"Es kommt auf uns an," appellierte Bettina Uhlich, Präsidentin des IT-Anwenderverbands VOICE e.V., in ihrer Keynote zum Auftakt des VOICE Entscheiderforums 2022 in Berlin an die Teilnehmer. Bessere Bedingungen für die Transformation nur zu fordern, reiche nicht aus. Es gelte, alle verfügbaren Hebel wirkungsvoll auszuspielen, um die Dinge voranzubringen.
"Es braucht Taten, um Deutschland aus dem digitalen Mittelmaß herauszuholen," fordert Uhlich. Die Betriebe müssten Menschen in Sachen Digitalisierung befähigen und begeistern, die Unternehmens-IT sieht sie dabei in der Rolle des Vordenkers und Vormachers. Zudem gelte es, den Nachwuchs schon in der Schule zu fördern und den Frauenanteil zu erhöhen.
Anwender, Anbieter und Politik gemeinsam
Mit dem einleitenden "uns" meint Uhlich jedoch nicht nur die Anwenderunternehmen. "Schnelle Fortschritte lassen sich nicht allein erreichen," sagt sie. Auch IT-Anbieter und die Politik sieht sie in der Verantwortung.
Dieses Dreigespann müsse im Gleichgewicht zusammenarbeiten. Anwender entwickelten die Anforderungen für Digitalisierung und setzten sie um. Anbieter stellten die Werkzeuge dazu bereit und passten sie an die Bedürfnisse ihrer Kunden an. Die Politik schaffe dafür Rahmenbedingungen, investiere in Infrastruktur und bietet wirtschaftliche Anreize, etwa durch Subventionen.
Damit Digitalisierung gelingt, sind laut Uhlich schnellere und einfacherer Prozesse sowie klare und einheitliche Gesetze erforderlich. Beziehungen zwischen Anwendern, Anbietern und der Politik gelte es zu fördern. Im Zentrum all dessen stünden Kommunikation und Aufklärungskampagnen.
Sachsen-Anhalt: Vom Scheitern zur Strategie
Dass auch im öffentlichen Sektor die Digitalisierungsbemühungen noch ausbaufähig sind, zeigte der Vortrag von Bernd Schlömer, seit Ende 2021 CIO des Landes Sachsen-Anhalt. "Wir haben die Ziele des Onlinezugangsgesetzes nicht erreicht," gab er zu. Also müsse hinterfragt werden, wie die Bemühungen der öffentlichen Hand in Zukunft mehr Früchte tragen können.
Schlömer hat den Auftrag, bis Mitte 2023 eine neue Digitalstrategie für das Bundesland zu erarbeiten. Er soll unter anderem zirka 100.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kommunen für digitales Arbeiten ausrüsten und rund 7.000 Behördenleistungen mit Online-Zugängen versehen, um die Vorgaben des OZG zu erfüllen.
Die IT-Planung soll dabei auf verschiedenen Säulen ruhen. Schlömer will etwa die Cloud-Infrastruktur als Multi-Cloud mit mindestens zwei Anbietern aufbauen. So will er einerseits einen Vendor-Lock-In verhindern und andererseits sicherstellen, dass Ämter Daten plattformunabhängig verarbeiten können.
Auch über Up- und Re-skilling der IT-Kollegen sowie einen Kulturwandel in der Organisation will der CIO die Transformation zur digitalen Behörde vorantreiben. Das lebt Schlömer vor. Er hat kein eigenes Büro mehr, sondern arbeitet mit den Kollegen in einem Raum. Digitale Verfahren und Laptops ermöglichen es, ohne Medienbrüche zuhause oder in behördenübergreifenden Shared Spaces zu arbeiten. Das Ministerium soll vom Büro zur Begegnungsstätte für Meetings und Collaboration-Initiativen werden, so Schlömer.
Deutsche Bahn: IT braucht Klartext
Persönliche Begegnungen sind auch für Bahn-CIO Bernd Rattey ein Schlüssel für die Digitalisierung. Als er Ende 2021 den Posten übernommen hatte, hörte er erst einmal zu. Der IT-Chef fragte die leitenden Angestellten aus den Fachbereichen der acht Geschäftsfelder nach ihrer Wahrnehmung der IT. Das Feedback nahm er mit in seine Abteilung. Das IT-Team hatte laut Rattey teils sehr andere Wahrnehmungen, weil bisher keiner in dem Maße "Klartext" mit ihnen und den Business Units gesprochen habe.
