es dem Kunden überlassen, wie er damit umgeht. Oder sie kann einen völlig neuen Geschäftsprozess aufsetzen, bei dem sich die Werkstatt selbst meldet, einen Termin vorschlägt, die Ersatzteile bereitstellt oder eventuell einen Ersatzwagen vorbereitet.
Auch gilt es, Transparenz und Offenheit gegenüber dem Kunden zu schaffen, um Misstrauen vorbeugen, welche Daten der Hersteller erzeugt und nutzt.
7. Produktinnovationen durch neue Technologien
Die CEOs wollen in diesem Jahr mit Technologieinvestitionen nicht nur das Potenzial existierender Erzeugnisse erweitern, sondern auch völlig neue Produkte kreieren, die erst durch IT möglich werden. Dazu gehören insbesondere Robotic, mobile Energieversorgung und 3D Printing.
Robotic umfasst neue, autonomere Produkte, zum Beispiel in der Logistik, der Medizintechnik, dem Ge-sundheitswesen oder bei Dienstleistungen wie Reini-gung und Überwachung.
Mit einer deutlich höheren Kapazität von Batterien wird einer der zentralen Kosten- und Performance-Engpässe überwunden, wodurch sich viele mobile Produkte erstmals wirklich sinnvoll nutzen lassen.
Von 3D Printing, mit dem Erzeugnisse einzeln nach Kundenvorgaben hergestellt werden, versprechen sich die Unternehmenslenker eine neue Flexibilität im Angebot und der Fertigung.
Gemeinsam ist diesen Ansätzen, dass die IT immer stärker ein Bestandteil des Produkts wird. Damit wachsen Backoffice und Produkt-IT enger zusammen. Werden zum Beispiel durch Connected Cars neue Services im Auto verfügbar, müssen auch die dazugehörigen Hintergrund-Prozesse wie Abrechnung und Wartung enger integriert werden. Die - traditionell auf die begleitenden Abläufe fokussierte - IT muss auch hier eine aktive Rolle übernehmen, nicht etwa abwarten, bis sich die Produkt-IT verselbständigt. Dabei ist manche gewachsene kulturelle Kluft zu überwinden.
Nehmen wir nur den klassischen Fahrzeugbau und die In-Car-Elektronik: Denkt ersterer bei den Entwicklungszyklen noch in Jahresscheiben, sind bei neuen IT-Releases eher wenige Wochen oder Monate üblich.
IT braucht Entschlackung und Empowering
Entscheidet sich der CIO, die Gestalter-Rolle offensiv an-zugehen, muss er seine Organisation bestmöglich darauf vorbereiten. Das bedeutet zunächst, die notwendigen Kapazitäten freizuschaufeln. Budgets für ein expansives Personaltableau mit Verweis auf neue Herausforderungen wird er heute nur in den seltensten Fällen durchsetzen können.
Er muss die IT also weiter entschlacken und beim IT-Betrieb noch genauer prüfen, welche Aufgaben im Haus behalten werden und welche Routinetätigkeiten zum Beispiel Drittanbieter besser erledigen können.
Der CIO sollte auch darauf dringen, dass die Unternehmensspitze die Rolle des Innovators klar benennt. Wer ist Treiber - die Fachseite oder die IT? Externe Dritte schei-den für diese Schlüsselfunktion aus.
Wenn die IT zuständig ist, muss sie auch in der Lage sein, zu gestalten, beispielsweise die Collaboration-Prozesse federführend festzulegen. In dieser neuen Rolle muss sie von der Business-Seite akzeptiert werden.
Jörg Hild ist Partner IT Sourcing Advisory bei PwC Deutschland.