IT-Projekte besetzen

Wie CIOs den Fachkräftemangel weitergeben

03.12.2015 von Christiane Pütter
Unternehmen professionalisieren ihre IT-Sourcing-Strategie – das heißt, sie lagern den Fachkräftemangel an externe Dienstleister aus. Das beobachtet jedenfalls der Marktforscher Lünendonk.
  • 79 Prozent der IT-Dienstleister bezeichnen das Recruiting von IT-Fachkräften als "schwierig" bis "sehr schwierig"
  • Unter ihren Kunden, den Anwenderunternehmen, sind es "nur" 61 Prozent
  • IT-Serviceprovider wollen 2016 durchschnittlich zehn Prozent wachsen
Laut Mario Zillmann, Leiter Professional Services bei Lünendonk, vergeben Anwenderunternehmen „immer größere Auftragspakete im Umfeld von Digitalisierungsstrategien an externe IT-Dienstleister“.
Foto: Lünendonk

Die Nachfrage nach IT-Services habe dieses Jahr einen neuen Höhepunkt erreicht, schreibt der Marktforscher Lünendonk aus Mindelheim in seiner Studie "Recruiting für die digitale Transformation". Bedingt durch den digitalen Wandel hätten Unternehmen viel in IT-Projekte investiert. Im gleichen Atemzug spricht Lünendonk vom Fachkräftemangel. Der Studie liegen Angaben von rund 100 Dienstleistern und 37 CIOs zugrunde.

Kein neues Thema. Große Konzerne wie auch Mittelständler hätten denn auch in den letzten Jahren "ihre Sourcing- und Rekrutierungsstrategien überarbeitet und professionalisiert", wie Lünendonk bescheinigt. Konkret heißt das: Sie geben den Druck, IT-Projekte zu besetzen, an externe Dienstleister weiter. Diese wiederum kontaktieren Personaldienstleister. Rund zwei Drittel der führenden IT-Serviceprovider arbeiten laut Lünendonk mit Personaldienstleistern zusammen, um freie IT-Experten an Land zu ziehen. Die Marktforscher rechnen damit, dass dieser Anteil noch zunimmt.

Recruiting von IT-Fachkräften "schwierig" bis "sehr schwierig"

So bezeichnen denn auch 79 Prozent der befragten Provider das Recruiting von IT-Fachkräften als "schwierig" bis "sehr schwierig". Unter ihren Kunden sind es "nur" 61 Prozent. Als Folge dessen sprechen 65 Prozent der Dienstleister von "großen" bis "sehr großen Problemen" für ihren Geschäftserfolg beziehungsweise die Leistungserbringung. Von den CIOs erklären das mit 32 Prozent deutlich weniger.

Lünendonk wollte wissen, wie die IT-Dienstleister vorgehen. Die klassische Ausschreibung offener Stellen scheint der Königsweg zu sein: 71 Prozent schreiben immer aus, weitere 24 Prozent häufig. 62 Prozent suchen intern über ihre Website immer oder oft nach geeigneten Spezialisten. Ebenso viele wenden sich an Staffing-Agenturen. Bei 60 Prozent werden die bestehenden Berater stärker ausgelastet.

Flüchtlinge als Hoffungsträger gegen den IT-Fachkräftemangel
Hoffungsträger gegen den Fachkräftemangel
Können Flüchtlinge – insbesondere aus Syrien – den Fachkräftemangel in der deutschen IT abmildern? Daten dazu gibt es kaum, aber einzelne Erfahrungen. Drei Stimmen.
Erdal Ahlatci, MovingImage24
Erdal Ahlatci ist COO beim Videoservices-Spezialisten MovingImage24. In seinem Team arbeiten eine Israelin, ein Marokkaner und ein Flüchtling aus Syrien mit den anderen Kollegen zusammen. Seine These: Der hohe Bildungsstand und die gemeinsamen Ziele verbinden die Kollegen.
Stephan Pfisterer, Bitkom
Stephan Pfisterer, Arbeitsmarktexperte des Bitkom, kann das Potenzial der Flüchtlinge derzeit noch nicht einschätzen. „Wegen des Massenandrangs ist es selbst für Ausländerbehörden und Jobcenter schwer, einen Überblick über die Qualifikationen der Flüchtlinge zu bekommen“, sagt er.
Luuk Houtepen, Sthree
Luuk Houtepen ist Head of Business Development DACH beim Personaldienstleister Sthree. Er weiß von bayerischen Unternehmen, die händeringend einen IT-Spezialisten suchten und den geeigneten Kandidaten nicht wollten - dieser kam aus Hamburg.
Dünne Datenlage
Der „MINT-Herbstreport 2015 – Regionale Herausforderungen und Chancen der Zuwanderung“ vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln verbreitet wenig Optimismus. Erste Auswertungen zur Qualifikation der aktuellen Flüchtlinge aus den Krisen- und Kriegsgebieten zeigen, „dass diese noch einmal deutlich geringere Qualifikationen aufweisen und dass mehr als 71 Prozent weder eine Ausbildung noch ein Studium absolviert haben“.