Um ein Zeichen zu setzen, dass das Feedback Früchte trägt, setzte Rattey auf wenige, aber wirksame Veränderungen. Eine dedizierte neue IT-Strategie gibt es nicht. Stattdessen richten sich die Ziele an der Konzernstrategie aus. So orientiert sich die IT immer an den Anliegen des Business. Die Digital- und Technologie-Roadmap des Konzerns ist der Werkzeugkoffer, mit dem die IT die übergeordneten Ziele erreichen soll.
Grundsätzliche IT-Themen der Sparten werden nicht mehr auf oberster Board-Ebene im Detail diskutiert, sondern liegen in den Händen von Sub-Gruppen, bestehend aus IT und CIOs der Geschäftsbereiche. Das CIO-Board bespricht nur noch Konflikte, die daraus entstehen.
Ressourcen für Digitalprojekte werden nicht mehr ausschließlich über eine Prioritätenliste allokiert. Stattdessen gibt es ein gesondertes Budget, das alle Projekte finanziert, die etwa auf das übergeordnete Konzernziel "Pünktlichkeit erhöhen" einzahlen.
Pfizer Digital: Wie die IT kommuniziert
Thomas Kleine, Country Lead von Pfizer Digital in Deutschland, griff die Forderung von Bettina Uhlich nach mehr Kommunikation auf und widmete seinen Vortrag dem Eigenmarketing der IT. "Als wir für unserer Projekte im Corona-Kontext Preise bekommen haben, waren intern viele überrascht. Sie wussten nicht, was die IT alles dafür geleistet hat," berichtet er.
Also startete Kleine eine Kommunikationsoffensive, um die IT über die Bereichsgrenzen hinaus sichtbarer zu machen. Das hat laut dem Digitalchef aber noch weitere Vorteile. Die Erfolge des eigenen Bereichs zu feiern, steigere zum einen die Motivation der Kolleginnen und Kollegen. Zum anderen helfe es dem IT-Ressort, seine Anziehungskraft für Talente aus den Fachabteilungen zu erhöhen und so neue Fachkräfte anzulocken.
"Dazu braucht es keine teuren Kreativagenturen oder Berater," sagt Kleine und pocht auf das Prinzip "Keep it simple". Sein Kommunikationsteam besteht aus zwei Personen. Um die Botschaften ins Unternehmen zu tragen, vernetzt er sich eng mit der Unternehmenskommunikation, da dort die Ownership aller Kommunikationskanäle liege.
Zur Kommunikation setzt Kleine verschiedene Hebel ein. Zum einen etabliert er eine Award-Kultur, um Schlaglichter auf herausragende Projekte zu werfen. In einfacher Sprache beschreibt sein Team, wie das ausgezeichnete Projekt mit messbaren Ergebnissen auf die Unternehmensziele einzahlt.
Mitteilungen, etwa zur Downtime wegen Wartungsarbeiten an File-Servern, schneidert sein Team auf die Bedürfnisse der Belegschaft zu. So erklärt der erste Absatz in einfacher Sprache das "Warum" und den Mehrwert der Maßnahme für das Business. Zudem enthält die E-Mail am Ende auch Lösungsvorschläge für mögliche Probleme, die währenddessen auftreten können.
Zudem nutzt der IT-Chef Testimonials aus den Fachbereichen, in denen Mitarbeiter aus dem Business ihren Kollegen selbst den Nutzen eines IT-Projekts erklären. "Man muss das Rad nicht neu erfinden," resümiert Kleine. Zwar müsse der CIO das Storytelling aktiv anstoßen und vorantreiben, aber meist existierten bereits Kommunikationsplattformen im Unternehmen, die man nutzen könne. Zudem helfe es, sich eng mit andere Abteilungen zu vernetzen, die erfolgreich Eigenmarketing im Unternehmen betreiben.
Best Data Project Award
Ganz im Sinne von Kleines Forderung, Erfolge zu feiern, wurden zum Ausklang des VOICE Entscheiderforums herausragende IT-Projekte mit dem mit "Best Data Project Award" gekürt.
In der Kategorie Mittelstand schaffte es Ralf Werner, CIO des Gasnetzbetreibers Open Grid Europe, auf den ersten Platz. Dessen Projekt "H of Empires" nutzt Daten, um das Leitungsnetz der OGE für den Wasserstofftransport nutzbar zu machen. Das ist nicht die erste Preis, den Werner gewonnen hat. Beim Wettbewerb "CIO des Jahres" wurde er 2020 für seine IT-Strategie zum Sieger in der Kategorie Mittelstand gekürt.
Der Chemiekonzern Evonik stand in der Kategorie Großunternehmen auf dem Siegertreppchen. Das Projekt "COATINO Defect Detection" unterstützt die Qualitätssicherung, indem es die optische Auswertung von lackierten Testmustern im Labor automatisiert.