Mehr als jeder zweite IT-Dienstleister (52 Prozent) beauftragt andere IT-Serviceprovider als Sub-Unternehmer. Eine Minderheit von 19 Prozent kontaktiert die Freelancer direkt.

Lünendonk erwartet eine weitere Anspannung des Marktes. Es zeichne sich ab, dass Anwenderunternehmen "immer größere Auftragspakete im Umfeld von Digitalisierungsstrategien an externe IT-Dienstleister vergeben", erklärt Mario Zillmann, Leiter Professional Services bei dem Marktforscher.

Scheinselbstständigkeit und Rentenversicherung

Wie der Bremer Rechtsanwalt Benno Grunewald betont, spielen Aspekte wie Scheinselbständigkeit und Rentenversicherungspflicht in dieses Thema hinein. CIOs, die IT-Dienstleister beauftragen, entlasten sich auch davon. "In der 'klassischen' Situation hat der IT-Freelancer mit seinem Auftraggeber, einer Personalberatung, einen Vertrag, ist aber für einen Dritten, den Endkunden, tätig. Zwischen dem IT-Freelancer und dem Endkunden bestehen keine rechtlichen Verbindungen", erklärt Grunewald. Im Falle einer Überprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRB) habe der Endkunde nichts zu befürchten.

Bitkom Arbeitsmarktreport 2015
Informatiker gesucht
Der Report "Der Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte", den der Verband Bitkom vorgestellt hat, basiert auf Angaben von insgesamt 1.500 Personalern und Geschäftsführern, davon 700 aus ITK-Unternehmen.
43.000 offene Stellen
Aktuell sind in Deutschland 43.000 IT-Stellen offen.
ITK-Branche
Auffällig in der ITK-Branche ist der stark wachsende Bedarf an Projektmanagern. Im Gegenzug ist die Nachfrage nach Anwendungsbetreuern/Administratoren gesunken.
ITK-Branche (2)
Cloud, Big Data und Mobile prägen die Arbeit in der ITK-Branche.
Anwenderunternehmen
Fragt man die Anwenderunternehmen, stellt sich das Bild wie folgt dar: An erster Stelle stehen Anwendungsbetreuer/Administratoren. Verstärkt brauchen die Anwenderfirmen nun auch Software-Entwickler.
Quereinsteiger
Trotz des Fachkräftemangels räumen Unternehmen Quereinsteigern immer weniger Chancen ein. Bitkom-Präsident Thorsten Dirks appelliert an Entscheider, mehr auf das faktische Können zu setzen als auf die formale Qualifikation.

Lünendonk schreibt, mit den Ressourcen des deutschen Fachkräftemarktes werde sich die "Herausforderung der Projektbesetzung" nicht lösen lassen. Denn die Ziele der befragten IT-Serviceprovider sind hoch: im Schnitt wollen sie 2016 eine Umsatzsteigerung von zehn Prozent erreichen.

Die Unternehmen müssten also häufiger als bisher alternative Rekrutierungs- und Sourcing-Strategien entwickeln, so die Marktforscher weiter. Dazu gehöre beispielsweise das Anwerben von IT-Fachkräften aus dem Ausland oder die Verlagerung von Aufgaben über Ländergrenzen hinweg. Schwierigkeiten aufgrund kultureller Unterschiede und Sprachbarrieren will Lünendonk dabei nicht wegdiskutieren.